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STADTTEILRUNDGANG LEUTZSCH

ZUSATZINFORMATIONEN

Meute Reeperbahn (1933 bis 1940)

Die belebte Straße war das Revier der Meute Reeperbahn. Die sogenannten Leipziger Meuten waren oppositionelle Jugendgruppen im Dritten Reich. Die meisten ihrer Mitglieder stammten aus den 1933 verbotenen Jugendorganisationen der SPD und KPD. Die Jugendlichen traten in ablehnender Haltung zum NS-System auf und versuchten, sich dem totalitären Zugriff der NSDAP zu entziehen. Sie traten nicht den NS-Organisationen bei und versuchten, ihre Freizeit selbstbestimmt zu organisieren. Mit eigenem Dresscode wie karierten Hemden und Blusen, kurzen Lederhosen und dunklen Röcken grenzten sie sich optisch ab. Dabei kam es nicht selten zu Auseinandersetzungen mit Anhängern der Hitlerjugend. Anfang 1938 gingen diese so weit, dass sich HJ-Angehörige nicht mehr in die von den Meuten dominierten Stadtteile wagten. Dazu gehörten auch Leutzsch und Lindenau und besonders die heutige Georg-Schwarz-Straße.

Die Meute Reeperbahn war ein loser Zusammenschluss von fast 100 Jugendlichen. Die verteilten Handzettel mit NS ablehnenden Parolen und prügelte sich nicht selten mit Angehörigen der HJ. Diese Auseinandersetzungen führten dazu, dass sich 1939 die Gestapo mit dem Phänomen der Leipziger Meuten zu beschäftigen begann. Anfangs versuchte man mit abschreckenden Schauprozessen die Situation zu lösen. Als dies jedoch erfolglos blieb, ging man dazu über, so viele Angehörige der Meuten habhaft zu werden wie möglich. Ein Großteil der Jugendlichen wurde verhaftet und in sogenannte „Umerziehungslager“ gebracht. Andere wurden direkt in die Wehrmacht eingezogen. Zu Beginn des Jahres 1940 war die Meute Reeperbahn kaum mehr existent. Auch wenn es der Gestapo nicht gelang, diese vollständig aufzulösen, so konnten deren Mitglieder nicht mehr in der Form aktiv sein wie zuvor.

Kapp-Lüttwitz-Putsch und Folgen in Leipzig-Leutzsch (1920)

Schwer bewaffnet zieht die Marinebrigade „Ehrhardt“ am 13. März 1920 in Berlin ein. An ihrer Spitze stehen General Walther von Lüttwitz und Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp, die mit einem Staatsstreich, die im Versailler Vertrag festgelegte Truppenreduzierung auf 100 000 Mann verhindern, die demokratisch legitimierte Regierung verhaften und die Errungenschaften der Novemberrevolution rückgängig machen wollen.

Dieser Umsturzversuch trifft auf sofortigen Widerstand. Überall in der jungen Republik gründen sich Aktionskomitees und Arbeiterausschüsse, die sich den Putschisten entgegenstellen. So auch in Leipzig, bereits am Vormittag das 13. März gründet sich ein Aktionsausschuss im Volkshaus im Süden der Stadt, bestehend aus SPD, USPD und Gewerkschaften. Es werden Großdemonstrationen und Kundgebungen geplant. Im Laufe des Nachmittags sprechen sich alle Parteien in Leipzig mit Ausnahme der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) gegen den Putsch aus. Das Militär und die Freiwilligenverbände reagieren jedoch zurückhaltend und abwartend. Als es bei mehreren Großdemonstrationen am 14. März zu Schüssen von Angehörigen des Leipziger Freiwilligenregiments auf Demonstranten kommt, eskaliert die Situation. Es bilden sich Kampfgruppen in der gesamten Stadt, die das Zentrum abriegeln und die Außenbezirke sichern. So auch im Leipziger Westen. Während die zentrale Anlaufstelle in Kleinzschocher liegt, entwickelt sich in Leipzig-Leutzsch die Arbeiterkneipe „Der Schwarze Jäger“ zum zentralen Sammelpunkt. Hier wird eine Gefechtsstelle sowie eine Waffenmeisterei und Sanitätsstelle eingerichtet. Auch wird die Verpflegung der Posten von hier aus koordiniert. In Leutzsch melden sich über 400 Freiwillige, um den Stadtteil gegen Putschisten und Reichswehr zu sichern. Ihre Bewaffnung stammt überwiegend aus den 1919 am S-Bahnhof Leutzsch erbeuteten Gewehren und einigen Beständen aus den Waffenfabriken aus dem thüringischen Suhl. Während es in der Innenstadt und dem Leipziger Osten zu teils heftigen Feuergefechten kam, blieb die Lage in Leutzsch ruhig. Bis auf ein paar Schusswechsel mit Freiwilligenverbänden kam es zu keinen größeren Auseinandersetzungen. Am 17. März bricht der Putsch deutschlandweit zusammen und die SPD beginnt mit den Verhandlungen. Während diese schnellstmöglich den Normalzustand wieder herstellen möchte, versuchen Angehörige der KPD und linke Arbeiter die Situation zu nutzen, um einen deutschlandweiten Aufstand zu initiieren. Es kommt erneut zu Gefechten zwischen Reichswehr und Arbeitern. Nun stehen die einstigen Putschisten auf der Seite der SPD-Regierung und schlagen die kommunistischen Aufstände nieder. So kommt es auch in Leipzig zu Feuergefechten, bei denen die Arbeiter der Reichswehr unterlegen sind. Anschließend wird das Volkshaus, welches ein zentraler Anlaufpunkt der Leipziger Sozialisten ist, niedergebrannt und es kommt im gesamten Stadtgebiet zu Verhaftungen. Am 21. März ist in Leipzig der Aufstand niedergeschlagen.

