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Handspiel erlaubt – denn Chemie kann nicht nur Fußball!

By 5. Juni 2025No Comments

Fotos: Franz Engler

von Stefan Schilde

Laute Kommandos über das Feld. Zwei, drei Pässe, dann zieht der Chemie-Angreifer im Rückraum wuchtig ab, der Ball zappelt im Tornetz, Jubel! Die BSG lässt heute nichts anbrennen, kontrolliert das Spiel, leistet sich weniger Ballverluste als ihr Gegner, verteidigt konzentrierter und robust, passt und zielt genauer. Der Treffer markiert den 29:19-Endstand.

29:19 – stimmt was nicht mit der Anzeigetafel?

Keineswegs, denn obwohl die Chemiker gerade ein Heimspiel haben, fliegt der Ball nicht durch den Alfred-Kunze-Sportpark in Leipzig-Leutzsch, sondern in Zentrum Südost, in der Sporthalle des Reclam-Gymnasiums. Denn hier tragen die Handballer der BSG Chemie Leipzig ihre Heimspiele aus. Diesmal gegen den Tabellenletzten der Regionsklasse Leipzig, den SV Regis-Breitingen, der heute (der Artikel entstand ursprünglich bereits im Januar, Anm. d. Red.) chancenlos ist.

Chemie steigt auf!

Die Geschichte der Handballabteilung reicht weit zurück. „Die Handballabteilung besteht schon seit 1950, also genauso lange wie die Fußballabteilung“, erklärt Alexander Weber. Er gehört zu den langjährigen Begleitern der Chemie-Handballer, für die er selbst fast 20 Jahre spielte. Doch nach zahlreichen Verletzungen („Knie, Knöchel, Arm, kannste du dir aussuchen“) war Schluss für ihn. Seit fünf Jahren ist er stellvertretender Abteilungsleiter Organisators, unterstützt dabei Abteilungsleiter Heiko Drieseberg.

Zwar steht für die Chemie-Handballer der Spaß am Sport und an der Gemeinschaft im Vordergrund. Andererseits: „Wenn man auf dem Feld steht, will man auch gewinnen, ganz klar“, sagt Paul Brömme, Teamverantwortlicher und Co-Trainer. Und gewonnen hat man oft in dieser Saison, in der Rückrunde gleich sechs von acht Partien, darunter das Big Point-Spiel gegen den VfL Waldheim II. Der Aufstieg in die Regionsliga Leipzig lag in Reichweite. Doch weil die BSG der Zweiten von MoGoNo am vorletzten Spieltag unterlag, waren die Waldheimer wieder in der Pole Position.

Wenig sprach noch für Chemie. Überraschend musste sich Waldheim jedoch mit 27:28 Außenseiter Roland Belgern geschlagen geben. Plötzlich waren die Chemiker wieder am Zug – und ließen sich die Chance nicht mehr nehmen. Der 30:24-Sieg am letzten Spieltag gegen die Belgerner bedeutete Platz 1 und damit den umjubelten Aufstieg.

„Man hat schon beim Warmmachen gemerkt, wie groß die Anspannung war, alle waren ernster, in sich gekehrter. Auch den Anweisungen des Trainers“, sagt Alexander Weber lachend, „haben die Jungs diesmal genauer zugehört.“ Nach Schlusspfiff war die Freude natürlich riesig. Bei der Saisonabschlussfahrt nach Ilfeld bei Nordhausen soll der Erfolg noch mal mächtig gefeiert werden.

Die Chemiker nach dem Sieg zum Aufstieg über Roland Belgern.

Fußball zum Aufwärmen

Der Aufstieg in die Regionsliga Leipzig beschert der Mannschaft fortan mehr Spiele im Leipziger Stadtgebiet. Partien mit Derbycharakter gibt es aber in allen Ligen genug – auch ohne blau-gelben Probstheidaer Rivalen, der über keine Handballmannschaft verfügt. „Wenn wir auswärts spielen, gerade außerhalb Leipzigs, merkt man schon, dass wir von einigen Heimzuschauern einfach als Chemiker angesehen werden. Da wird nicht immer zwischen Fußball und Handball getrennt und es wird auch mal laut in der Halle.“ Bei allen Emotionen bleibt es aber in der Regel friedlich.

Der Zusammenhalt wird groß geschrieben bei den grün-weißen Handballern, und das über die Jahrzehnte hinaus. „Zum Weihnachts-Frühschoppen, neben unserer Weihnachtsfeier im Naumanns Tanzlokal eines der festen Termine im Kalender, kommen Generationen von Chemie-Handballern zusammen. Der Älteste war neulich schon 95 Jahre alt“, erzählt Alex. Die Begeisterung für den Handballsport werde auch in der Familie weitergetragen.

Natürlich gibt es auch Identifikation mit den grün-weißen Fußballern. „Drei bis vier von uns gehen regelmäßig zum Fußball nach Leutzsch“, erzählt Paul, der früher Fußball beim FC Sachsen spielte. „Handballer mögen in der Regel auch Fußball, beim Training spielen wir häufig Fußball zum Aufwärmen.“

Fußball und Handball in den unteren Klassen ähneln einander. Der Schlusspfiff des Schiedsrichters ist noch nicht allzu lange verhallt, da wird für gewöhnlich der Bierkasten herausgeholt. Und auch auf dem Platz sind die Veränderungen überschaubar. „Früher gab es mehr Harz, für den Grip, damit der Ball in der Hand bleibt.  Das ist jetzt nicht mehr erlaubt, damit die Hallenböden nicht mehr so verschmutzt werden.“ Ein bisschen Bedauern liegt in seiner Stimme, aber auch Verständnis.

Nostalgie überfällt beide, wenn sie über ihre frühere Heimstätte sprechen, die alte Turnhalle in der Nähe der Pferderennbahn. „Du kamst rein, es hat gemuchtet, das Parkett knarrte – herrlich!“ Doch ein bisschen freuen sie sich auch über den neuen Spielort in der Tarostraße, denn hier in der modernen Halle ist alles heller und geräumiger.

Mal im Leipziger Westen spielen, mal wieder vor vollen Rängen

Einen großen Traum haben sie, die Jungs in Grün-Weiß mit den breiten Schultern: Eines Tages mal in Leipzig-Leutzsch Handball trainieren und spielen. Oder zumindest im Leipziger Westen. „Dort haben viele von uns ihre Wurzeln, dort fühlen wir uns zu Hause“, sagt …

Und „Ich weiß es noch ganz genau. Es war das Spiel um den Aufstieg in die Kreisliga, in Markkleeberg. Wir haben uns gerade eingeworfen, da kamen plötzlich die Chemie-Fans in die Halle, 50, 60, 70, 80 … Es hat gar kein Ende mehr genommen. Das war ein Wahnsinnserlebnis, unvergesslich.“ Vielleicht besteht ja bald wieder Gelegenheit für eine große Kulisse, wenn Ende August die neue Saison beginnt. „Das wäre jedenfalls ein Träumchen.“

Dieser Beitrag ist Teil des Mitglieder-Newsletters im Monat Mai 2025, der für Mitglieder bereits am 14.05.2025 erschien.

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