Foto: Christian Donner
Servus, Grüezi und Hallo: Verabschiedete sich die Chemie-Elf am vergangenen Freitag noch mit einem Auswärtssieg erst einmal auf absehbare Zeit von einem Ligakonkurrenten und dessen Stadion, so folgt am kommenden Wochenende eine Premiere. Zum ersten Mal gastieren die im Vorjahr aus der Nordstaffel der NOFV-Oberliga aufgestiegenen Greifswalder im Leutzscher Holz. Im Hinspiel trennte man sich 2:2, im Rückspiel hingegen will das Team von Miroslav Jagatic gegen die Rot-Weißen auf jeden Fall drei Punkte in Leutzsch behalten – fehlen doch nur noch zehn Zähler zur erfolgreichsten Saison der eigenen Regionalligageschichte: Zum 30. Spieltag der Regionalliga Nordost empfängt die BSG Chemie Leipzig am Sonntag um 13 Uhr den Greifswalder FC im Alfred-Kunze-Sportpark.
Anspruch und Wirklichkeit: Die bisherige Saison des ambitionierten Aufsteigers
Mit vielen Vorschusslorbeeren trat das Team aus Mecklenburg-Vorpommern zu Saisonstart auf die Bühne der Regionalliga Nordost. Der Trainer? Namhaft. Roland Kroos, Vater von Weltmeister Toni und Ex-Profi Felix, war seit Jahren in unterschiedlichsten Positionen beim Greifswalder FC tätig und führte diesen in die Regionalliga. Der finanzielle Background? Nicht von schlechten Eltern. Mit der JES AG, einem Energielieferanten mit Sitz in Rostock (in dem auch ein zweistelliger Millionenbetrag der Familie hinter der Modekette C&A steckt), konnte ein regionaler, zahlungskräftiger Partner für die langfristige Entwicklung gewonnen werden. Der Kader? Dementsprechend schlagkräftig – zumindest auf dem Papier. Dank der günstigen Standortbedingungen konnte der Greifswalder FC, der zurzeit mit 30 Spielern einen der größten und auch einen der ältesten (Ø 25,8 Jahre) Kader der Staffel stellt, nicht nur vor Saisonbeginn namhafte Neuzugänge (beispielsweise den gebürtigen Rostocker Tom Weidandt, der vom VfL Bochum aus der Bundesliga kam) präsentieren, sondern auch im Winter kurzfristig auf verletzungs- und anderweitig bedingte Ausfälle reagieren.
In der Liga stehen die Greifswalder zurzeit mit 34 Punkten aus 29 Spielen (Ø 1,17 Punkte pro Partie) auf dem 13. Tabellenplatz und befinden sich damit einerseits durchaus im Soll und andererseits (im Hinblick auf den Tabellenkeller) in ruhigen Fahrwassern. Ja, es wurden klangvolle und einiges versprechende Namen verpflichtet vor dieser Spielzeit, doch über annähernd die gesamte Saison rein gar nichts mit den Abstiegsplätzen zu tun zu haben, kann als Aufsteiger und Liga-Neuling zweifelsohne jetzt schon als Erfolg notiert werden. Lediglich an der Seitenlinie fand zunächst gezwungenermaßen, dann freiwillig, eine Veränderung statt: Im Nachgang einer Operation am Herzen und der ärztlich verordneten Ruhe und Erholung verkündete Roland Kroos im März sein sofortiges Ausscheiden als Teamchef der Greifswalder. Sein Nachfolger Roland Vrabec, der ohnehin im Sommer übernommen hätte, leitete die Geschicke der Rot-Weißen aber nur kurze Zeit: erst vor wenigen Stunden verkündete Greifswald ein erneutes Stühlerücken auf der Trainerposition. Roland Vrabec wurde beurlaubt, Lars Fuchs wird das Team in Leutzsch trainieren.
Trainerwechsel, Pokalaus, Trainerwechsel, Klassenerhalt? Greifswald im Fußballjahr 2023
14 Partien absolvierten die Greifswalder bisher im neuen Jahr, sieben je Trainer sozusagen. Bei diesem Vergleich wies Vrabec zwar in fast allen Bereichen marginal schlechtere Statistiken auf als sein Vorgänger (mehr Gegentore, drei Punkte weniger geholt), allerdings in keinster Weise dramatisch angesichts des sehr kurzfristigen Arbeitsbeginns sowie der Begegnungen gegen den amtierenden Meister und die diesjährigen Aspiranten. Im Gegensatz zu Kroos, der häufig in einem klassischen 4–4–2 mit Doppelsechs und zwei Stürmern spielen ließ, formierte sein Nachfolger den GFC seither häufiger im 4–2–3–1 oder 4–1–4–1 mit personell wechselnden alleinigen Spitzen. Insgesamt jedenfalls konnte das Team unter Coach Vrabec – dessen Trainerkarriere ihn in der Vergangenheit vom FC St. Pauli über den FSV Frankfurt bis zum Esbjerg fB nach Dänemark führte – in sieben Partien sieben Punkte erkämpfen. Dabei gelangen elf eigene Treffer (Ø 1,57), denen 16 Gegentreffer (Ø 2,29) gegenüberstehen; allerdings schlagen hier die Niederlagen gegen den BFC (0:5) und den RWE (0:4) deutlich ins Kontor. Für die Verantwortlichen an der Ostsee unterm Strich besonders nach dem Pokalaus gegen Ueckermünde (siehe unten) dennoch zu wenig. Unter Neu-Coach Lars Fuchs ist das Restprogramm des GFC mit einem durchschnittlichen Tabellenplatz von 11,8 durchaus human und einem entspannten Überqueren der Ziellinie dürfte in dieser Saison nichts im Wege stehen.
