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,,Hierher nach Leutzsch zu kommen, hat den Hunger in mir erweckt“ – Stanley Ratifo im Interview

By 4. November 2024No Comments

Schon vor dem Auswärtsspiel bei Viktoria Berlin am 26. Oktober 2024 hat die Fünfeck-Redaktion mit Blick auf das jüngste Heimspiel gegen den Halleschen FC Stanley Ratifo interviewt. Der 29-jährige Stürmer wurde bei den Saalestädtern fußballerisch ausgebildet und hat seit seinem Abgang 2015 einiges in der Welt erlebt. Im Interview spricht er mit uns über seinen Start in Leipzig-Leutzsch, seine Nationalmannschaftskarriere mit Mosambik und sein zweites Standbein neben dem Fußball. Da wir nicht das komplette Gespräch im Fünfeck gegen den HFC (Nr. 270) abdrucken konnten, gibt es das jetzt hier auf der Homepage für alle.

Hi Stanley und herzlich willkommen beim Fünfeck! Du warst im Februar dieses Jahres im ZDF-Sportstudio zu sehen, um deine außergewöhnliche Karriere vorzustellen. Wie kam es zu diesem Besuch?

Stanley Ratifo: Oliver Schmidt vom ZDF kam auf mich zu. Er hatte den Afrika-Cup verfolgt und gesehen: Da spielt einer aus der Oberliga mit. Da dachte er sich wohl: Ziemlich interessante Story, warum laden wir den mal nicht ins Sportstudio ein?

Du hast sehr viele Follower auf Instagram: 16.800 an der Zahl. Wie viel Zeit musst du investieren, um so viele Follower zu unterhalten?

Wenn ich ehrlich bin, mache ich aktuell eigentlich gar nichts außer Spiele spielen und ab und zu was zu den Spieltagen posten. Wenn du Nationalmannschaft und für einen Traditionsverein mit vielen Anhängern spielst, dann kommen die Leute schnell zusammen.

Auch musikalisch trittst du mit gut gedrehten Videos in Erscheinung. Wie lässt sich das alles mit dem Leistungssport vereinbaren? Hat deine Woche auch Momente der Erholung?

Ja absolut, denn gerade stelle ich das Ganze hinten an. Ich will mich auf den Fußball konzentrieren und hier so schnell wie möglich ankommen. Wenn ich mal eine ruhige Phase habe, dann mache ich „Mucke“, meist von meinem Homestudio aus.

Beschreib uns doch bitte, was du mit deiner Musik besonders ausdrücken möchtest.

Das ist unterschiedlich. Aktuell erzähle ich, warum ich in letzter Zeit musikalisch nicht so aktiv war und was hinter den Kulissen so alles abgeht, auch bei mir privat.

Zum Beispiel?

Es gibt da auf jeden Fall etwas. Aber die Bombe lasse ich erst platzen, wenn der Zeitpunkt da ist. Ich freue mich, wenn es so weit ist.

Wurdest du in deiner Zeit in Leipzig auch schon auf der Straße erkannt? Wenn ja, dann als Chemie- oder Mosambik-Spieler oder aufgrund deiner Bekanntheit neben dem Platz?

Beides: Als Nationalspieler und als Chemiker. Ich erinnere mich an die Anfangszeit. Da haben mich Leute morgens beim Bäcker angesprochen: „Hey, wir wollen dir mal Props („proper respect“, in etwa gebührender Respekt, Anm.d.Red.) geben. Schön, dass du hier bist. Du tust uns gut in Leipzig und ich gucke dir sehr gerne zu.“ Das war ein schöner Moment.

Du bist jetzt vier Monate bei Chemie. Welche erste Bilanz ziehst du aus deinem Wechsel nach Leutzsch?

Erst vier Monate? Hierher nach Leutzsch zu kommen, hat den Hunger in mir erweckt. Mein Wille, Tore zu schießen, ist größer geworden. Ich muss sagen: Leipzig, das macht mich aktiv und effektiv. Insgesamt stehe ich bei elf Scorerpunkten in 14 Spielen für Chemie und Mosambik (6 Tore und 2 Vorlagen in 11 Spielen für Chemie, 2 Tore und 1 Vorlage in 3 Spielen für Mosambik, Anm. d. Red.). Das kann gerne weiter so gehen.

Wie kam es überhaupt zum Wechsel zur BSG? Welchen Einfluss hatte dabei dein Kumpel und Ex-Chemiker Lucas Surek?

