
Ganz so nass wie vor anderthalb Jahren wird es sicher nicht – aber vielleicht ähnlich spannend. (Foto: Christian Donner)
Sonntag, 2. Juni 2019, 15:50 Uhr: der traditionsreiche Leipziger Alfred-Kunze-Sportpark verwandelt sich binnen weniger Minuten in ein regelrechtes Tollhaus. Gerade eben hat die Mannschaft von Trainer Miroslav Jagatic den FC Eilenburg nach spannenden 90 Minuten mit 2:1 besiegt und hat somit den Wiederaufstieg in die Regionalliga einen Spieltag vor Schluss perfekt gemacht. Die Leutzscher Fans liegen sich freudestrahlend in den Armen, nach Jubelarien wird der Platz regelrecht geflutet – alle haben nach dem traurigen Abstieg in der Vorsaison genau auf diesen Tag gewartet.
Das, was die Mannschaft in der Oberliga-Saison geleistet hat, ist schier unglaublich. Vom ersten Spieltag an lastete ein immenser Druck auf der Truppe, welchen sie letztlich bravourös standhielt und völlig verdient die sofortigen Wiederaufstieg realisierte. Hinzu kamen als Sahnehäubchen noch zwei Runden im DFB-Pokal – insgesamt kann man die abgelaufene Saison nur als positiv und erfolgreich bewerten.
Doch mit der Rückkehr in die Regionalliga sind die Anforderungen an die Mannschaft natürlich zwangsläufig gestiegen. Vier Wochen quälende Vorbereitung mit einer Unmenge an Trainingseinheiten und insgesamt zehn Testspiele hat die Elf hinter sich gebracht – Ziel war es, die Mannschaft bestmöglich auf die neue Spielklasse vorzubereiten. Am Wochenende geht es nun endlich los, der Auftakt-Spieltag der Regionalliga steht auf dem Programm. Ungeduldig scharren die Leutzscher schon mit den Hufen – die Vorfreude ist sowohl bei der Mannschaft, beim Trainer- und Betreuerteam als auch bei den Fans riesengroß. Allerdings ist man sich im Lager der Grün-Weißen durchaus bewusst, dass man vor einer knallharten Spielserie steht, in welcher das Ziel klar definiert ist: Klassenerhalt! Die BSG möchte sich über einen langen Zeitraum in dieser Spielklasse etablieren, was nur über das Kollektiv zu erreichen ist. Schon deshalb hat Trainer Jagatic in der vierwöchigen Vorbereitungszeit seiner Truppe alles abverlangt, wobei die Mannschaft in den Einheiten grandios mitzog. Gut vorbereitet geht man daher in die neue Regionalliga-Saison, wohl wissend, dass man mit dem FSV Wacker Nordhausen gleich zu Beginn eine richtig schwierige Aufgabe zu lösen hat. Seit Jahren gehören die Südharzer zu den Spitzenteams in dieser Spielklasse – auch in dieser Saison werden sie wieder ein wichtiges Wort im Kampf um die Meisterschaft mitreden wollen. Der Anstoß im Nordhäuser Albert-Kuntz-Sportpark erfolgt am Samstag um 13:30 Uhr.
Ähnlich wie die BSG Chemie kann auch Wacker Nordhausen eine jahrzehntelange Tradition vorweisen. Von 1968 bis 1989 war die BSG Motor Nordhausen (bis 1976 unter dem Namen BSG Motor Nordhausen West) ununterbrochenes Mitglied der DDR-Liga (damalige 2. Spielklasse) und nahm in der Saison 1981/82 sogar an den Aufstiegsspielen zur DDR-Oberliga teil. Nach der politischen Wende agierten die Südharzer zunächst in der Amateur-Oberliga, ehe im Sommer 1995 der Aufstieg in die Regionalliga Nordost gelang, die gerade ihre Premieren-Saison hinter sich gebracht hatte. Dort hielt man sich zunächst drei Jahre, ehe es im Jahr Juni 1998 zurück in die Amateur-Oberliga ging. Die drei folgenden Spielserien spielte man in der damaligen vierten Liga, ehe gravierende finanzielle Probleme den Verein von der Bildfläche verschwinden ließen. Nach einem sofortigen Abstieg aus der Thüringenliga fand sich Wacker Nordhausen fortan nur noch in der sechstklassigen Landesklasse Ost wieder, wo sich der Verein langsam zu konsolidieren begann. Nach drei Jahren schafften die Nordhäuser 2005 die Rückkehr ins thüringische Oberhaus, in welchem man bis ins Jahr 2011 stets in der oberen Tabellenhälfte zu finden war. Seine besten Platzierungen in dieser Zeit erreichte der FSV Wacker 2008 und 2009, als man die Thüringenliga jeweils mit einem 3. Rang abschloss. Ab der Serie 2011/12 erlebte der Verein dann jedoch seine fußballerische Wiederauferstehung. In dieser Saison schafften die Südharzer die Rückkehr in die Oberliga, bereits in der folgenden Spielserie schaffte man den Durchmarsch in die Regionalliga. Seitdem ist der nordthüringische Traditionsverein ununterbrochenes Mitglied in dieser Spielklasse und zählt seitdem zu den Spitzenteams. Ein fünfter, drei dritte und ein zweiter Platz unterstreichen durchaus die Ambitionen des FSV Wacker. Die schlechteste Platzierung der Nordhäuser war Rang sieben (!) – in der Saison 2016/17.
