Foto: BSG Chemie Leipzig / Christian Donner
Jacken, Schals und Chemie-Fans sind nach der Wasserschlacht im Zoschke gerade so wieder trocken, da ruft die Regionalliga Nordost bereits zum nächsten Tänzchen. Erneut geht es auf fremden Rasen, doch zur Abwechslung nicht in die Bundeshauptstadt. Die Chemie-Elf und ihre kommenden Gastgeber aus der Lausitz sind sich im Kalenderjahr 2023 nicht ganz unähnlich: Jeweils lediglich ein Sieg, im Schnitt nur ein Punkt pro Spiel und eine gewisse Sehnsucht nach der eigenen Form vor der Winterpause – doch bedeutet das für die BSG einen kleinen Dämpfer der grün-weißen Euphorie, so rüttelt diese Form- und Ergebniskrise bei den Rot-Weißen doch sowohl an den Saisonzielen als auch am Selbstverständnis. Energie hilft im Aufstiegsrennen nur ein Dreier, doch die Chemie-Elf wird es sich nicht nehmen lassen, dem entgegenzuwirken: Zum Nachholtermin des 17. Spieltags der Regionalliga Nordost gastiert die BSG Chemie am heutigem Aschermittwoch, 22. Februar 2023, um 19 Uhr beim FC Energie Cottbus im Stadion der Freundschaft.
Aufstiegsambitionen rot-weiß: der FC Energie und die bisherige Spielzeit
Dass der FC Energie Cottbus Jahr für Jahr zum Favoritenkreis der Regionalliga Nordost gehört, ist kein Geheimnis. In der Vorsaison erlaubte man sich über 38 Spieltage lediglich sechs Niederlagen (16 %), jedoch auch einige Remis zuviel (elf an der Zahl; 29 %), weshalb man die Saison hinter Meister BFC und dem FC Carl Zeiss auf Rang drei abschloss und der ganz große Wurf ausblieb. Doch in der aktuellen Spielzeit lief ergebnistechnisch durchaus alles nach Plan bei den Rot-Weißen: Nach 20 absolvierten Spielen ging man in elf Partien als Sieger vom Platz (55 %), teilte viermal die Punkte (20 %) und nahm in fünf Spielen (25 %) gar nichts Zählbares mit. Darüber hinaus stellt man momentan eine der drei besten Offensiven der Liga (43 Treffer, ø 2,15) und zählt mit nur 19 (0,95 pro Spiel) zugelassenen Gegentoren zu den sichersten Defensivabteilungen der Staffel, lediglich der FC Carl Zeiss Jena (13 Gegentreffer) hat von den restlichen Konkurrenten hier klar die Nase vorn.
Auch auf der personellen Ebene wappnet man sich in der Lausitz – wie in jedem Jahr – für den Erfolgsfall. Mit Trainer Claus-Dieter Wollitz wurde eine Vertragsverlängerung ausgehandelt, die unabhängig der Ligazugehörigkeit in der kommenden Saison Gültigkeit hat. Somit kann Wollitz seinen bislang bereits stolzen 315 Partien an der Seitenlinie im Dienste des FC Energie noch einige hinzufügen. Im Januar 2023 gab der FC darüber hinaus die Verpflichtung von Timmy Thiele bekannt. Thiele war nach seiner Anstellung beim FC Viktoria Köln kurze Zeit vereinslos und bringt die Erfahrung von 188 Einsätzen und 75 Scorerpunkten (44 Tore, 31 Assists) in der 3. Liga mit in die Lausitz. Die Regionalliga Nordost kennt der gebürtige Berliner noch gut aus seiner Zeit beim FC Carl Zeiss Jena: 2016/17 gelang Thiele (auch dank seiner zwei Treffer in den Aufstiegsspielen gegen Viktoria Köln) der Aufstieg und im Jahr darauf der Klassenerhalt in Liga drei. Für den FCC, der jetzt von einer Verpflichtung des Aufstiegshelden aus finanziellen Gründen Abstand nehmen musste, stehen für den Offensivmann wettbewerbsübergreifend bärenstarke 44 Torbeteiligungen in 60 Einsätzen zu Buche. Bisher kam Thiele viermal für Energie zum Einsatz, jedoch nie länger als 45 Minuten. Ebenfalls im Winter stieß Jan Shcherbakovski zum Team. Der 21 Jahre alte Rechtsaußen mit belorussischen Wurzeln kam von der SG Dynamo Dresden per Leihe bis Saisonende und ließ mit zwei Scorern (ein Tor, ein Assist) in bisher erst drei Einsätzen bereits seinen Mehrwert aufblitzen.
Fehlstart ins neue Jahr? Energie im Jahr 2023
Seit dem Jahreswechsel scheint beim FC Energie – der vor Beginn der Winterpause dominant die Tabellenspitze besetzte – ein wenig der Wurm drin zu sein. Aus den vier Partien gegen Altglienicke, Luckenwalde, Lichtenberg und Meuselwitz gelang lediglich ein Sieg und nur vier Punkte insgesamt, gegen die VSG gab man sogar beide Spiele in dieser Saison mit 0:2 verloren. Rechnet man das deutliche 5:0 gegen Lichtenberg heraus, erzielte man gegen diese Teams, die für einen Aufstiegsaspiranten alle als machbar einzuschätzen sein sollten, nur ein einziges eigenes Tor und fand nach Rückstand nicht die Mittel, die Spiele noch zu eigenen Gunsten zu drehen. Betrachtet man die bisher fünf Niederlagen unserer Gastgeber, fällt es schwer, einen gemeinsamen Nenner zu finden. In allen diesen Spielen hielt man eine Passquote von über 80 Prozent, hatte durchgehend mehr Ballbesitz (in der Regel über 60 Prozent) und beendete auch alle Partien zu elft.