Mit Lucas Surek habe ich schon als Kind auf dem Bolzplatz gespielt. Später waren wir beide Jugendspieler beim HFC. Er und sein Vater: Das sind zwei krasse Menschen, die ich in meinem Herzen trage. Lucas hatte mich letzte Saison zum Heimspiel gegen Meuselwitz eingeladen. So konnte ich mir ein Bild von den Fans und dem coolen „Vibe“ im Stadion machen. Auch die Verantwortlichen haben mir Wertschätzung gezeigt und gesagt: Wir wollen dich!

Mit Terry Asare bist du am Anfang der Saison auf einen alten Bekannten gestoßen. Habt ihr euch vor der Saison schon einmal über einen möglichen Wechsel ausgetauscht?

Das kam erst später. Er hat mir auch erst geschrieben, als er den Vertrag unterschrieben hat. Das fand ich cool.

Warst du überrascht von deinem Katapult-Start mit vier Toren aus vier Spielen?

Überrascht ist sicherlich das falsche Wort, aber gefreut habe ich mich natürlich. Der Trainer hat mir auch immer im Spaß Druck gemacht, weil er meinetwegen einen Strafzettel bekommen hat: Wenn du die ersten Spiele nicht triffst, dann zahlst du den (lacht).

Moment mal: Miro hat deinetwegen einen Strafzettel bekommen?

Das war so: Bevor Chemie mich verpflichtet hat, haben wir uns außerhalb von Leipzig getroffen, auf „neutralem Boden“. Tja, am Ende haben wir beide einen Strafzettel gekriegt, weil wir die Parkzeit überschritten haben.

Du spielst ja nicht einfach nur Fußball, sondern erfreust auf dem Platz immer wieder mit erstaunlichen Tricks, die man nur von Straßenfußballern kennt. Würdest du gerne mehr Mit- oder Gegenspieler mit solchen Fähigkeiten auf den Rasen sehen?

Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich bin ein Käfigkicker, der auf dem Bolzplatz groß geworden ist. Aber ich spiele auch gerne mit geradlinigen Spielern zusammen, die mir den Ball auflegen. Zu viel von meiner Sorte wäre auch nicht gut. (lacht)

Neben Chemie spielst du auch für die Nationalmannschaft Mosambiks. Wie kam es eigentlich zur Berufung als Nationalspieler für Mosambik? Und wie war deine erste Reaktion auf die Anfrage?

Ich erinnere mich, dass ich immer gerne für die Nationalmannschaft spielen wollte. Aber erst zwei Monate nach meinem Wechsel zum 1.FC Köln, wo ich mit den Profis trainieren durfte, kam die erste Nominierung. Ich musste mich auch erst mal kneifen. Kurz zuvor war ich noch in irgendeinem Wald in Auerbach, dann steht Anthony Modeste neben mir, kurz danach im Nationaltrikot gegen Angola – das war schon ein kleines Wunder. Da hatte ich großes Bauchkribbeln und auch viel Ehrfurcht.

Worin besteht der größte Unterschied zwischen dem Regionalliga-Kicker Ratifo und dem mosambikanischen Nationalspieler Ratifo?

Ich sage mal so: Die Länderspiele helfen mir, mich zu verbessern. Die Spieler sind schneller, auch im Kopf, haben saubere Ballkontakte, sind physisch explosiver und setzen direkt das um, was der Trainer ihnen sagt. Sie nehmen mich auch mal zur Seite und geben mir Tipps. In der Nationalmannschaft Stammspieler geworden zu sein, mit solchen Mitspielern – darauf bin ich schon auch ein wenig stolz. Ich ziehe viel Selbstvertrauen aus den Spielen, auch für Spiele danach mit Chemie.

Was war bislang dein größter Moment als Vereinsspieler?

Das DFB-Pokalspiel mit Pforzheim gegen Leverkusen, wo wir nur durch einen Elfmeter gegen Leverkusen verloren haben. Ich hatte sogar eine Riesenchance auf dem Fuß …

Du hast dir mit der Afrika-Cup-Teilnahme 2023 einen großen Traum erfüllt. Diese gelang durch deinen Treffer im prestigeträchtigen Nachbarschaftsduell gegen Sambia in der Nachspielzeit. War das für dich der beste Moment deiner bisherigen Nationalmannschaftskarriere?