Bereits vor Beginn der letzten Saison tat der Verein alles, um im Titelkampf entscheidend mitreden zu können. In der Sommerpause investierten die Nordhäuser sehr stark in ihren bereits vorher schon gut besetzten Kader, sämtliche Wünsche von Trainer Volkan Uluc konnte Präsident Nico Kleofas erfüllen. So sicherte man sich die Dienste solch weit überdurchschnittlicher Spieler wie Carsten Kammlott (FC Rot-Weiß Erfurt), Sebastian Heidinger (Holstein Kiel), Jan Glinker (1. FC Magdeburg), Christoph Göbel (FSV Zwickau), Maurice Pluntke (Alemannia Aachen) oder eines Marcel Sobotta (FC St. Pauli). Trotz dieses extrem aufgepeppten Kaders, sah die Realität in der Regionalliga dann allerdings ganz anders aus. Zwar verloren die Nordhäuser bis zum 13. Spieltag nur zwei Mal, doch aufgrund von fünf Unentschieden enteilte Spitzenreiter Chemnitzer FC zu diesem Zeitpunkt schon bis auf 16 Punkte. Eine unerwartet hohe 1:5-Heimniederlage gegen den Berliner AK wurde Trainer Volkan Uluc zum Verhängnis, nach knapp anderthalb Jahren musste er seinen Stuhl räumen. Ulucs Nachfolger wurden interimsmäßig Tino Berbig und Matthias Peßolat – beide gehörten wenige Monate zuvor noch zu den Stammspielern des Teams. Von den sieben Begegnungen unter der Leitung des Duos gewannen die Nordhäuser zwar vier, doch zwei Niederlagen verdeutlichten nochmals die fehlende Konstanz. Mitte Dezember hatten die Nordthüringer dann einen neuen Trainer gefunden und verpflichteten mit Heiko Scholz einen in Leipzig bestens bekannten Coach, der erst wenige Monate vorher beim 1. FC Lokomotive Leipzig freigestellt wurde. Von 1984 und 1986 spielte Scholz bei der BSG Chemie Leipzig in der Liga, ehe er zum Lokalrivalen nach Probstheida in die Oberliga (bis 1990) wechselte. Im Jahr 2013 kam Scholz zu Lok Leipzig zurück und war dort als Trainer überaus erfolgreich. Allerdings waren – ähnlich wie bei Uluc in Nordhausen – die sportlichen Erwartungen in der vergangenen Saison auch in Probstheida eine Nummer größer geworden, so dass Scholz Ende September 2018 das Feld räumen musste.
Mit dem neuen Trainer gelang es Wacker Nordhausen sich dann in der Regionalliga zu stabilisieren. Zwar war der Meisterschaftszug schon lange in Richtung Chemnitz abgefahren, doch nach Abschluss der Saison belegte man immerhin noch den 3. Rang. Letztlich wurde die vergangene Serie doch noch positiv beendet. Durch einen 5:0-Erfolg über Preußen Bad Langensalza sicherten sich die Südharzer den thüringischen Vereins-Cup und haben sich damit für die 1. Hauptrunde des DFB-Pokals qualifiziert, wo man am 10. August den Zweitligisten FC Erzgebirge Aue im heimischen Albert-Kuntz-Sportpark empfängt. Auch in dieser Saison nimmt man daher beim FSV Wacker einen erneuten Anlauf, in der Regionalliga mit um die Meisterschaft zu spielen. Zwar verließen mit Jerome Propheter (Rot-Weiß Oberhausen) und Marcel Sobottka (Sportfreunde Lotte) zwei Leistungsträger den Verein, doch verspricht man sich von den Neuzugängen einiges. Der torgefährliche Abwehrspieler Philipp Blume erzielte in der vergangenen Saison bei Germania Halberstadt immerhin fünf Treffer, Jan Löhmannsröben kehrt nach vier Jahren Abstinenz (1. FC Magdeburg, Carl Zeiss Jena, 1. FC Kaiserslautern) wieder nach Nordhausen zurück. Weiterhin sicherten sich die Südharzer die Dienste von Torhüter Fabian Guderitz (Halberstadt) sowie Linksverteidiger Daniel Haritonov (A-Junioren FSV Mainz 05). Insgesamt scheinen die Nordhäuser gut gerüstet für die neue Saison, was bereits in den Testspielen zu sehen war. Von den acht Begegnungen ging nur eine verloren (1:3 gegen Hessen Kassel), wobei der Sieg über Zweitligist Dynamo Dresden (3:2) sowie das Remis gegen den Drittligisten vom Halleschen FC (1:1) einiges über die Stärke des FSV Wacker Nordhausen aussagt.
