Unverhältnismäßig und weltfremd: Die BSG Chemie Leipzig protestiert mit aller Schärfe gegen das Urteil des NOFV-Sportgerichts im Nachgang der Angriffe von HFC-Fans auf unsere Spieler. Im Fall der Fünf-Spiele-Sperre gegen Julian Weigel werden wir Berufung einlegen. Der NOFV sendet mit diesem skandalösen Urteil ein fatales Signal und erklärt Spieler faktisch zu Freiwild.
Gestern fand die Anhörung zu den Sportgerichtsverfahren gegen unsere Spieler Valon Aliji und Julian Weigel vor dem NOFV-Sportgericht statt.
Valon Aliji wurde zu zwei Spielen Sperre und einer Geldstrafe von 750 Euro verurteilt. Aufgrund der Vorsperre gegen Rot-Weiß Erfurt und den BFC Dynamo ist diese faktisch bereits abgesessen. Valon Aliji ist ab sofort wieder spielberechtigt.
Julian Weigel hingegen wurde vom Sportgericht für fünf Spiele gesperrt. Die Sperre würde aktiv, sobald Weigel seine in der Höhe noch nicht bezifferte Sperre (Notbremse im Spiel gegen Rot-Weiß Erfurt) verbüßt hat. Sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, wird die BSG Chemie Leipzig gegen das Urteil gegen Julian Weigel in Berufung gehen.
Wir kritisieren das Urteil gegen Julian Weigel als unverhältnismäßig und weltfremd und die mündliche Begründung als höchst bedenklich. Vorgeworfen wird ihm, dass er mit hoher Geschwindigkeit und Intensität einen HFC-Anhänger zu Fall gebracht habe, der – auch in den Augen des Sportgerichts – ohne jeden Zweifel unerlaubt das Feld betreten und eine körperliche Auseinandersetzung mit unserem Spieler Philipp Wendt gesucht hat. Dieses Verhalten Weigels – nicht des Anhängers! – sei eine Art „Brandbeschleuniger“ für „alles, was danach passiert ist“ gewesen. Damit gemeint ist die Jagd auf Spieler der BSG Chemie Leipzig durch zahlreiche auf unsere Mannschaft zustürmende, teils vermummte HFC-Anhänger. Unser Team musste sich in größter Not in die Kabine flüchten.
Diese Auslegung des Sportgerichts weisen wir mit aller Entschiedenheit zurück. Julian Weigel hat in einer hochemotionalen, äußerst unübersichtlichen Situation, in der sich unsere Mannschaft von Polizei und Ordnungsdienst ungeschützt auf dem Feld befand, zurecht die Bedrohung seines Mitspielers durch einen gegnerischen Anhänger erkannt. Um seinen Mitspieler zu schützen, sah er sich zu schnellem Handeln gezwungen. Dafür brachte er den Angreifer durch ein Stoßen mit beiden Händen zu Fall. Der Angreifer wurde so wirksam an weiteren Angriffen auf den Mitspieler gehindert, augenscheinlich ohne eine Verletzung davonzutragen. Im Gegenteil: Der HFC-Anhänger stand unmittelbar danach wieder auf und suchte klar erkennbar die erneute Konfrontation mit unseren Spielern. Es wird deutlich: Julian Weigel hat das von dem Angreifer ausgehende Aggressions- und Bedrohungspotenzial vollkommen richtig eingeschätzt.
Julian Weigel soll hier für ein für jedermann nachvollziehbares Handeln, das anderswo als Beispiel für „Zivilcourage“ gelten würde, für fünf Spiele aus dem Wettbewerb entfernt und unsere Mannschaft dadurch erheblich benachteiligt werden. Dies ist für uns in keiner Weise hinnehmbar.
Mehr noch: Das Urteil sendet die so eindeutige wie fatale Botschaft: Sehen sich Spieler und Mitspieler mit aggressiven gegnerischen Zuschauern, die auf dem Feld nichts verloren haben, konfrontiert, so sollten sie sich besser nicht zur Wehr setzen, möchten sie von der Sportgerichtsbarkeit nicht für lange Zeit gesperrt werden. Noch schlimmer: Machen sie von ihrem Recht auf Selbst- und Fremdverteidigung Gebrauch, so gelten sie in den Augen der Sportrichter anschließend als Verursacher („Brandbeschleuniger“) weiterer Aggressionshandlungen durch Zuschauer auf dem Feld. Dies ist für uns eine skandalöse Argumentation des Sportgerichts.
Wir kommen zudem leider nicht umhin, den Vergleich zum Urteil gegen den HFC-Spieler Fabrice Hartmann zu ziehen. Dieser hatte unseren vor dem wütenden Zuschauermob Richtung Kabine flüchtenden Spieler Tim Bunge ansatzlos und ohne jede Vorwarnung mit einem Bodycheck zu Fall gebracht. Unser Sportlicher Leiter Uwe Thomas konnte glücklicherweise schnell reagieren und dem fallenden Tim Bunge ausweichen und seinerseits einen Sturz vermeiden. Für diese Handlung wurde Fabrice Hartmann mit einer Sperre von zwei Spielen (und 750 Euro Geldstrafe) belegt.
Wir halten fest: zwei Spiele Sperre (Hartmann) für eine Attacke auf einen gerade vor der wütenden Menge flüchtenden (!) gegnerischen Spieler, ohne jegliche Bedrohung für sich selbst oder seine Mitspieler, mit einem unkalkulierbaren Risiko möglicher Schäden für den flüchtenden Spieler (Bunge) oder andere.
Dagegen fünf Spiele Sperre (Weigel) für einen Akt der Nothilfe zugunsten eines unter Bedrängnis stehenden Mitspielers gegen einen aggressiven Zuschauer, der auf dem Spielfeld nichts verloren hat – mit einem Stoß mit den Händen, der zwar Wirkung entfaltete, aber erkennbar Verletzungen weder beabsichtigte noch hervorrief.
Die insgesamt an Täter-Opfer-Umkehr grenzende Darstellung des NOFV-Sportgerichts und die von dem Urteil gegen Julian Weigel ausgehende fatale Signalwirkung ist für uns ebenso wenig hinnehmbar wie das Messen mit zweierlei Maß. Wir werden dagegen Berufung einlegen und hoffen auf eine Korrektur durch das NOFV-Verbandsgericht. Darüber hinaus behalten wir uns ausdrücklich alle weiteren rechtlichen Schritte vor.



