Foto: Christian Donner
Wie beim Hinspiel im September vergangenen Jahres gehen die Spieler des BFC Dynamo als Tabellenführer in die Partie gegen die BSG Chemie Leipzig, die sich im gesicherten Mittelfeld festgesetzt hat. Doch im starken Kontrast zum Hinrundenspiel in Hohenschönhausen wird der Gästeblock des AKS am 29. Spieltag der Regionalliga Nordost auf eigenen Wunsch der Berliner leer bleiben. Dynamo reist aufgrund der englischen Woche durch das Heimspiel gegen Babelsberg 03 (1:0) am Mittwoch mit einer verkürzten Regenerationszeit, doch mit dem Selbstvertrauen des Tabellenprimus in den Leipziger Westen. Die Chemiker, werden alles daransetzen, die kuriose Niederlage in Luckenwalde aus den Köpfen zu bekommen und über eine ähnlichstarke kämpferische Leistung gegen den Meisterfavoriten Zählbares in Leutzsch zu behalten. Der Ostklassiker vor gewiss großer Kulisse steigt am morgigen Sonntag, 13. März 2022, um 16 Uhr im Alfred-Kunze-Sportpark.
SC Dynamo Berlin war der Name desjenigen Vereins, in dem die Wurzeln des heutigen BFC zu finden sind. Selbstverständlich der Sportvereinigung Dynamo angehörend – deren Trägerbetriebe in Staatssicherheit, Volkspolizei, Innenministerium und dem Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs zu finden waren – wurde der SC Dynamo 1954 aus der Taufe gehoben, als von staatlicher Seite dringend ein fußballerisch starker, dominanter und erfolgreicher Club im Ostberliner Fußball etabliert werden sollte. Dieser spielte ab seiner ersten Saison an in der Oberliga, nachdem ein Teil der Oberligamannschaft von Dynamo Dresden samt Startrecht für die erste Liga nach Berlin delegiert wurde.
Die Sportvereinigung Dynamo war von Anfang an anders als die restlichen Sportvereinigungen, besaß eine privilegierte Position im Sportsystem der DDR. Ehrgeizige Personen an der Vereinsspitze, die Art und Weise von Spielertransfers – Qualitätskonzentration an einzelnen Standorten als Aushängeschilder des DDR-Fußballs – und selbstverständlich die politische Motivation und Protegierung des Vereins gegenüber anderen taten ihr Übriges, erfolgreich und verhasst zugleich zu sein. Untrennbar verbunden ist der Club mit Stasi-Chef Erich Mielke, der die Gründung als Berliner Fußballclub 1966 durch Herauslösung aus dem SC Dynamo vollzog und seither auch Ehrenpräsident des Clubs war.
Dessen Engagement zielte darauf ab, den BFC national wie international zum Aushängeschild des DDR-Fußballs zu machen. Das Abziehen von Leistungsträgern anderer Clubs war an der Tagesordnung, und auch die Vorwürfen der Spielmanipulation durch Schiedsrichterentscheidungen wollten nie recht verstummen. Von 1979 bis 1988 gewann der BFC Dynamo zehn Meistertitel in Folge, manch einer mit fadem Beigeschmack.
Klar ist jedoch: Diese zehn Meistertitel kamen nicht alle von ungefähr, geschweige denn allesamt auf fragwürdigem Wege zustande. Aus der Konzentration qualitativ hochwertiger Spieler im Club ergab sich eine Dominanz und folglich eine Favoritenrolle im DDR-Fußball. Die Jugendarbeit des BFC brachte reihenweise Oberliga- und Nationalspieler der DDR hervor, wie etwa Christian Backs, Rainer Ernst, Andreas Thom oder auch den kurzzeitig in Leutzsch als Trainer tätigen Frank „Wuschi“ Rohde.
Mit der politischen Wende fand der Höhenflug des BFC Dynamo ein jähes Ende. Das Wegbrechen der Unterstützend aus Politik und Staatsapparat beschleunigte den sportlichen und ökonomischen Niedergang, der ohnehin viele Vereine der ehemaligen DDR in diesen Tagen heimsuchte. Als FC Berlin antretend, verpasste man 1991 die Qualifikation für 1. und 2. Bundesliga gleichermaßen. Es folgten zahlreiche Jahre in der NOFV-Oberliga und der damals drittklassigen Regionalliga. 2001 dann die Hiobsbotschaft: Insolvenz und Lizenzentzug für die Oberliga, drei Jahre später konnte das Verfahren erfolgreich abgeschlossen und die Oberliga wieder erreicht werden. 2014 gelang dem BFC Dynamo der Aufstieg in die Regionalliga Nordost, in der er seither durchgehend spielt. Eine Rückkehr in den professionellen Fußball gelang seit dem Ende der DDR nicht.