Die Leutzscher ihrerseits wissen natürlich ganz genau, was sie in Thüringen erwartet, doch wird die Mannschaft bei ihrer Regionalliga-Rückkehr mit Sicherheit nicht in Ehrfurcht erstarren. Natürlich sind die Vorzeichen bereits vor der Partie eindeutig geklärt, doch vielleicht liegt genau darin die Chance für die BSG Chemie. Die Scholz-Elf ist in dieser Begegnung klarer Favorit und hat daher den Druck, dieses Auftaktspiel gewinnen zu müssen. Die Mannschaft von Trainer Miroslav Jagatic kann dagegen frei aufspielen und wird alles in die Waagschale werfen, um den Gastgebern einen erbitterten Kampf zu liefern. Natürlich schmerzen auch dem Leutzscher Coach die verletzungsbedingten Ausfälle von unter anderem Marc Böttger, Daniel Heinze oder Andy Wendschuch, doch Bangemachen gilt nicht. Gerade aufgrund der nicht zu unterschätzenden Personalsituation wird man im Leutzscher Lager noch enger zusammenrücken und sich als Kollektiv noch intensiver dem Favoriten entgegenstellen. Angetrieben von den grün-weißen Anhängern wird sich die Mannschaft alles dafür tun, mit einem positiven Ergebnis das Auftaktspiel zu absolvieren. Dafür bedarf es allerdings von jedem einzelnen Akteur maximale Hingabe, Leistungsbereitschaft und Konzentration. Nordhausen wird mit Sicherheit gehörig Dampf machen, daher müssen die Leutzscher bereits von der ersten Minute an hellwach sein. Schaltpausen werden in der Regionalliga noch rigoroser genutzt, Fehler noch knallharter bestraft. Demzufolge wird von jedem Spieler sowohl fußballerisch, kämpferisch als auch mental alles abverlangt werden. Allerdings haben die Chemiker in der Vergangenheit oft genug bewiesen, dass sie dazu in der Lage sind. Die Trainingseindrücke sind gut, die Truppe ist bestens vorbereitet – nun gilt es diese positiven Dinge auch im Wettkampf einfließen zu lassen. Mit der Rolle des Außenseiters kommt man sehr gut zurecht und wird auch in Nordhausen mit Sicherheit die eigenen Möglichkeiten suchen. Auch die klar favorisierten Gastgeber müssen erst einmal den Schalter vom Vorbereitungs- zum Wettkampfmodus umlegen – niemand weiß vor dem ersten Spieltag in der Meisterschaft so genau wo man steht. Primäres Ziel aus Chemie-Sicht muss natürlich sein, im Defensivbereich kompakt zu stehen. Doch bedarf es auch eines mutigen Auftritts im Spiel nach vorn, wo man den Nordthüringern schon die eine oder andere Aufgabe stellen möchte. Sollte dies gelingen, ist mit Sicherheit auch in Nordhausen etwas möglich. Im Fußball sind bereits sooft verrückte Dinge passiert. Warum nicht auch diesmal…
Schiedsrichter der Leutzscher Auftakt-Begegnung im Südharz ist Tim Kohnert aus Ballenstedt. Der 29-Jährige pfeift seine zweite Regionalliga-Saison und hat in der vergangenen Serie dort 13 Begegnungen geleitet. Assistiert wird er an den Linien von Robin Enkelmann (Blankenburg) und Eric Dominic Weisbach (Leuna). Wir wünschen dem Schiedsrichter-Kollektiv ein glückliches Amtieren und freuen uns auf eine spannende Auftakt-Partie!