Der Besuch im AKS hat Steven Hancock, auf dem Bild vorn rechts, nicht mehr losgelassen. (Foto: privat)
von Nils Koch
Chemie wächst immer weiter: Jahr für Jahr wird ein neuer Rekord-Zuschauerschnitt vermeldet, die Dauerkarten-Rekorde nehmen ebenfalls jährlich Höchstmaße an und auch die Mitgliederzahlen steigen. Wir haben uns gefragt: Woher kommt eigentlich das am weitesten weg wohnende Chemie-Mitglied?
Wie so oft im Chemie-Kosmos ist diese Frage gar nicht so einfach zu beantworten. Geht es um den weitesten Postweg, den ein Mitgliedantrag nach Leipzig-Leutzsch zurücklegen musste, müssen wir auf jeden Fall über Stephen Hancock reden.
Bei Junggesellenabschiedsreise das Herz an Chemie verloren
Stephen Hancock ist eigentlich Fan des englischen Drittligisten Huddersfield Town. Der Facharzt für Pädiatrie wohnt und lebt in Sheffield, der Arbeiterstadt, aus dem mit Sheffield FC (gegründet 1857) und Hallam FC (1860) die beiden ältesten reinen Fußballklubs stammen. Kein Wunder, dass der 56-Jährige ein großer Freund von Traditionsvereinen ist. Nicht selbstverständlich war, dass Stephen bei Chemie landete. Oder etwa doch?
Im April 2022 feierte sein Sohn Tom seinen Junggesellenabschied in Berlin. Die Aufgabe, die er seinem Vater übertrug: Ein Fußballspiel in der Nähe finden, dazu Anreise und Tickets organisieren. Da er in Berlin nichts Geeignetes fand, entdeckte Stephen den Alfred-Kunze-Sportpark. Mit einer 20-köpfigen Reisegruppe fuhren sie zum Spiel unserer BSG gegen den FC Carl-Zeiss Jena. Ein Spiel, woran auch jeder Chemiker und jede Chemikerin gerne zurückdenkt. Und spätestens, als Denis Jäpel per Elfmeter Chemie mit der letzten Aktion des Spiels zum 3:2-Heimsieg schoss, war Stephen hin und weg.
Zurück in der englischen Heimat, begann er wöchentlich die Ergebnisse der BSG zu checken, später schaute er Livestreams und Highlights auf YouTube oder verfolgte die sozialen Kanäle des Vereins. Im Frühjahr 2023 wurde er dann sogar Mitglied. Über die grün-weiße Fernbeziehung sagt er selbst: „Ich liebe es, mit solch einem fantastischen Verein verbunden zu sein. Mir gefällt die Fankultur, die Fangesänge, die Pyros. Und der Zusammenhalt ist einzigartig.”
Deshalb hat sich Stephen Hancock zum Ziel gesetzt, jede Saison mindestens ein Chemie-Spiel zu sehen. Von Sheffield sind es fast 1000 Kilometer Luftlinie bis Leutzsch. Bisher hat er vier Spiele im AKS gesehen. Sogar seine Frau Sally hat er in den grün-weißen Bann gezogen. Seit zwei Jahren begleitet sie Stephen auf seinen Reisen zu seinem internationalen Herzensverein. In dieser Saison soll es das Heimspiel gegen den Halleschen FC werden. Auch ein Auswärtsspiel würde er gerne mal erleben, sagt er. Ein Ziel für die nächste Saison!
Yuval Rubovitch: aus Israel gekommen, das Herz an Chemie verloren
Ist der Wohnort des Mitglieds das entscheidende Kriterium, gibt es einen klaren Punktsieger: Yuval Rubovitch aus Ra’anana, Israel.
