1963 kommt es erneut zu Umstrukturierungen im Leipziger Fußball. Aus dem SC Rotation Leipzig wird der SC Leipzig als Bezirks-Leistungszentrum gebildet. Der SC Lok Leipzig verliert seinen Club-Status und kehrt als BSG Chemie nach Leutzsch zurück. Die vermeintlich besten Spieler der beiden Oberligisten SC Lok und SC Rotation werden in den neuen Club nach Probstheida delegiert. In Leutzsch verbleiben die übrigen Spieler. Die Legende vom „Rest von Leipzig“ ist geboren.
Innerhalb kürzester Zeit muss Trainerfuchs Alfred Kunze im Georg-Schwarz-Sportpark eine oberligataugliche Mannschaft formen. Zu den im Club aussortierten Spielern kommen die beiden Zeitzer Bauchspieß und Pacholski, die sich als Verstärkungen erweisen. Überdies erweist sich Chemie als Zuschauermagnet. Das Leipziger Publikum hat ihre 51er Meistermannschaft nicht vergessen. Und so wird der Leutzscher Georg-Schwarz-Sportpark zur schier uneinnehmbaren Festung. Mit dem Publikum im Rücken wollen die Spieler in den grün-weißen Trikots allen beweisen, dass sie besser sind als die Auserwählten in Probstheida. Die erste Gelegenheit ergibt sich am 6. Spieltag, als Chemie und der SCL zum ersten Derby vor 30.000 Zuschauern im Zentralstadion aufeinander treffen. Chemie gewinnt 3:0 und setzt sich in der Spitzengruppe fest. Zur Halbserie liegt Chemie auf dem dritten Platz, von Abstieg ist keine Rede mehr. Im Gegenteil, jetzt will man mehr in Leutzsch. Auch das Rückspiel gegen den SC Leipzig gewinnen die Grün-Weißen, diesmal vor 40.000 Zuschauern. Pacholski und Bauchspieß drehen einen 0:1 Rückstand noch zum 2:1-Sieg. Jetzt fängt man langsam an, nach mehr zu streben. Der Georg-Schwarz-Sportpark erweist sich für die entscheidenden Spiele in der Rückrunde als zu klein. Und so trägt Chemie die Spitzenspiele gegen Empor Rostock und Vorwärts Berlin im Zentralstadion aus. Am vorletzten Spieltag liegt Chemie sensationell auf Platz eins. Und dann kommt der legendäre 10. Mai 1964. 10.000 Leipziger Schlachtenbummler machen sich auf den Weg nach Erfurt. Ein Sieg fehlt noch, um nach 1951 die zweite Meisterschaft in die Messestadt zu holen. Aber auch Gastgeber Erfurt muss gewinnen, um nicht aus der Oberliga absteigen zu müssen. Für Spannung ist also gesorgt. Aber Chemie zeigt sofort, wer hier als Sieger vom Platz geht. Bereits nach 13 Minuten ist das Spiel entschieden. Nach einem Doppelschlag von Behla und Walter führt Chemie frühzeitig mit 2:0. Nach dem Abpfiff stürmen die Leipziger Fans den Rasen und tragen die Meistermannschaften auf Schultern in die Kabine. Chemie ist zum zweiten Mal Deutscher Meister.
In der nächsten Saison ist Chemie kein Außenseiter mehr, sondern gehört nun selbst zu den Gejagten. Trotzdem spielen die Leutzscher erneut eine glänzende Saison und werden am Ende Dritter. Im Herbst 1964 nehmen die Chemie–Spieler Walter, Bauchspieß und Lisiewicz mit der DDR-Olympiaauswahl an den Olympischen Spielen in Tokyo teil und gewinnen dort die Bronzemedaille. Im Europapokal der Landesmeister werden den Leutzschern jedoch die Grenzen aufgezeigt. Die Mannschaft scheidet bereits in der ersten Runde gegen den ungarischen Meister Vasas Györ aus. Im Sommer 1965 nimmt Chemie am Inter-Toto-Cup teil und wird ungeschlagen Gruppendritter vor Slovnaft Bratislava, FC Zagreb und Pogon Szczecin. Im Viertelfinale wird der SC Empor Rostock ausgeschaltet. Erst im Halbfinale scheitern die Chemiker am SC Leipzig, der sich somit erstmals in einem wichtigen Wettbewerb gegen Chemie durchsetzen kann und am Ende auch gegen IFK Norrköpping den Cup gewinnt.
Im Januar 1965 bestreitet die DDR-Nationalmannschaft mit den beiden Chemie-Spielern Walter und Bauchspieß eine Südamerika-Tournee nach Uruguay und Brasilien. Beide Spieler kommen u.a. bei einem Turnierspiel gegen Atletico Madrid im weltberühmten Maracana-Stadion in Rio de Janeiro vor über 140.000 (!) Zuschauern zum Einsatz. Im Januar 1966 reisen Walter und Bauchspieß erneut mit der DDR-Nationalmannschaft zu einem internationalen Turnier nach Übersee, diesmal nach Mexico.
