Foto: Chemie Leipzig
Einen sensationellen Neuzugang vermeldet das Team Museum/Archiv der BSG Chemie: Chemiker Horst Kießling übergab dem Verein ein Konvolut an historischem Material über den FC Britannia 1899 aus den Jahren 1907 bis 1915. Darunter befinden sich u.a. Mitgliedsausweise von Max Krauß, dem Bruder von Vereinsgründer Gustav Krauß, aus den Jahren 1907, 1910 und 1911 und damit die ältesten existierenden Materialien über unseren Verein.
Die Auswertung des Konvolutes ergab etliche wirklich kuriose Dinge. Der Zeugwart als Vorstandsmitglied, Rauchverbot auf dem Spielfeld und 75 Pfennige Monatsbeitrag: All das findet sich in der Satzung des FC Britannia 1899 aus dem Jahre 1908. Die Ziele waren damals noch klar umrissen: in Paragraf 2 wird u.a. unter „Zweck“ benannt: „Durch Fußballspielen und leichtathletische Übungen, sowie gesellige Zusammenkünfte, die körperliche Ausbildung und die Geselligkeit seiner Mitglieder zu fördern.“ Die politische Betätigung im Club war ausdrücklich unter Paragraf 3 ausgeschlossen, und Mitglied konnte „jeder Unbescholtene, der das 15. Lebensjahr vollendet hat, durch schriftliche Anmeldung erwerben“. Der Monatsbeitrag betrug für aktive Mitglieder 75 Pfennige, Schüler zahlten 50 Pfennige. Hochinteressant auch, dass damals auch der Zeugwart zum Vorstand gehörte und die Beisitzer nur beratende Funktion, aber kein Stimmrecht hatten. Das unentschuldigte Fehlen in Vorstandssitzungen wurde mit 25 Pfennigen Strafe belegt. Aber auch die Spieler mussten sich strengen Regeln unterwerfen. In der Spielordnung wurde angeordnet: „Vor den Wettspielen sollen alle Spieler zwei Tage solid leben.“ Das Rauchen auf dem Spielfeld war ebenfalls strikt untersagt.
Verantwortlich dafür, dass das wertvolle Material zur BSG Chemie gelangte, ist Chemie-Fan Horst Kießling (71). „Fan bin ich seit 1963, aber ich gehe ‚erst‘ seit 1965 zu den Spielen“, sagt er. Auch heute fährt der Grünauer noch zu jedem Spiel, auch auswärts. Die wertvollen Funde bekam er von einem ehemaligen Arbeitskollegen überreicht, dessen Bruder im Jahr 1987 bei einer Schornsteinsanierung in Lindenau auf einem Dachboden die Unterlagen fand.
Auch ein persönlicher Brief von Vereinsgründer Gustav an seinen Bruder Max aus dem Jahr 1915, in dem er aus dem Fronturlaub berichtet, ist enthalten: „Man verliert tatsächlich die Lust zum Leben, hier gibt es bloß noch Brummochsen und Idioten, sowas von Egoismus habe ich noch nicht gesehen, das spottet jeder Beschreibung.“ Weiterer Schriftverkehr wie Einladungen zu sogenannten „Gesellschaftsspielen“ und persönliche Geburtstagswünsche komplettieren den Fund. Höchst erstaunlich und völlig unerwartet schließt die Einladung zum Spiel gegen Fortuna, das Jahr ist leider unbekannt, mit der Grußformel „Mit blau-gelben Sportsgruß“, unterzeichnet vom „Ersten Schriftführer“ Richard Müller. Bekannt war bislang, dass die Britannia blau-weiße Farben trug. Eine weitere Volte Leipziger Fußballgeschichte.
Max Krauß war einer von vier Brüdern. Die Krauß-Dynastie ist in Leutzsch seit über einem Jahrhundert bestens bekannt, besaß die Familie doch eine Fleischerei in der Weinbergstraße 6. Auch die Brüder Alfred und Fritz kickten mit, letzterer, 1906 geboren, sorgte bei Wacker Leipzig für Aufsehen, wo er 1928 und 1929 Torschützenkönig der Gauliga Nordwestsachsen wurde. Später trainierte er 1951 eine Zeitlang die Mannschaft der BSG Chemie, die im gleichen Jahr DDR-Meister wurde. Zudem war er der Vater von Roland Krauß, der bei Chemie Trainer und Spieler war. Dessen Sohn Holger, Kicker u.a. bei VfB und Sachsen Leipzig, schaut voller Stolz auf seinen Filius Tom, der eben beim FC Schalke anheuerte.
Diverse Devotionalien der Familie Krauß sind im Vereinsarchiv der BSG Chemie bereits enthalten. Immerhin 500 verschiedene Ausstellungsstücke sowie mehrere laufende Aktenmeter Archivmaterialien befinden sich im Depot. Die Arbeitsgruppe Museum/Archiv hat sich zum Ziel gesetzt, möglichst zeitnah wieder eine Dauerausstellung zu eröffnen, um die wertvollen Sammelstücke auch zeigen zu können.
Wer Sammler- und Ausstellungsstücke zur Geschichte der BSG Chemie und ihrer Vorgänger hat und diese dem Verein überlassen möchte, kann sich hier melden: museum@chemie-leipzig.de oder ruft an unter 0151-19660291.