
Im Vorfeld unseres Heimspiels gegen Energie Cottbus kam es zu einem Polizeieinsatz gegen Fans der BSG Chemie Leipzig. Wir kritisieren die polizeiliche Vorgehensweise vor Ort ebenso wie das Wirken des Leipziger Oberstaatsanwalts Ricardo Schulz, die das Spieltagserlebnis aller Zuschauer deutlich getrübt haben. Dazu möchten wir uns nun ausführlich äußern.
Das Spiel wurde mit zwei Sicherheitskonferenzen unter Beteiligung aller relevanten Akteure, auch der Polizei, akribisch und professionell vorbereitet. Auch eine großangelegte Choreografie der Chemie-Fans zum Einlauf der Mannschaften unter dem Motto „Königreich Leutzsch“ war Gegenstand der Beratungen.
Am Spieltag beschlagnahmte die Polizei vor Spielbeginn eine großflächige Fahne („Blockfahne“). Die rund 30 jungen Fans, die die Blockfahne ins Stadion trugen, sollten von der Polizei einer Identitätsfeststellung unterzogen werden. Diese Maßnahme war juristisch offensichtlich nicht haltbar und fand auf Intervention der anwesenden Fananwälte nicht statt.
Vor Anpfiff begründete die Polizei die Beschlagnahmung der Blockfahne mit „wild geklebten Plakaten“ im Leipziger Stadtbild, die dem dargestellten Motiv der Blockfahne ähneln würden, sowie dem Abbrennen einzelner Rauchtöpfe und Werfen von Konfetti auf dem Weg zum Stadion.
Während des laufenden Spiels erklärte die Polizei auf Nachfrage des MDR, die Blockfahne sei „nicht beantragt“ und „im Vorfeld kein Thema“ gewesen. Einer solchen Fahne müsse die Polizei erst eine „Sondergenehmigung“ erteilen. Wir stellen hierzu fest: Dies trifft nicht zu. Eine Blockfahne gehört zu den von den Verbänden (DFB, NOFV usw.) erlaubten Elementen der Fanunterstützung. Die Genehmigung obliegt allenfalls dem gastgebenden Verein, der das Hausrecht ausübt. Beschlagnahmt, so behauptet die Polizei weiter, habe sie die Blockfahne aus angeblichen „gefahrenabwehrrechtlichen Gründen“. Gegenüber „Bild“ führte sie „unter anderem den Brandschutz“ als zusätzliche Begründung ins Feld. Dabei wurde die für diese Beurteilung kompetente, vor Ort anwesende Feuerwehr (Brandschutzdirektion Leipzig) gar nicht hingezogen.
Die zu verschiedenen Zeitpunkten immer wieder „aktualisierte“ Argumentationslinie von den „wilden Plakaten“ hin zur Fan-Choreografie entbehrt für uns jeglicher Grundlage und ist aus unserer Sicht konstruiert.
Die beschlagnahmte Blockfahne zeigte ein Wappen mit einem Lindenbaum und zwei Rosen. Es ist offenbar von dem Wappen des alten Adelsgeschlechts „Leutsch“ inspiriert, nach dem der heutige Stadtteil Leutzsch, Heimat unseres Vereins, benannt ist. In der Fan-Choreografie sollte Leutzsch sinnbildlich zum „Königreich“ erhoben werden. Niemand wäre durch diese Blockfahne diskriminiert oder herabgewürdigt worden. Im Gegenteil, stellte diese Fan-Choreografie ein mustergültiges Beispiel dafür dar, wie Leipziger Stadt(-teil)-Geschichte durch das ehrenamtliche Engagement junger Menschen erlebbar gemacht und lebendig gehalten wird.
Während die Polizei große Anstrengungen unternahm, das Zeigen dieser Fan-Choreografie zu verhindern, vernachlässigte sie augenscheinlich ihre eigentliche Aufgabe: die Gewährleistung der Sicherheit aller Zuschauer im Stadionumfeld, auch durch Fantrennung. Entgegen der gängigen, bewährten und im Vorfeld abgestimmten Praxis führte sie ankommende Gästefans nicht auf dem üblichen Weg (von der Straße Am Ritterschlößchen aus) zum Gästeblock, sondern über den Zugang Gustav-Esche-Straße. So wurde eine größere Gruppe Cottbuser Anhänger unmittelbar durch den Heimbereich neben dem Norddamm zum Gästeblock geleitet. Unterwegs provozierten diese die in der Nähe befindlichen Heimfans verbal. Eine derart misslungene Fantrennung hat es seit Jahren nicht gegeben.
Der gesamte Polizeieinsatz an diesem Spieltag stellt für uns eine neue Dimension fragwürdigen polizeilichen Handelns in Zusammenhang mit unseren Heimspielen dar. Als Veranstalter und Inhaber des Hausrechts sind wir nicht länger geneigt, den Status quo – die allgemeine Behandlung unserer Fans wie Schwerverbrecher, unter anderem auch mit über dem Stadion kreisenden Spezialdrohnen – weiter so hinzunehmen. Die an der Einsatzleitung beteiligten Behörden, neben der Polizei auch die Leipziger Staatsanwaltschaft, fordern wir auf, ihre aus unserer Sicht nicht zur Deeskalation geeignete Einsatzstrategie kritisch zu hinterfragen.
Wir sind dankbar für unsere Fans, die dem Spiel mit ihrer Choreografie einen würdigen Rahmen verleihen wollten und dafür viele Stunden und beträchtliche finanzielle Mittel aufgewandt haben – und trotz des konfrontativen Vorgehens der Polizei friedlich und besonnen blieben. Häufig liest und hört man, junge Menschen würden sich nicht mehr ehrenamtlich engagieren. Dass dem nicht so ist, zeigen junge Fußballfans Wochenende für Wochenende.
Auch sind wir stolz auf unsere Mannschaft, die ein gutes Gespür für die Situation gezeigt hat. Spieler, Trainer und das gesamte Stadion haben sich in den Minuten vor dem Anpfiff als wahre Einheit präsentiert. Dieser Zusammenhalt der Chemie-Familie macht uns stark!