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Dem Verein (s)ein Gesicht geben

By 22. Oktober 2025No Comments

Die Chemie-Fotografen Franz Engler (Foto: Julien Krüger) …

… und Christian Donner (Foto: Franz Engler)

von Stefan Schilde und Lea Heilmann

Ein Team ehrenamtlicher Fotografen erhält die Chemie-Spiele und Ereignisse rund um den Verein für die Nachwelt. Zwei von ihnen, Franz Engler und Christian Donner, sprechen über ihre Leidenschaft und darüber, was sie antreibt.

„Was das perfekte Fußballfoto ausmacht?“ Franz Engler muss kurz überlegen. „Emotionen sind der entscheidende Faktor. Du kannst einen Schuss, einen Pass, eine Flanke oder eine Parade handwerklich gut einfangen. Aber wenn die Emotion fehlt, dann ist es nur ein weiteres Foto aus einer Spielsituation.“ Die Emotionen der Spieler einzufangen, ihren Charakter, ihre Anspannung, das Adrenalin, das im Spiel ist – „wenn einem das gelingt“, sagt er, „dann hat man das nahezu perfekte Foto.“

Christian Donner, genau wie Franz Engler fester Bestandteil der Chemie-Fotografen, sieht es ähnlich. „Auch herzhafte Zweikämpfe oder ein Schuss mit voller Kraft können viel hergeben.“ Doch die Emotionen etwa beim Torjubel seien das i-Tüpfelchen. Dass ein solches Foto gelingt, ist für ihn auch Glückssache. „Es hängt sehr davon ab, ob du zufällig gerade richtig stehst“, erklärt er. „Wenn die Spieler nach dem Torjubel sich von dir wegdrehen und du die Gesichter nicht draufhast, dann bekommst du die Emotionen eben auch nicht eingefangen.“

Maschinenbauer und Lokführer – für Chemie mit der Fotokamera unterwegs

Der Ärger über eine vermeintlich falsche Positionierung ist bei Christian Donner im Laufe der Jahre Gelassenheit gewichen. Schon seit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs mit der BSG Chemie Leipzig in der Saison 2008/09 begleitet der 40-Jährige die Chemiker als Fotograf überallhin. Zunächst als Fanfotograf, der anfangs „nur“ Kurvenbilder machte. Mit den Aufstiegen wuchs auch der eigene Anspruch – „an mich selbst und auch meine Technik und die Qualität meiner Bilder“, wie er sagt. Die einfache Digitalkamera musste Platz machen für die hochwertige Spiegelreflexkamera, immer häufiger wagte er sich heran an Fotos vom Spielgeschehen.

Eigentlich verdient er seine Brötchen als Projektingenieur im Maschinenbau. Hin und wieder landet eines seiner Fotos in der Zeitung. „Aber diese Spesen sind nicht der Rede wert, es ist ein liebgewonnenes Hobby“, sagt Christian Donner. Sportfotografie, weiß er, gilt als hartes Geschäft, mit starker Konkurrenz und vielen guten Fotografen, die ebenfalls ständig unterwegs sind.

Franz Engler ist vom Beruf Lokführer, wuchs in einer Eisenbahner-Familie auf. „Schon mein Vater hatte natürlich die obligatorische Eisenbahnplatte, ich dann später auch, ein Modell TT war das“, sagt Franz Engler lachend. Er erinnert sich, wie er anfing, auch die großen Eisenbahnen auf den Schienen zu fotografieren – und wie er Spaß daran hatte. So viel Spaß, dass er nach der Schule sogar eine Ausbildung zum Fotografen begonnen hatte. Doch dann kam Corona – und er ging lieber auf Nummer sicher, wechselte aufs Gleis und machte seine Ausbildung zum Eisenbahner. Seine berufliche Entscheidung bereut der heute 22-Jährige nicht. Und doch sagt er: „Ohne Kamera geht es nicht. Das ist der Ausgleich, den ich einfach brauche.“

3:0-Heimsieg gegen Cottbus: zu viel für die Kamera

Seit der Rückrunde 2023/24 steht Franz Engler mit dem Fotoapparat an der Seitenlinie, sein erstes Spiel war das 1:1-Unentschieden daheim gegen Rot-Weiß Erfurt. Beim furiosen 3:0-Heimsieg gegen Energie Cottbus wenige Wochen später waren nicht nur den Fans auf den Rängen vor Freude völlig aus dem Häuschen. „Meine damalige Kamera hatte schon eine Dreiviertelmillion Auslösungen auf dem Buckel“, sagt er. Als das zehn Minuten vor Schluss nur noch Klackgeräusche abgab, musste er das Objektiv abschrauben. „Ergebnis war, dass mir alle möglichen mechanischen Teile aus dem Gehäuse entgegengeflogen kamen. Das war es damals gewesen für die Kamera.“ Heute kann er drüber lachen. Auch Christian Donner kann ein Lied von so mancher Panne singen. „Ob man die sicher eingesteckt geglaubte Speicherkarte vergessen hat oder einem während des Spiels der Akku flöten geht: alles schon mal vorgekommen.“

