
Foto: Christian Donner
Das nächste Derby ist immer das Wichtigste, das weiß wohl jeder Fußballfan – und speziell eines vor eigenem Publikum. Eine Niederlage hinterlässt einen langen Schatten, während ein Sieg einiges vergessen machen kann. Vor dem ersten Leipziger Stadtderby der Saison kämpfen beide Parteien im Mittelfeld der Staffel und dürften – zusätzlich zu den sonst bei jedem Derby geforderten 110 Prozent – alles daran setzen, mit einem Dreier im wohl prestigeträchtigsten Spiel der Saison wieder etwas nach oben zu richten: Zum 15. Spieltag der Regionalliga Nordost empfängt die BSG Chemie Leipzig am Sonntag, 26. November 2023, um 12:30 Uhr den 1. FC Lokomotive im Alfred-Kunze-Sportpark.
Druck auf dem Kessel: der 1. FC Lokomotive in der neuen Spielzeit
Trotz zweifelsohne zumindest phasenweise mehr als beachtlichen Leistungen seines Teams in den vergangenen Spielzeiten scheint die Diskussion um Trainer und Sportdirektor Almedin Civa am Südfriedhof nie so ganz abreißen zu wollen. Nichtsdestotrotz bekam man in der Außenperspektive nur selten das Gefühl, dass sein Stuhl bei der „Loksche“, den er seit 2020 besetzt, so wirklich ernsthaft am Wackeln wäre. Ganz anders in dieser Spielzeit: mit einer Sieglosserie von sieben Ligaspielen in Folge, bei der man zwischen dem 20. August und dem 29. Oktober ohne eigenen Dreier blieb, zehrte unbestreitbar am blau-gelben Nervenkostüm und an Civas Rückhalt in Verein und Fanszene. Der Tiefpunkt der sportlichen Talfahrt war zweifellos der 11. Spieltag, als das Team aus Probstheida von der Berliner Viktoria mit 0:5 nach Hause geschickt wurde – in einem Spiel, in dem bereits in der Halbzeitpause beim Stand von 0:4 die Messe gelesen war. Wenig überraschend machten die mitgereisten Lokisten direkt im Anschluss ihren nicht ganz unverständlichen Unmut lautstark hörbar und ein rasches Ende wurde gefordert: entweder ein rasches Ende der sportlichen Durststrecke, oder eben ein rasches Ende Almedin Civas im Amt.
Zu letzterem kam es indes nicht, obwohl der 51-Jährige auch in der Zwischenzeit schon angezählt worden war. Dem inakzeptablen Auftritt bei der Viktoria zum Trotz – und womöglich auch in Ermangelung verfügbarer oder bezahlbarer Alternativen – wurde Almedin Civa das Vertrauen ausgesprochen. Und es ging auch bergauf: Auf das 0:5 in Lichterfelde ließ man ein 1:0 (0:0) gegen den RWE im Plache folgen, kam dann allerdings gegen Kellerkind Hansa II nicht über ein Remis hinaus. Im jüngsten Ligaspiel ließ man sich hingegen nach eigener Zwei-Tore-Führung durch Vorjahresmeister Energie Cottbus und in Person von Timmy Thiele innerhalb von zehn Minuten noch die Butter vom Brot nehmen und verpasste den erhofften Befreiungsschlag. Immerhin im Sachsenpokalspiel gegen Ligakonkurrent Eilenburg konnten sich die Blau-Gelben dank Toren von Linus Zimmer und Osman Atilgan mit 2:0 (2:0) durchsetzen und stehen nun im zweiten Jahr in Folge im Viertelfinale.
Als bester Torschütze der Blau-Gelben tat sich in dieser Spielzeit Linksaußen Osman Atilgan hervor, der bereits viermal einnetzte; Innenverteidiger Luca Sirch und der im vergangenen Jahr aus Meppen gekommene Tobias Dombrowa teilen sich mit je vier Assists den Status als beste Vorlagengeber. Der Top-Stürmer der Loksche der vergangenen Jahre, Djamal Ziane, konnte zur Statistik bisher lediglich einen Treffer. Was also erwartet die Chemie-Elf am Sonntag, wenn Probstheida nach Leutzsch kommt? Mit sechs Punkten aus den jüngsten fünf Partien (Ø 1,2 Punkte pro Spiel) performt die Elf vom Südfriedhof nur marginal schlechter als das Team von Miroslav Jagatic (Ø 1,4 Punkte pro Spiel), welches im selben Zeitraum nur ein Pünktchen mehr sammeln konnte. Allerdings blieb Civas Elf lediglich in einem Spiel ohne eigenen Torerfolg, wohingegen das letzte Tor der Chemiker aus dem Spiel heraus auf den 8. Oktober (4:2 in Meuselwitz) datiert und man danach gleich dreimal in Folge offensiv nichts Zählbares hervorbrachte. Nichtsdestotrotz sind beide Mannschaften ein Stückchen weg von ihrer Topform, sodass auch dieses Leipziger Stadtderby von zwei Mannschaften auf nahezu Augenhöhe bestritte werden dürfte.
