
Foto: Christian Donner
Nach der Rückkehr in die Regionalliga hat die BSG Chemie Leipzig am letzten Wochenende das erste Achtungszeichen gesetzt. Nicht viele trauten der Mannschaft im Vorfeld zu, beim Staffelfavoriten FSV Wacker Nordhausen etwas Zählbares mitnehmen zu können. Doch nach einer klasse Vorstellung holten die Kicker von Trainer Miroslav Jagatic beim torlosen 0:0-Unentschieden im Südharz einen Punkt und sorgten damit erst einmal für einen ordentlichen Paukenschlag.
Insgesamt verdienten sich die Leutzscher diesen Zähler durchaus, weil man sich über die gesamten 90 Minuten als hartnäckiger Kontrahent erwies und sich vor allem defensiv Bestnoten verdiente. Perfekt vom Trainerteam eingestellt wurde den favorisierten Nordhäusern durch ein lauffreudiges Spiel und resolutes Zweikampfverhalten jegliche Lust am Fußballspielen genommen, die Gastgeber fanden gegen die kompakten Chemiker so gut wie keine Mittel. Es war ein leistungsgerechtes 0:0, sodass die Leutzscher sehr gut in die neue Spielklasse gestartet sind. So schön die Momentaufnahme in Nordhausen erst einmal war, die Fünfeckträger tun trotzdem gut daran, sich nun auf die kommenden Aufgaben zu fokussieren. Und da wartet auf die Grün-Weißen eine Englische Woche, in welcher man ebenfalls mit solch einem Engagement in der Liga für Furore sorgen möchte. Die Konzentration gilt daher ab sofort der Begegnung gegen den FC Viktoria 1889 Berlin, welcher am Mittwoch um 18:00 Uhr im Alfred-Kunze-Sportpark gastiert.
Seit der Saison 2013/14 in der Regionalliga beheimatet gelang es den Berlinern am vergangenen Wochenende den Start in die neue Spielserie positiv zu gestalten. Im heimischen Stadion Lichterfelde wurde der FC Rot-Weiß Erfurt mit 2:0 (0:0) bezwungen, sodass die Mannschaft von Trainer Benedetto Muzzicato durchaus mit Selbstvertrauen nach Leipzig fährt. Für den neuen Coach des FC Viktoria ist es die erste Begegnung mit der traditionsreichen Leutzscher Spielstätte. Nach seinen Engagements beim FC Oberneuland und im Nachwuchsbereich des SV Werder Bremen war er bis zum Ende der vergangenen Saison für den niedersächsischen Regionalligisten BSV Schwarz-Weiß Rehden verantwortlich. Seine neue Mannschaft hat hingegen ihre Visitenkarte im chemischen Hexenkessel bereits abgegeben, Mitte Oktober 2017 unterlagen die Berliner bei der BSG Chemie mit 0:1.
Allerdings war lange Zeit gar nicht sicher, ob der FC Viktoria auch in der Saison 2019/20 im Regionalliga-Geschäft mitmischen darf. Mitte Dezember des vergangenen Jahres stellte der zweimalige Deutsche Fußballmeister (1908, 1911) beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg einen Insolvenzantrag – der Verein war nicht mehr in der Lage die laufenden Kosten zu decken. Gut ein halbes Jahr vorher wollte ein chinesischer Milliardär in den Klub investieren, doch dieses Vorhaben erwies sich letztlich nur als heiße Luft. Der FC Viktoria, der sich auf den Einstieg des Investors verlassen hatte, musste den Preis dafür bezahlen. Um den Schaden aus diesem gescheiterten Abenteuer so gering zu wie möglich zu halten, blieb dem Verein nichts anderes übrig als einen Insolvenzantrag zu stellen. Nur durch große Anstrengungen wurde dank eines Sponsors daraufhin der Spielbetrieb für die Rückrunde gesichert, doch der Insolvenzantrag hatte für den Verein Folgen. Das Sportgericht des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) zog den Berlinern daraufhin neun Punkte ab, was in der Tabelle letztlich allerdings keine gravierenden Auswirkungen hatte. Mit der Meisterschaft hatte der FC Viktoria genauso wenig zu tun, wie im Kampf um den Klassenerhalt. Schlussendlich schlossen die Himmelblau-Weißen die Serie auf Rang elf ab – mit den neun abgezogenen Zählern wäre man auf Tabellenposition sechs eingekommen. Nichtsdestotrotz endete das abgelaufene Spieljahr für die Berliner sportlich doch noch erfolgreich – durch einen 1:0-Erfolg über Tennis Borussia gewann man den Berliner Vereinscup und hat sich dadurch für die diesjährige 1. Hauptrunde des DFB-Pokal qualifiziert. Dort trifft die Mannschaft am 10. August im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark auf den Zweitligisten Arminia Bielefeld.