In der DDR-Meisterschaft 1965/66 läuft es dagegen leider nicht mehr so gut. Chemie fällt ins Mittelfeld zurück, wird nur Achter. Dafür sucht Chemie nun seine Chance im Pokal. Das wohl wichtigste Spiel auf dem Weg ins Finale findet im Viertelfinale in Aue statt. Ausgerechnet bei der heimstarken Wismut-Elf dreht Chemie das Spiel nach einem 0:2-Rückstand durch einen Bauchspieß-Hattrick noch zu einem 3:2-Sieg. Im Halbfinale lässt Chemie zu Hause gegen Motor Zwickau (2:0) nichts mehr anbrennen und erreicht zum dritten Mal (zweimal als SC Lok) das Finale. Zum Finale begleiten wieder zigtausende Chemie-Fans ihre Mannschaft nach Bautzen. Dort gewinnt Chemie durch ein Matoul-Tor mit 1:0 gegen Lok Stendal und holt zwei Jahre nach der Meisterschaft den nächsten bedeutenden nationalen Titel. In den nächsten Jahren kann allerdings das sportliche Niveau nicht mehr gehalten werden.
Im folgenden Europapokal der Pokalsieger schaltet Chemie in der ersten Runde Legia Warschau aus. Gegen Standard Lüttich scheitert Chemie dann nur am Torverhältnis. In der Oberliga kann allerdings der Platz in der Spitzengruppe nicht gehalten werden. 1966/67 wird Chemie sogar nur noch 12. mit 25 Punkten. Allerdings ist die Tabelle so kurios, dass der Tabellendritte, Motor Zwickau, mit 27 Punkten nur zwei Punkte mehr als Chemie hat. Dafür holt die Chemie-Reserve-Mannschaft den Meistertitel der DDR-Reserve-Oberliga. In einem Spiel zur Ankunft der Friedensfahrt im Leipziger Zentralstadion trennt sich Chemie Leipzig von Derby County 1:2.
1967/68 gerät Chemie dann erstmals ernsthaft in Abstiegsgefahr. Vor allem in Leutzsch ist Chemie keine Macht mehr. Die Konstellation am letzten Spieltag ist so, dass Lok Stendal nur noch theoretische Chancen auf den Klassenerhalt hat. Der zweite Absteiger muss zwischen Chemie und Dynamo Dresden ermittelt werden. Und ausgerechnet diese beiden Mannschaften treffen in Dresden aufeinander. Dynamo muss gewinnen, Chemie reicht ein Unentschieden. Auch jetzt reisen wieder tausende Leutzscher mit ihrer Mannschaft mit oder fiebern zu Hause vor den schwarz-weiß-Fernsehern, denn das DDR-Fernsehen überträgt dieses Spiel live. Richter bringt Chemie in der ersten Halbzeit in Führung, Gumz kann nur noch ausgleichen. Chemie ist noch einmal davongekommen.
Gut läuft es dagegen für Manfred Walter in der Nationalmannschaft. 1968 reist er mit der DDR-Auswahl zu einem internationalen Turnier nach Chile.
1968/69 geht es in Leutzsch sportlich wieder bergauf. Der torgefährliche Skrowny kehrt aus Gera nach Leutzsch zurück, Dobermann etabliert sich, wird sogar Nationalspieler, talentierte Spieler aus der eigenen Jugend drängen in die erste Mannschaft. 1968/69 hat Chemie nichts mehr mit dem Abstieg zu tun, wird 6., mit nur 4 Punkten hinter dem Dritten, dem 1.FC Magdeburg. Dafür steigt Ortsrivale 1.FC Lok Leipzig als Tabellenletzter in die DDR-Liga ab. In der Saison 1969/70 gelingt Chemie sogar ein sensationeller 4. Platz. Chemie hat wieder eine zukunftsfähige Mannschaft, die das Zeug hat, um den Titel mitzuspielen. Allerdings werden im Hintergrund von den Verbandsfunktionären erneut die Fäden gezogen. Die DDR hat sich mal wieder nicht für eine WM-Endrunde qualifiziert. Nun glauben die Fußball-Funktionäre, mit einer noch stärkeren Konzentration auf die Fußballklubs zum Nachteil der BSGen, ihre internationalen Ziele erreichen zu können. Weitsichtige Chemie-Funktionäre kämpfen darum, doch noch nachträglich, wie bei Dynamo Dresden, den Klubstatus zu bekommen, wollen mit der Unterstützung finanzstarker Industriebetriebe wie der VVB Gummi und Asbest z.B. als FC Pneumant Leipzig spielen. Diese Anstrengungen sind vergebens. Durch die Neustrukturierung im DDR-Fußball müssen auch Pläne eines neuen Stadions für 60.000 Zuschauer in Leutzsch aufgegeben werden. Die für den Georg-Schwarz-Sportpark vorgesehene Flutlichtanlage wird in Jena gebaut.