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DIE BSG CHEMIE LEIPZIG VON 1970 BIS 1980

Anfang 1970 fasst der Deutsche Turn- und Sportbund, unterstützt vom Deutschen Fußball-Verband der DDR und vom Zentralkomitee der SED einen für die Betriebssportgemeinschaften, also auch für die BSG Chemie Leipzig, folgenschweren Beschluss, den 3. Fußballbeschluss. Darin wird u.a. die allseitige Konzentration auf die Fußballklubs beschlossen. Für die Betriebssportgemeinschaften bedeutet das: Senkung des Gehaltsniveaus der Spieler, Bezahlung nach beruflicher Qualifikation und Verbot zusätzlicher finanzieller Anreize, zunächst die Delegierung der besten Nachwuchsspieler in die Clubs. So werden finanzstarken BSGen die Möglichkeit genommen, gute Spieler in ihre Oberliga-Mannschaften zu holen bzw. Talente für die eigene Mannschaft auszubilden. Es bedeutet auch, dass alle Auswahlspieler in Fußballklubs zu spielen haben und dass Nicht-Auswahlspieler zur Armee eingezogen werden können. Dieser Beschluss, der ab 1970 schrittweise umgesetzt wird, traf Chemie Leipzig mit voller Wucht. In Leipzig sind damit die Weichen zu Gunsten des Leistungszentrums 1.FC Lokomotive Leipzig gestellt. Er fällt ausgerechnet in eine Zeit, in der Chemie Leipzig zu den Spitzenvereinen der DDR-Oberliga gehört und der 1.FC Lokomotive Leipzig in der DDR-Liga spielt. Chemie Leipzig, 1969/70 Oberliga-Vierter, ist auf dem besten Weg, eine Mannschaft aufzubauen, die wieder um die Meisterschaft spielen kann. Doch mit dem DTSB-Fußballbeschluss wird der Verein ins Mark getroffen.

Im Mai 1970 werden die talentierten Nachwuchsspieler Andreßen und Flor zur Armee eingezogen und fallen natürlich für die Saison 1970/71 aus. In Leutzsch weiß jeder, dass die Saison 1970/71 sehr schwer werden würde. Bernd Dobermann, der als Nationalspieler beim neuen Nationaltrainer G. Buschner keine Berücksichtigung mehr findet, und Otto Skrowny, in der Vorsaison noch Oberliga-Torschützenkönig, werden Anfang November zur Armee eingezogen. Ende März 1971 wird Andreßen zum 1.FC Lok delegiert und im Mai wird Gosch zur Armee geholt. Diesen Aderlass kann Chemie nicht verkraften. Trotz aufopferungsvollen Kampfes der verbliebenen Spieler steigt Chemie 1971 erstmals in die Liga ab. Nach dem letzten Spiel jedoch schwören sich die Spieler, alles zu unternehmen, um sofort wieder aufzusteigen.

Und es gelingt. In der inzwischen fünfgleisigen DDR-Liga setzt sich Chemie zunächst in der Staffel C durch. Kein leichtes Unterfangen, gibt es doch mit Vorwärts Leipzig und Lok Stendal harte Rivalen. Die Zuschauer strömen wie zu besten Oberliga-Zeiten zu ihrer Chemie nach Leutzsch. Zum Rückspiel gegen Vorwärts Leipzig kommen 14.000 Zuschauer ins Stadion des Friedens, gegen Lok Stendal gar 19.000 nach Leutzsch. Ein Novum gibt es in der Aufstiegsrunde. Das Spiel gegen FC Rot-Weiß Erfurt wird vormittags 10.00 Uhr angepfiffen, vor 22.000 Fans. Am Nachmittag spielt der 1.FC Lok in der Oberliga, vor 8.000 Zuschauern. Mit einem Remis in Wismar gelingt Chemie der sofortige Wiederaufstieg. Leistungsträger sind Dr.Bauchspieß als Libero und Torhüter Ralf Heine.

In der Oberliga kann sich Chemie zwei Spieljahre lang halten. Höhepunkt ist der 2:0-Sieg im ersten Derby gegen Lok nach dem Wiederaufstieg vor 40.000 Zuschauern. Im Sommer 1973 beendet Dr.Bauchspieß seine Laufbahn. R.Heine wird für die DDR-Oberliga gesperrt. Seine Schwester ist über die Ostsee in den Westen geflüchtet. Diesen Aderlass kann Chemie nicht kompensieren. 1974 kommt es zum 2. Abstieg. Aber auch diesmal kehrt Chemie nach nur einer Saison sofort wieder zurück. Die Substanz ist jedoch aufgebraucht. Die im Nachwuchsbereich verblieben Spieler haben nur noch selten die nötige Qualität und finanziell kann man mit BSGen wie Wismut Aue, Sachsenring Zwickau oder Stahl Riesa mit ihren Trägerbetrieben nicht mehr mithalten. In der Oberliga-Saison 1975/76 steht schon frühzeitig der Abstieg fest. 1976/77 wird zwar wieder souverän der Staffelsieg in der Liga-Staffel C geholt. Aber erstmalig scheitert Chemie in der Aufstiegsrunde an Gera und dem neuen Bezirksrivalen, der BSG Chemie Böhlen. Chemie Böhlen hat still und leise eine Mannschaft aus ehemaligen Lok-Spielern und früheren Leutzschern zusammengestellt. Mit dem Kombinat Otto Grotewohl im Rücken können die Böhlener inzwischen Chemie auch finanziell übertrumpfen. Auch 1977/78 scheitert Chemie wieder in der Aufstiegsrunde. Diesmal muss Chemie Hansa Rostock und Stahl Riesa den Vortritt lassen. Allerdings werden die Liga-Jahre genutzt, eine neue Mannschaft aufzubauen. 1979 gelingt dann endlich wieder die Oberliga-Rückkehr. Doch erneut reicht es nur zu einer Oberliga-Saison. Dabei hat Chemie nach der Herbstserie bereits 12 Punkte auf dem Konto. Sensationellen Siegen zu Hause gegen Carl Zeiss Jena und auswärts in Zwickau (drei Tore in sechs Minuten) stehen am Ende Niederlagen in den Spielen gegen die Mitkonkurrenz gegenüber. In den 70er Jahren wird aus der Chemie-Mannschaft eine Fahrstuhlelf.

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