Trotz der angespannten finanziellen Situation gelang es dem FC Viktoria sich in der Sommerpause qualitativ zu verstärken. Tino Schmidt, welcher Drittliga-Erfahrung beim FC Carl Zeiss Jena und bei den Sportfreunden Lotte vorzuweisen hat, wurde ebenso verpflichtet wie Christoph Menz (Eintracht Braunschweig), der bei Union Berlin und Dynamo Dresden sogar schon Zweitliga-Luft schnupperte. Menz spielte in der vergangenen Hinrunde schon einmal für den FC Viktoria, doch aufgrund der Insolvenz verließ er den Verein in Richtung Braunschweig. Mit Yannis Becker brachte Trainer Muzzicato aus Rehden einen Akteur mit nach Berlin, welcher eine sehr gute Nachwuchsausbildung bei Werder Bremen genoss. Ansonsten wurden fast ausschließlich junge Kicker aus der eigenen Jugend hochgezogen, welche sich nun in der Regionalliga ihre Sporen verdienen sollen.
Insgesamt ist man beim FC Viktoria guten Mutes eine schlagkräftige Mannschaft zusammengestellt zu haben. Zwar verließen mit Aykut Soyak (1. FC Lokomotive Leipzig), Timur Gayret (Hertha BSC II), Okan Aydin (Austria Klagenfurt) oder dem allseits bekannten Timo Gebhart (TSV 1860 München) einige Leistungsträger den Verein – nichtsdestotrotz hat sich der Klub mit dem aktuell zur Verfügung stehenden Personal hohe Ziele gesetzt. Der Saisonauftakt gegen Erfurt war mit dem 2:0-Sieg jedenfalls gelungen. Daher darf man gespannt sein, welche Rolle die Berliner in dieser Serie einnehmen werden.
Die Leutzscher sind sich ihrerseits natürlich über die Schwere der Aufgabe bewusst, doch die Jagatic-Elf geht dieses Heimspiel durchaus selbstbewusst an. Die Auftakt-Begegnung in Nordhausen hat gezeigt, dass die Mannschaft Potenzial besitzt, sodass man mit Sicherheit auch gegen Viktoria Berlin seine Möglichkeiten suchen wird. Wenn man zusätzlich bedenkt, dass Andy Wendschuch, Marc Böttger, Daniel Heinze, Sebastian Berg und Florian Kirstein weiterhin verletzungsbedingt ausfallen, ist die Vorstellung der BSG in Nordhausen noch weitaus höher einzuordnen. Doch wenn die Chemiker gegen die Hauptstädter wiederum auf dem Punktekonto anschreiben wollen, ist eine ähnliche Leistung wie am vergangenen Samstag absolut von Nöten. Man ist sich im Klaren darüber, dass man nur über das Kollektiv kommen kann, in welches jeder einzelne Akteur seine individuellen Fähigkeiten einbringen soll. Ähnlich wie in Nordhausen ist eine stabile Defensive als Basis anzusehen, allerdings ist es unbedingt erforderlich auch im Spiel nach vorn Akzente zu setzen. Dies gelang am vergangenen Wochenende schon ganz gut, nur dass man leider die sich bietenden Kontermöglichkeiten nicht zwingend und konzentriert genug ausspielte. Mit der Unterstützung des frenetischen Leutzscher Publikums hat die Truppe weiterhin ein sehr großes Faustpfand im Rücken – auch in schwierigen Situationen stehen die Fans wie ein zwölfter Mann hinter ihrem Team. Dies wird auch am Mittwoch wieder so sein, so dass die Mannschaft alles in die Waagschale werfen wird, um auch gegen diesen starken Gegner wieder ein positives Resultat zu erzielen. In Sachen Lazarett gibt es weiterhin keine neuen Wasserstandsmeldungen, auch wenn bei Daniel Heinze und Andy Wendschuch langsam Licht am Ende des Tunnels zu erkennen ist. Positiv zu vermelden ist, dass die angeschlagenen Kai Druschky und Max Keßler am letzten Samstag bereits Kurzeinsätze zu verzeichnen hatten – auch gegen Viktoria Berlin werden beide Spieler wieder zum Kader dazugehören. Ansonsten ist man gut auf den Gegner vorbereitet, ebenso sind die Trainingseindrücke durchaus verheißungsvoll. Nun gilt es diese positiven Dinge auch im Wettkampf einfließen zu lassen, um dem favorisierten Gegner einen offenen Kampf zu liefern. Sollte dies gelingen, ist bestimmt wieder eine Überraschung wie in Nordhausen möglich. Zu wünschen wäre es der Truppe allemal…
Ebenfalls möchten wir im Vorfeld nicht versäumen, das Schiedsrichter-Kollektiv dieser Begegnung vorzustellen. Geleitet wird das erste Leutzscher Regionalliga-Heimspiel in dieser Saison von Patrick Kluge aus Zeitz. Der 35-Jährige ist seit der Saison 2012/13 in der vierthöchsten deutschen Spielklasse eingestuft und pfiff am vergangenen Wochenende die Begegnung zwischen dem Berliner AK und dem Bischofswerdaer FV (4:2). An den Linien wird Kluge unterstützt von Johannes Schipke (Halle) und Michael Wilske (Bretleben). Wir wünschen dem Unparteiischen-Gespann ein glückliches Händchen und ebenfalls ein gutes Spiel!