Die erfolgreiche Afrika Cup-Quali war schon wichtig, es war aber für mich nicht der beste Moment. Ich glaube, der geilste Moment war es, zweimal MVP („most valuable player“, so etwas wie der Spieler des Spiels, Anm. d. Red.) auf internationaler Ebene zu sein. Das war für mich die größte Auszeichnung. Es war ein sehr geiles Gefühl.

Was würdest du Chemie-Fans raten, wenn sie dich mal live im Nationaltrikot Mosambiks spielen sehen wollen?

Ganz einfach: Tasche packen, hinreisen, Ratifo anschreiben: „Mach mal Karten klar!“ Ich mach es!

In der Afrika-Cup-Qualifikation gelangen dir zuletzt zwei Treffer und eine Vorlage gegen Eswatini (früher Swasiland). Direkt danach hast du zweimal gegen Eilenburg getroffen. Hast du dir das Selbstvertrauen über die Länderspiele zurückgeholt?

Ich glaube, dass ist immer so. Wenn du in das Land kommst, wirst du mit viel Freude, Tanzen und Sonne empfangen. Da kannst du immer sehr viel positive Energie tanken und fliegst mit einem guten Gefühl zurück.

Du bist beim HFC und Lok ausgebildet worden. Sind da die Spiele nicht nur wegen der Rivalität besonders für dich? Hast du dir für heute besonders viel vorgenommen?

Natürlich habe ich Bock, gegen meinen Ex-Club zu spielen. Das ist schon was Besonderes. Andererseits habe ich auf jedes Spiel Bock. Ich gehe solche Spiele also nicht anders an als andere Spiele.

Dann hast du eineinhalb Jahre in Auerbach gespielt. Ärgerst du dich, dass du das Pokalspiel im Vogtland wegen der nächsten Afrika Cup-Qualispiele gegen Mali und in Guinea-Bissau verpasst?

Ja, schon. Ich habe mich auch auf Herrn Köhler (Sven Köhler, Auerbachs Trainer, Anm. d. Red.) gefreut. Er war der Mann, der mir in Halle meine erste Chance gegeben hat. Es ist schade, wenn ich Spiele verpasse, aber ich glaube, jeder hat Verständnis dafür.

Weiter ging es bei dir nach Köln zum FC bei deren U23. Dort standest du kurz vor dem Sprung in die 1.Mannschaft, aus dem durch die Genesung von Leonardo Bittencourt jedoch nichts wurde. War die Zeit in Köln trotzdem eine prägende Zeit?

Klar, war das eine prägende und schöne Zeit bei den „Geißböcken“. Schade, dass es nicht geklappt hatte, aber so ist Fußball.

Nach dem FC wolltest du eigentlich mit dem Fußball aufhören und dich auf deine Karriere als Rapper konzentrieren. Wie froh bist du im Nachhinein, dass du dich trotzdem gegen das vorzeitige Karriereende entschieden und beim 1. CfR Pforzheim angeheuert hast?

Sehr froh. Vor allem, weil unsere Jahre beim Fußball einfach begrenzt sind. Die Jahre, in denen ich körperlich auf gutem Niveau spielen kann, will ich natürlich nutzen.

Was sind die Unterschiede zwischen der Oberliga Baden-Württemberg und der Regionalliga Nordost?

Hier sind die Spieler robuster. Hier spielt man erwachsener.

Schielst du mit deinen 29 Jahren auch noch in Richtung höhere Ligen?

Das weiß leider nur der liebe Herr. Ich wollte ja meine erste Bombe noch platzen lassen. Da erwarte ich erst mal etwas anderes.

Wir sind gespannt! Zeit für die Entweder-oder-Fragen: Deutschrap oder RnB?

Eher RnB.

Last-Minute-Treffer oder Hattrick?

Hattrick.

Mildes oder scharfes Essen?

Mildes Essen.

Kurz- oder Langschläfer?

Kurzschläfer.

Playstation oder Fernsehen?

Keines von beidem. Wenn, dann vielleicht ein bisschen Netflix.

Was möchtest du den Fans zum Abschluss noch mitgeben?

Ihr pusht uns nach vorne und wir spüren das. Wir merken das auf dem Platz. Ihr gebt uns Kraft, ihr seid unser Rückenwind. So können wir Spiele gewinnen. Auch Spiele, die vielleicht schon verloren scheinen!

Vielen Dank, Stanley, und weiterhin alles Gute!

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