In diesen möchte der BFC Dynamo jedoch gerne vorstoßen, und in der aktuellen Saison stehen die Chancen dafür so gut wie lange nicht: An 20 von 27 Spieltagen ging man als Tabellenführer in seine Begegnungen, mit Christian Beck und seinen 19 Toren und fünf Vorlagen stellt man den besten Torschützen, mit Joey Breitfeld und seinen drei Toren und zwölf Vorlagen den besten Vorbereiter der Liga. Die beste Offensive (64 Tore) wie die beste Defensive (21 Gegentore) der Liga, die beste Tordifferenz (+43) und zu diesem Zeitpunkt komfortable zehn Punkte Vorsprung auf den Tabellenzweiten aus Jena sorgen zurecht für Optimismus in Hohenschönhausen. Allerdings trügt der Schein wegen der vielen Spielausfälle etwas, der 1. FC Lok Leipzig könnte bei maximaler Ausbeute aus seinen drei Nachholspielen den Abstand wieder auf zwei Zähler verringern. Die Lizenzunterlagen für die Dritte Liga jedenfalls reichte der BFC ein, mit einem Etat von vier Millionen Euro will man in Hohenschönhausen im Profifußball angreifen. In der Winterpause verstärkte man sich noch einmal mit erfahrenen Spielern. Jeweils ablösefrei kamen von Türkgücü München Linksverteidiger Sebastian Hertner, von unserem Ligakonkurrenten aus Jena stieß Theodor Bergmann für das zentrale Mittelfeld zur Mannschaft. Darüber hinaus verpflichtete man den zuvor vereinslosen Rechtsverteidiger Andreas Wiegel, ausgebildet bei Schalke 04, mit Zweitligaerfahrung (Aue und Duisburg) und zuletzt bei Waasland-Beveren in der belgischen ersten Liga aktiv.
Das Team von Trainer Christian Benbennek, seit 2019 im Amt, knüpft in dieser Rückrunde an die starke Form der ersten Halbserie an. Abgesehen von einer 0:1-Niederlage gegen Lichtenberg 47 bei deren Flutlichtpremiere im altehrwürdigen Hans-Zoschke-Stadion, erlaubte sich das Team aus Hohenschönhausen seit Mitte Dezember keinen Ausrutscher mehr und nahm jedes Mal drei Punkte mit. Im Kalenderjahr 2022 stehen für den BFC Dynamo vier Siege und eine Niederlage zu Buche; achtmal traf man selbst, Stammtorhüter Dmitri Stajila musste lediglich einmal hinter sich greifen.
Der BFC kommt aus einer englischen Woche nach Leipzig-Leutzsch: Nach dem etwas glücklichen 1:0-Sieg gegen Hertha II am vergangenen Sonntag gewann man am Mittwoch den Nachholer gegen den SV Babelsberg 03 mit 1:0, Torschütze war Christian Beck mit seinem 19. Saisontor. Fehlen werden im Alfred-Kunze-Sportpark definitiv die beiden Langzeitverletzten Max Klump und Justin Möbius, die im Mittelfeld des BFC seit vergangenem Jahr fehlen. Marvin Kleihs, ebenfalls Mittelfeldmann, holt momentan Trainingsrückstand auf. Winterneuzugang Sebastian Hertner fehlt mit einer Corona-Infektion. Eine Sperre aufgrund gesammelter gelber Karten droht drei Spielern: Andreas Pollasch, der in der laufenden Spielzeit bereits neunmal den gelben Karton sah, Innenverteidiger Chris Reher und Joey Breitfeld (je viermal Gelb). Gerade Assistkönig Breitfeld würde den Weinrot-Weißen kommende Woche gegen die starken Luckenwalder fehlen.