Besagtes Landespokal-Aus war es wohl, das Roland Vrabec den Trainerstuhl kostete: Erst diesen Mittwoch gab man das Halbfinale beim Sechstligisten FSV Einheit Ueckermünde überraschend mit 1:2 verloren und verpasste es somit, den Finaleinzug und die Chance auf die Teilnahme am DFB-Pokal aus dem Vorjahr zu wiederholen. Somit bleibt aber unter Lars Fuchs (der einen Vertrag nur bis Ende Juni 2023 erhielt) die volle Konzentration auf den Rest der Regionalligasaison, in der sich Soufiyan Benyamina (8) und Abu Bakarr Kargbo (7) als beste Torschützen hervortaten, häufig in Szene gesetzt vom 21 Jahre alten Joe-Joe Richardson: dem mit zehn Assists besten Vorbereiter und 17 Punkten insgesamt auch besten Scorer des Kaders. Spezielles Augenmerk verdient abschließend noch Theo Martens, Leihgabe vom FC Hansa Rostock bis Saisonende: Der 20jährige, in der Regel von der Bank kommende Linksaußen sammelte in bisher erst neun Einsätzen bereits drei Tore und drei Vorlagen – und ist somit im Schnitt alle 66 Minuten an einem Tor beteiligt.
Fünf für Gold: Das Restprogramm der BSG Chemie
Kurz vor dem Ende der Rückrunde ist das Team von Miroslav Jagatic nach wie vor auf dem Weg, die erfolgreichste Spielzeit der eigenen Regionalligageschichte zu spielen: Fünf Gelegenheiten bleiben der Chemie-Elf noch, um die Saison zu vergolden und die in der Vorsaison aufgestellte Bestmarke von 56 Zählern zu übertreffen. Der jüngste Erfolg in Berlin, das 2:0 gegen Tabellenschlusslicht TeBe, bescherte den Grün-Weißen die Punkte 45, 46 und 47. Demnach fehlen derer nur noch zehn für den eigenen Vereinsrekord und auf dem Weg dahin heißt die erste Hürde Greifswalder FC. Im Hinspiel an der Ostseeküste trennten sich die beiden Teams unentschieden: Manassé Eshele und Florian Brügmann brachten die BSG zweimal in Führung, erst in allerletzter Minute gelang den Gastgebern durch Abu Bakarr Kargbo der Lucky Punch zum Endstand von 2:2. Im Rückspiel, in dem Miroslav Jagatic im Gegensatz zu seinem Gegenüber Lars Fuchs kadertechnisch aus dem Vollen schöpfen kann, scheint die Favoritenrolle erneut bei den Leutzschern zu liegen, die sich nicht nur form- (acht Punkte aus den jüngsten fünf Spielen) sondern auch heimstärker (erst zwei Niederlagen in 14 Spielen) präsentieren als ihre Gäste aus dem Nordosten. Diese sammelten in den jüngsten Begegnungen nur die Hälfte (vier) der Punkte und erwiesen sich auswärts selten überzeugend: In der Gasttabelle rangieren die Vorpommern lediglich auf Platz 14, auf fremden Plätzen gelangen in 14 Anläufen lediglich drei Siege (22 %).
Bei der Begegnung gegen TeBe, in der Lucas Surek und Timo Mauer die Treffer zum Endstand von 2:0 für die BSG besorgten, stand Jonas Janke zwischen den Pfosten der Leutzscher, da Stammkeeper Benjamin Bellot beim Aufwärmen über Rückenprobleme klagte. Gegen die Greifswalder dürfte der Einsatz unseres Kapitäns allerdings ohne Frage möglich sein, abgesehen davon und vom nach wie vor verletzten Tarik Reinhard stehen Jagatic und Sobottka alle Spieler des Kaders zur Verfügung. So oder so kann sich die gesamte Leutzscher Familie sicher sein, dass wir unseren Gästen aus Greifswald zum Antrittsbesuch im „Königreich“ Leutzsch ein herzliches Willkommen und 90 Minuten feinstes Sightseeing zuteil werden lassen.
Zum 30. Spieltag der Regionalliga Nordost empfängt die BSG Chemie Leipzig am Sonntag um 13 Uhr den Greifswalder FC im Alfred-Kunze-Sportpark. Die Partie steht unter der Leitung von Schiedsrichter Christoph Beblik (Berlin), assistieren werden ihm Pascal Wien und Florian Lukawski. Für all diejenigen Chemikerinnen und Chemiker, die am Sonntag nicht in Leutzsch mit dabei sein können, begleiten unser App-Ticker und unser Fanradio Fünfeck.FM das Spielgeschehen wie immer live und direkt.
Ob Leutzscher Holz, ob deutsche See – Forza, BSG!