Fotografie, erst recht Sportfotografie, die Kunst, selbst dynamischste Spielsituationen abzubilden, erfordert einiges an Raffinesse. „Man kann nicht jedem einfach einen Fotoapparat in die Hand drücken und sagen: mach mal!“, sagt Christian Donner. „Man braucht ein gewisses technisches Verständnis und muss sich intensiv mit der Funktionsweise und den Features der Kamera auseinandersetzen.“ Auch ohne Sportbegeisterung gehe es nicht. „Es ist gut, wenn man das Spiel versteht und lesen kann, um zu erahnen: Was könnte als nächstes auf dem Feld passieren?“ Franz Engler beobachtet beinahe das ganze Spiel durch die Linse. „Ich versuche, immer das Spielgeschehen mit dem Ball im Fokus zu haben, alles andere ringsherum auszublenden, um den Moment nicht zu verpassen.“

Dritte Halbzeit bedeutet stundenlange Nachbereitung

Nach Abpfiff beginnt für die Chemie-Fotografen der eigentliche Aufwand. Jeweils rund 6000 Bilder machen beide pro Spiel. „Bei 40 Bildern, die man innerhalb einer Sekunde schießt, geht das eben ganz schnell“, sagt Christian Donner. Bis am Ende eine finale Auswahl zwischen 50 und 100 Fotos übrigbleibt, vergehen in der Regel bis zu drei Stunden. „Und dann geht es noch an die Nachbearbeitung: Belichtung, Kontraste, Nachschärfen und vieles mehr“, sagt Franz Engler, der bei der Arbeit oft seine Pausenzeiten für die langwierige Aufgabe aufwendet. Die beiden – ebenso wie ihre chemischen Foto-Mitstreiter Moritz Heidenblut, André Loppe, Kevin Colditz und Sebastian Bloch sowie viele andere engagierte Chemiker im Nachwuchsbereich – opfern pro Spiel insgesamt nicht selten einen ganzen Arbeitstag, und das pro bono.

Leidenschaft für die Fotografie an sich reicht da also nicht. Es braucht auch die besondere, die grün-weiße Leidenschaft. Christian Donner hatte das Chemie-Gen von Geburt an drin. „Ich weiß gar nicht mehr wann, aber es muss Ende der 1990er Jahre gewesen sein, mit dem FC Sachsen. An der Hand des Papas in den AKS, eine klassische Fankarriere“, erinnert er sich. Welches Spiel es genau war, allerdings nicht mehr. „Zu lange her, und ich war noch zu jung.“

Franz Englers erstes Chemie-Spiel war die Rückkehr der BSG in den Alfred-Kunze-Sportpark im August 2011, gegen den FC Eilenburg. Dass er irgendwann den Weg ins Leutzscher Holz finden würde, war eine Frage der Zeit. „Mein Bruder Denny ist der Sohn von Jan Meurer, und der bekam von seinem Vater die Chemie-Leidenschaft natürlich vorgelebt. Denny hat mir damals auch gleich direkt das erste Chemie-Trikot gesponsort.“ Und Franz später mit Dennis Mast bekannt gemacht, der ihn wiederum ermunterte, doch auch mal bei Chemie zu fotografieren.

Dem Herzensverein etwas zurückgeben

Auch wenn die beiden im Gespräch wie die herzlichsten und umgänglichsten Menschen auf der Welt erscheinen: Mit Blick auf den fußballerischen Herzensverein scheinen sie zu wenig Kompromissen bereit. „Wenn ein paar Kilometer Luftlinie weiter Bayern München oder Real Madrid zu Gast sind, dann interessiert mich das nicht“, sagt Christian Donner mit reichlich Entschlossenheit in der Stimme. „Wenn man einmal die Liebe zu seinem Verein entdeckt hat, sein Herz an diesen Verein verloren hat, dann ist das unauflöslich. Einmal Grün-Weiß, immer Grün-Weiß – das mag eine Floskel sein, aber das ist einfach so.“

Franz Engler war schon das eine oder andere Mal im ehemaligen Zentralstadion, zum Beispiel, als die Eintracht dort gastierte. Doch das Erlebnis lässt ihn kalt, wie er sagt. „Das ist einfach nicht meine Vorstellung von Fußball, wie ich ihn dort vorgefunden habe.“ An Chemie schätzt er die große Nähe zwischen Verein und Fans, Fans und Mannschaft. „Das gibt es anderswo einfach nicht. Chemie ist in dieser Beziehung ein absolutes Unikat.“

Dementsprechend hängt das Fußballherz der beiden Fotografen auch nur an Chemie. „Als ich zum Fußball gekommen bin, gab es nur Lok und Chemie, und schon durch die Familie ist es eben Chemie geworden“, erzählt Christian Donner. „Und obwohl die BSG seit der Kreisklasse wieder viel größer geworden ist, ist alles sehr familiär geblieben.“ Die Wertschätzung, die er bei Chemie spürt, sagt Christian Donner, will er mit seinen Fotos gern wieder zurückgeben. „So kann ich mit meinen Möglichkeiten etwas zum großen Ganzen beitragen.“

Auch Franz Engler freut sich, seinen Teil beizutragen; die großen und die kleinen Spiele fotografisch für die Nachwelt festzuhalten. „Es geht ja nicht darum, sich Bestätigung abzuholen. Wir tun das ja gern für Chemie.“ Sein Kompagnon Christian Donner pflichtet ihm bei, fügt aber hinzu: „Natürlich freut man sich, wenn ein Foto es dann auf die Website oder in die Social Media schafft. Auf diese Weise dürfen wir Chemie nach außen ein Erscheinungsbild geben. Oder um es vielleicht anders auszudrücken: ein Stück weit ein Gesicht.“

Dieser Beitrag ist Teil des Mitglieder-Newsletters im Monat September 2025, der für Mitglieder am 30.09.2025 erschien.

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