Wenn Chemie ins Stadion rennt: ein Sieg gegen den 1. FC, dann tut’s schon nicht mehr weh
Unmut wurde auch im Umfeld der Leutzscher Legende in den vergangenen Wochen laut. Speziell die offensiv uninspirierten Auftritte der Chemiker, die mangelnde Spielkontrolle auch gegen Gegner in Unterzahl und die allgemeine Ideenlosigkeit können im Leipziger Westen weder Coach noch Spielern noch Fans so recht schmecken. Gegen den Berliner AK und den FSV Zwickau konnte man immerhin einen Punkt mitnehmen, im Spiel gegen Jena wurde man von den Hausherren hingegen abgezockt abgestraft. Die Partie gegen den FC Eilenburg brachte dank Janik Mäder drei Punkte aufs chemische Konto. Das Aus im Achtelfinale des Sachsenpokals beim spielstarken Tabellenführer der Oberliga Süd, dem VFC Plauen, sorgte dann jedoch für Ernüchterung: Nach ansehnlicher Anfangsphase und guter erster Halbzeit insgesamt gab das Team von Miroslav Jagatic bei den Vogtländern in Durchgang zwei die Kontrolle aus der Hand und ließ vermissen, was die Leutzscher Mannschaft in der Regel immer so stark gemacht hat – Einsatz, Kampfgeist, Wille. Zu spät fiel kam das Aufbäumen gegen das Pokalaus. So ging der Sieg zu Recht an die Hausherren und die BSG Chemie schied im zweiten Jahr in Folge in der Runde der besten 16 aus dem Sachsenpokal aus.
Ohne Glanz in der Liga, enttäuschend im Pokal: Welche Gelegenheit wäre besser für ein positives Ausrufezeichen als das Duell mit dem Erzrivalen? Nachbarschaft ist nicht nur geographisch gegeben, auch in der Tabelle finden sich beide Clubs ganz nah beieinander wieder. Die BSG konnte bisher 19 Punkte aus 14 Spielen sammeln (Ø 1,36), die Loksche reiht sich mit 16 Zählern direkt dahinter auf Platz 12 der Tabelle ein. Es fällt auf, dass bei den Blau-Gelben sowohl vorne als auch hinten deutlich mehr passiert: Chemie bleibt sich mit einem Torverhältnis von 12:16 im Vergleich zu den vergangenen Jahren mehr oder minder treu – in der Offensivtabelle teilt man sich mit dem Chemnitzer FC Platz 17 – legte aber in den meisten Spielen, den vielen Verletzungen zum Trotz, defensive Stabilität an den Tag; die Probstheidaer trafen zwar bereits 18 Mal des Gegners Tor, landen mit bereits 27 Gegentoren allerdings unter den fünf anfälligsten Defensivreihen der Staffel. Nach einer ernüchternden Derbysaison 2022/23, in der für die BSG lediglich ein Punkt heraussprang, wartet auf die heimstarken Leutzscher nun die perfekte Gelegenheit, es deutlich besser als zuletzt zu machen – der 7. Mai 2022 und Florian Kirstein lassen grüßen.
Zum 15. Spieltag der Regionalliga Nordost empfängt die BSG Chemie Leipzig am Sonntag um 12:30 Uhr den 1. FC Lokomotive Leipzig im Alfred-Kunze-Sportpark. Die Partie steht unter der Leitung von Schiedsrichter Tim Gerstenberg (Birkenwerder), assistieren werden ihm an den Seitenlinien Florian Lukawski und Toni Bauer. Für all diejenigen Chemikerinnen und Chemiker, die am Sonntag nicht in Leutzsch dabei sein können, begleiten unser App-Ticker und unser Fanradio Fünfeck.FM das Spielgeschehen wie gewohnt live und direkt; auch der Mitteldeutsche Rundfunk überträgt die Partie in TV und Stream. Für unsere Gäste geht es am darauffolgenden Spieltag zuhause gegen den Tabellenletzten Berliner AK weiter, unsere Chemiker sind auswärts im Sportforum Hohenschönhausen beim BFC Dynamo gefragt.