Zwangsarbeit in Leutzsch

Keine Rolle in der Aufarbeitung der Vereinsgeschichte der BSG Chemie Leipzig spielte bisher die Geschichte des Elguwa-Vorgängers. 1933 entstand aus dem Leipziger Betrieb Richard Flügel die Flügel & Polter GmbH, Gummiwarenfabrik in Leipzig. 1937 übernahm das NSDAP-Mitglied Fritz Ries das Unternehmen als Hauptgesellschafter und wandelte es zur Kommanditgesellschaft um. Ries machte die Firma mit Hilfe von „Arisierungen“ jüdischer Betriebe in Deutschland und im besetzten Polen während des 2. Weltkriegs zum Großkonzern. Hergestellt wurden nun unter anderem Schwimmwesten und Schlauchboote für die deutsche Marine. Im Zweigwerk „Oberschlesische Gummiwerke“ in Trzebinia mussten ab Juni 1941 hunderte Jüdinnen und Juden Zwangsarbeit leisten. In Leipzig hatte Flügel & Polter mehrere Lager für über etwa 120 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Polen, Tschechien und der Sowjetunion. Nach Kriegsende wurde die Firma enteignet und ging 1947 in die Elguwa über. Dieser Teil der Geschichte steht stellvertretend für die Leutzscher Industrie. Allein in diesem Stadtteil nutzten 34 Fabriken und Betriebe Zwangsarbeiter und ihre Arbeitskraft.

Erläuterungen zur Zwangsarbeit (1933 bis 1945)

Die ersten, die nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten zu Zwangsarbeit verurteilt wurden, waren politische Gefangene. Zu diesem frühen Zeitpunkt der NS-Herrschaft hatte die Zwangsarbeit noch keine wirtschaftliche Funktion, sondern diente lediglich der „Disziplinierung“ und „Erziehung“. In den kommenden Jahren wurden immer mehr Menschen, die nicht in die „Volksgemeinschaft“ passten, zur Zwangsarbeit herangezogen. Es folgten Jüdinnen und Juden und Sinti und Roma. Mit Beginn des Krieges wuchs die wirtschaftliche Bedeutung der Zwangsarbeit. Neben Kriegsgefangenen arbeiteten Menschen aus ganz Europa in der Deutschen Rüstungsindustrie. Diese wurden in den besetzten Ländern angeworben oder willkürlich verhaftet und in das Deutsche Reich zur Arbeit deportiert. Ziel war es, die fehlenden Arbeitskräfte zu ersetzen, die durch die Verluste an der Front entstanden waren. Im Sommer 1940 waren bereits 300.000 polnische Männer und Frauen ins Deutsche Reich deportiert worden. 1944 war ein Drittel der im Deutschen Reich eingesetzten Arbeiter Zwangsarbeiter aus Europa – insgesamt 13 Millionen Menschen. Dabei unterschieden sich die Lebensverhältnisse der Zwangsarbeiter je nach Herkunft. Die schlechtesten Bedingungen hatten Jüdinnen und Juden sowie sowjetische Kriegsgefangene. Aufgrund der enormen Anzahl gehörten Zwangsarbeiter zum Kriegsalttag der deutschen Bevölkerung.

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