In bisher fünf Aufeinandertreffen seit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs der BSG ging der Sieg zweimal an die BSG Chemie Leipzig, zuletzt im August 2020 im Alfred-Kunze-Sportpark, als Tomas Petracek, Stephané Mvibudulu und Andy Wendschuch beim 3:1-Erfolg der Leutzscher trafen. In der Saison davor trennte man sich einmal 0:0, zwei der insgesamt fünf Begegnungen gingen an die Weinrot-Weißen, darunter auch das Hinspiel der aktuellen Saison, welches in deutlich getrübter Erinnerung geblieben ist.
Unsere Männer in Grün-Weiß haben im Gegensatz zu ihren Gästen keine englische Woche, mussten aber die Niederlage im Acht-Tore-Spiel in Luckenwalde aus den Knochen schütteln. Nun heißt es, weiter geradeaus zu schauen und die starke Form der Rückrunde aufrechtzuerhalten. Nach wie vor ist die BSG Chemie Leipzig mit ihren Leistungen im Jahr 2022 unter den drei besten Teams der Liga und münzt die eigenen Stärken immer besser in Punkte um als noch in der Hinrunde. Auf Tabellenplatz elf im Gesamtklassement und mit zwölf Punkten Vorsprung auf den ersten theoretisch möglichen Abstiegsplatz (15.) hält man momentan Abstand zu den gefährlichen Tabellengefilden.
Auch die in der Hinrunde teilweise vorherrschende Harmlosigkeit vor dem gegnerischen Kasten konnte abgestellt werden, zehn Tore in den vergangenen fünf Partien sprechen eine klare Sprache. Die chemische Defensive, seit Jahren das Prunkstück im Spiel der BSG, hingegen muss sich im Vergleich zur Vorwoche wieder etwas berappeln, um es mit dem BFC und besonders Goalgetter Christian Beck deutlich schwerer zu machen als zuletzt den Luckenwaldern. Drei Punkte gegen den BFC sind eine ambitionierte Aufgabe, doch wenn unsere Mannschaft mit Kampf und Einsatz als Mannschaft auftritt und die einzelnen Elemente gut ineinandergreifen, spricht nichts dagegen, vor heimischer Kulisse auch dem Tabellenführer ein Schnippchen zu schlagen.
Verzichten muss das Team von Miroslav Jagatic in der kommenden Partie erneut auf mindestens sechs Spieler. Zu den nach wie vor ausfallenden Verletzten Max Keßler, Florian Brügmann, Stephané Mvibudulu, Manuel Wajer und Philipp Wendt gesellt sich am kommenden Sonntag noch Anton Kanther, der mit seiner fünften gelben Karte aus dem vergangenen Spiel gesperrt fehlen wird. An alle Verletzten ergehen wie immer die besten Genesungswünsche!
Die BSG Chemie Leipzig empfängt den Tabellenführer der Regionalliga Nordost, den BFC Dynamo, am Sonntag, 13. März 2022, um 16 Uhr im Alfred-Kunze-Sportpark zu Leipzig-Leutzsch. Die Begegnung steht unter der Leitung von Schiedsrichter Patrick Kluge (SV Blau-Weiß Grana), der in dieser Saison auch bei der Partie der BSG gegen Lichtenberg im Einsatz war. Als Assistenten zur Seite stehen ihm hierbei Eric Weisbach und Max Stramke. Für die Partie ist unter 3G-Bedingungen Vollauslastung (4999 Zuschauer:innen) möglich. Ein negativer Schnelltest genügt. Dank der Kooperation mit dem Bürgertestzentrum Leutzsch kann unkompliziert direkt vor Ort getestet werden. Wir empfehlen, rechtzeitig oder bereits getestet zu kommen, damit niemand den Anpfiff verpassen muss. All denjenigen, die am Samstag nicht dort sein können, wo die Sonne stets lacht (Wettervorhersage: Elf Grad und blauer Himmel!), steht wie immer unser Live-Ticker und unser Fanradio Fünfeck.FM zur Verfügung, beides unkompliziert zu finden in der App der BSG Chemie Leipzig. Darüber hinaus überträgt der Mitteldeutsche Rundfunk MDR die Partie im TV und im Live-Stream. Ein voller AKS, der Wetterbericht verspricht blauen Himmel und strahlenden Sonnenschein, zu Gast ist der Tabellenführer– Fußballherz, was willst du mehr?
Forza, BSG!
kiro