Der 40-Jährige war Ende 2012 aus beruflichen Gründen aus Israel nach Leipzig gezogen. Eigentlich wollte Yuval nur gemütlich Fußball in der Nähe seiner Wohnung schauen und sah sich mehrere Vereine an. Wirklich heimisch gefühlt hatte er sich dort zunächst nicht. Bis zum November 2013. Von Freunden mitgenommen, zog es den Israeli zum ersten Mal in den Alfred-Kunze-Sportpark. „Liebe auf den ersten Blick“, wie Yuval selbst sagt. Damals war der Chemnitzer FC im Landespokal zu Gast. Vor zwölf Jahren trennten die beiden Teams noch vier Ligen. Mit ebenso vielen Gegentoren und ohne eigenen Treffer mussten sich die Chemiker geschlagen geben. Doch das machte Yuval nichts.
Yuval Rubovitch, der aus Jerusalem stammt, fing schnell an, sich in und um die BSG zu engagieren. Bei Tüpfelhausen war er zusammen mit dem viel zu früh verstorbenen Christoph David Schumacher maßgeblich an der Organisation des Internationalen Fußballbegegnungsfestes beteiligt. Auch für das Freundschaftsspiel 2021 gegen den Fanverein Beitar Nordia Jerusalem, den er 2014 aus der Ferne mitgegründet hatte, trug er maßgeblich Verantwortung. In der Kurve war er Teil der Gruppe „Chemie Yid Army“, die sich gezielt gegen Antisemitismus stark macht. Ebenso beteiligte er sich an der Erinnerungsarbeit zum SK Bar Kochba Leipzig und schrieb über ihn sogar ein Buch.
Seit der Saison 2016/17 war Yuval zum ersten Mal mit einer Dauerkarte ausgestattet und begleitete Chemie auch zu einigen Auswärtsspielen. „Der Verein wurde ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich fühlte mich bei Chemie wohl, was in Deutschland aufgrund meiner Herkunft nicht selbstverständlich ist“, sagt er über diese Zeit seines Lebens. Je stärker die Verbindung zwischen ihm und dem Verein wurde, desto klarer wurde ihm: Ich möchte Mitglied werden.
Yuval Rubovitch ist stolzer Chemiker geblieben, auch zurück in Israel. (Foto: privat)
Nach Rückkehr in die Heimat: Sehnsucht nach Leutzsch
Aus familiären Gründen entschied sich Yuval Mitte 2021, mit seiner Familie wieder nach Israel zu ziehen. Nach beinahe zehn Jahren in Leipzig fiel nicht nur der Abschied von Freunden und Stadt schwer. „Ich glaube, der Abschied von Chemie war emotional das Schwierigste daran. Zu wissen, nicht mehr alle zwei Wochen neben guten Freunden im AKS zu stehen, war hart“, sagt er. Noch heute bezeichnet er den Abschied von Chemie als „größtes Opfer“, welches er für die Rückkehr erbringen musste.
Seit dem Umzug hat sich einiges geändert. Die Besuche im Leutzscher Holz sind selten geworden. Die über 2800 Kilometer erschweren doch so einiges. Im Mai 2022 konnte er immerhin live im AKS den Derbysieg bejubeln. „Eines der besten Fußballerlebnisse jemals“, sagt er. Aber auch in Ra’anana, nordöstlich von Tel Aviv, bleibt er der BSG verbunden. Oft trägt er Trikots, und manchmal erkennt jemand sogar das Fünfeck-Wappen der Chemiker.
Im Büro hängen Bilder aus dem AKS, er ist noch mit vielen Weggefährten vernetzt und verfolgt, wenn es die Zeit zulässt, die Spiele live. „Der Traum, wieder in Leipzig zu wohnen und zu Chemie gehen zu können, wird immer bleiben“, sagt er wehmütig.
Aber eins ist für ihn klar: „Auch aus der Ferne werde ich im Herzen immer ein grün-Weißer Leutzscher bleiben.“
Dieser Beitrag ist Teil des Mitglieder-Newsletters im Monat August 2025, der für Mitglieder am 29.08.2025 erschien.
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