Betrachtet man hingegen die Performance derjenigen Mannschaften, welche gegen den FC Energie gewinnen konnten, bieten sich Ansatzpunkte, wie diese Mannschaft zu schlagen ist. Erstens fallen die Zweikampfstatistiken ins Auge: Jedes dieser Teams zeigte sich bei den Siegen gegen Cottbus als präsenter und dominanter in den Zweikämpfen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass rigoroses und konzentriertes Zweikampfverhalten der Schlüssel sein kann, die individuelle wie Gesamtqualität der Cottbusser aus dem Spiel zu nehmen. Ja, natürlich mussten sich die besagten Teams auch durchaus häufig mit Fouls helfen, doch der Erfolg gibt einer unangenehmen, ekligen und auf schnelle, saubere Gegenstöße setzenden Spielweise gegen Energie Cottbus Recht. Zweitens fällt auf, dass die Arbeit gegen den Ball gerade in der Verhinderung von Abschlüssen die Cottbusser Offensive vor Probleme stell(t)en: Im Schnitt platzierte Energie bei diesen fünf Niederlagen pro Partie gerade einmal zwei Schüsse aufs Tor. Drittens fällt auf, dass Energie vor Probleme gestellt wird, wenn die linke Seite über Nicolas Wähling, mit elf Scorern (sieben Tore, vier Assists) bester Cottbusser Offensivmann, so wenig Spaß am Spiel bekommt wie möglich: Wähling traf in nur einem von vier Spielen, die verloren gingen (einmal verletzungsbedingt ausgefallen), beziehungsweise verlor der FC Energie in der gesamten Saison lediglich ein einziges Spiel, wenn Nicolas Wähling erfolgreich war.
Trendwende gegen den Favoriten? Wie die BSG Chemie nach Cottbus reist
Für Miroslav Jagatic und seine Elf präsentieren sich also durchaus Möglichkeiten, wie auch in der Lausitz etwas Zählbares mitgenommen werden kann und, bei aller Ärgerlichkeit und allem potentiellen Frust, muss auch die Nullnummer im Zoschke nicht als Gradmesser des Potentials der Mannschaft herangezogen werden. Durchaus demonstrierte die Chemie-Elf gegen Lichtenberg über weite Teile deutlich zu wenig Ideen und Kreativität im Ballbesitz und zeigte leider auch im Angriffsdrittel nur ausnahmsweise einmal Lichtblicke. Dennoch dürfen auch die mehr als widrigen Platz- und Witterungsverhältnisse nicht aus dem Auge verloren werden, die dem tief stehenden Lichtenberger Gegner eher in die Hand spielten als den das Spiel machenden Leutzschern. Darüber hinaus kehren zur Freude der Grün-Weißen nach ihren Gelbsperren Philipp Harant und Paul Horschig zurück in die Startelf, was der Chemie-Elf zweifellos gut tun wird: Nicht nur, weil sich Harant und Horschig zu Garanten defensiver Stabilität in der grün-weißen Defensive gemausert haben, sondern auch, weil beide mit ihrem Drang und ihrem Positionsspiel nach vorne sowohl in Bezug auf Kopfballgefahr als auch zweite Bälle dem Angriffsspiel des Teams von Miroslav Jagatic gut tun und auch gut tun werden.
Die Statistik hingegen spricht in den bisherigen Begegnungen der beiden Teams eine klare Sprache: Fünf Spiele, fünf Siege für Energie Cottbus bei 3:15 Toren aus Leutzscher Sicht. Auch in die kommende Partie gehen die Leutzscher als klarer Underdog, doch – wie in den Medien unentwegt wiederholt wird – in einer Liga, in der jeder jeden schlagen kann, ist alles möglich. Kadertechnisch kann Miroslav Jagatic (mit Ausnahme von Tarik Reinhard und Florian Kirstein) wieder aus dem Vollen schöpfen, auf der Gegenseite muss Wollitz durch Gelbsperren und Verletzungen auf gleich fünf Akteure verzichten, vier davon aus dem zentralen und defensiven Mittelfeld. Es wird zu sehen sein, ob dieses Handicap ausreichen wird, damit Punkte für die Leutzscher Legende herausspringen, doch bereits Ende der Woche gibt es gegen den ZFC Meuselwitz im Alfred-Kunze-Sportpark schon die nächste Möglichkeit für einen Dreier.
Zum Nachholspiel des 17. Spieltages der Regionalliga Nordost gastiert die BSG Chemie am heutigen Mittwoch, 22. Februar 2023, um 19 Uhr bei Energie Cottbus im Stadion der Freundschaft. Die Partie steht unter der Leitung von Schiedsrichter Tim Kohnert (Ballenstedt), zur Seite stehen ihm als Assistenten Michael Wilske und Marko Wartmann. Für all diejenigen Chemikerinnen und Chemiker, die die Reise in die Lausitz nicht antreten können, begleiten wie immer unser App-Ticker und unser Fanradio Fünfeck.FM das Spielgeschehen und auch der Mitteldeutsche Rundfunk überträgt die Partie live in TV und Stream. Forza, BSG!