Fast klammheimlich haben die Chemiker ihren Trainingsbedingungen ein ordentliches Upgrade verpasst. Neu ist: Anders als zuvor trainieren die Grün-Weißen fortan schon am frühen Nachmittag und zweimal wöchentlich auch vormittags. Für den Großteil der Regionalliga-Konkurrenz Normalität, für Chemie ein echter Sprung nach vorn. „Letzte Saison kamen die Jungs abends zwar motiviert, aber mitunter erschöpft von der Arbeit oder vom Studium. Schon die Konzentration für die Videoanalyse hochzuhalten, fiel da schwer. Unter solchen Bedingungen wirst du auf Dauer den Anschluss verlieren“, sagt Cheftrainer Adrian Alipour.
Notwendig für die Neugestaltung des Trainingskonzeptes von Grund auf: ein gezielter Umbruch im Kader. Bisher war die Chemie-Elf gespickt mit gestandenen Spielern, die sich bereits ihre berufliche Existenz neben dem grünen Rasen aufgebaut hatten und mit ihr ihren Lebensunterhalt bestritten. Fortan setzt die Sportliche Leitung auf „junge Wilde“, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, aber schon verhältnismäßig viel Regionalligaerfahrung mitbringen, schon mindestens zwei Jahre im Herrenfußball unterwegs gewesen sind. „Das sind Spieler, die Qualität und Talent mitbringen, aber trotzdem in unser Budget passen, und bereit sind, siebenmal in der Woche hart zu trainieren“, erklärt David Bergner von der Sportlichen Leitung.
Hat also das Profitum bei den Chemikern Einzug erhalten? „So weit sind wir noch nicht“, sagt Vorstandsmitglied Gregor Schoenecker, der im Gremium für Bereich Sport zuständig ist. „Wir wissen sehr genau, was uns von den Vereinen trennt, die unter richtigen Profibedingungen arbeiten. Aber wir haben ein klares Ziel, diesen Abstand zu verringern. Dabei gehen wir einen Schritt nach dem anderen, und die neuen Trainingszeiten sind ein erster Meilenstein.“
Uwe Thomas von der Sportlichen Leitung ordnet ein: „Mit vielen Mühen, die für die meisten gar nicht sichtbar sind, federn wir die Dinge ab, um unserer Mannschaft ordentliche Bedingungen zu bieten. Die Jungs müssen spüren: Hier entwickelt sich etwas in die richtige Richtung. Und bis wir auch in anderen Bereichen Profiniveau erreicht haben werden, tun wir unser Bestes, dass Jungs hier Spaß an ihrer Leidenschaft und an ihrem Job haben können.“
Positiver Nebeneffekt: Von der neuen Trainingsstruktur bei Chemie profitiert auch der Nachwuchs. Der musste in der kalten Jahreszeit, wenn die Rasenplätze gefroren waren und die Erste auf den einzigen Kunstrasen ausweichen musste, in den sauren Apfel beißen und auf abendliche Trainingszeiten verzichten. Das gehört nun der Vergangenheit an. „Die Jungs trainieren am frühen Nachmittag, und wenn sie fertig sind, sind die Kids dran“, sagt Trainer Alipour. „Und wenn die Kids sehen, dass drei Jungs, die gerade mit dem Training fertig geworden sind, in den vergangenen Jahren als Nachwuchsspieler noch zeitgleich mit ihnen auf dem Platz standen, dann gehen sie ins eigene Training umso motivierter.“
Die Eindrücke der ersten Trainingswochen sind rundum positiv. „Hier wächst gerade richtig was zusammen. Das hat man im Trainingslager schon eindrucksvoll gesehen, und sieht es auch jetzt tagtäglich auf dem Trainingsplatz“, sagt Uwe Thomas von der Sportlichen Leitung.
„So ein Neuanfang geht nicht von heute auf morgen. Womöglich wird auch an den ersten Spieltagen noch nicht alles zu hundert Prozent eingespielt sein. Genau dann braucht unsere junge Truppe umso mehr die Unterstützung von den Zuschauerrängen.“ Sorgen macht er sich diesbezüglich keine. Nicht nur, weil schon mehr als 1700 Dauerkarten verkauft sind – 600 mehr als zeitgleich im Vorjahr. „Unsere Fans haben Sachverstand und vor allem ein feines Gespür. Sie wissen nicht nur, wie man feiert, sondern auch, wie man die eigene Truppe nach Rückschlägen aufrichtet. Das ist, was Chemie ausmacht – und dafür sorgen wird, dass wir eine solche Saison wie im Vorjahr nicht noch mal erleben werden.“



