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Ha, Ho, He – Heimsieg, BSG: Hertha-Bubis zu Besuch in Leutzsch

By 18. Februar 2022No Comments

Foto: Christian Donner

Im Nachgang des unglücklichen Knockouts in letzter Minute in der Fremde bei Lichtenberg 47 geht es für die BSG Chemie Leipzig am 26. Spieltag der Regionalliga Nordost gegen die Zweitvertretung von Hertha BSC. Nach wie vor finden sich die Chemiker unter den drei besten Teams der bisherigen Rückrunde, doch für die Grün-Weißen wird es am kommenden Wochenende darum gehen, die beiden auf den Siegesrausch folgenden Spiele der zwischenzeitlichen Ernüchterung gegen den ZFC aus Meuselwitz sowie die 47er aus Lichtenberg aus dem Kopf zu bekommen beziehungsweise gar nicht erst dort ankommen lassen. 13 Punkte aus sechs Spielen sind alledem zum Trotz aller Ehren wert und ein Zeugnis des guten Weges, auf dem sich die BSG unter Trainer Miroslav Jagatic befindet. Auch unsere Gäste aus Berlin, die in der Rückrundentabelle mit lediglich einem Zähler weniger als die BSG auf Platz sechs zu finden sind, treten mit einer Niederlage im Kopf (0:2 gegen den Chemnitzer FC) die Reise nach Leutzsch an und wollen sich mit aller Sicherheit im Leipziger Westen ein wenig rehabilitieren – und an die Form ihrer Serie von fünf ungeschlagenen Spielen in Folge Ende 2021 anknüpfen. Zum 26. Spieltag der Regionalliga Nordost empfängt die BSG Chemie Leipzig Hertha BSC II morgen am 19. Februar 2022 um 13 Uhr im Alfred-Kunze-Sportpark zu Leipzig-Leutzsch.

Die Berliner Hertha, ob ihre erste oder zweite Mannschaft, ob in erster oder vierter Liga, ob mit Windhorst-Millionen oder U19-Bubis, gibt ihren geneigten Fans gerne einmal das eine oder andere Rätsel auf. Welches Rätsel sie jedoch allen anderen unentwegt aufgibt, die es nicht mit dem Club halten: Warum eigentlich Hertha? Vor 130 Jahren erblickte die Alte Dame des deutschen Fußballs das Licht der Welt. Seinen auf den ersten Blick kurios anmutenden Beinamen erhielt der Verein aufgrund eines Schiffs, welches noch heute, als Gründungsdampfer bezeichnet, auf den Gewässern Berlins zu finden ist. Die Idee zur Gründung kam den beiden Brüderpaaren Otto und Willi Lorenz sowie Max und Fritz Lindner. Ebenjener Fritz Lindner war es, der einige Zeit zuvor mit seinem Vater eine Dampferfahrt auf der Spree unternommen hatte, die offenbar mächtig Eindruck hinterließ – so viel Eindruck, dass der neue Verein gleich den Namen des Dampfers als Beinamen erhielt und als Berliner Fußball Club Hertha 92 geboren wurde. Als Vereinsfarben wählte man blau, weiß und gelb, wobei das letztere zügig wieder fallen gelassen wurde. Ebenso kurios: Keiner der Gründerväter der Hertha war im Jahr 1892 volljährig und demnach befähigt, einen Verein zu gründen, weshalb man einen Verwandten Fritz Lindners, Ernst Wisch – immerhin schon 22 Jahre alt – beten musste, als Vorsitzender einzuspringen und mit dem nötigen Papierkram den Verein auf dem zuständigen Polizeipräsidium am Molkenmarkt offiziell eintragen zu lassen.

Ihre goldenen Jahre erlebte die Berliner in den 1920er und 1930er Jahren: Zwischen 1926 und 1931 erreichte man jedes Jahr das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft und gewann den Titel zweimal, 1930 durch ein 5:4 gegen Holstein Kiel und im Jahr darauf durch ein 3:2 gegen den TSV 1860 München. Für die Zeit unter dem Hakenkreuz, 1933 bis 1945, wurde dem Verein in einer im Jahr 2006 selbst in Auftrag gegebenen Studie deutlich gezeigt, dass man als Organisation Hertha BSC durchaus angepasst und gleichgeschaltet war und Überschneidungen im Personal des Vereins und des Regimes durchaus existierten (beispielsweise war jeder „Vereinsführer“ ab 1933 Mitglied der NSDAP). Dennoch muss erwähnt sein, dass in den vereinseigenen Nachrichten der Hertha – die wichtigste Quelle der Studie – keine einzige Stelle zu finden ist, aus der sich NS-Propaganda oder Antisemitismus ableiten lassen würden. Auf sportlicher Ebene konnten die Herthaner in dieser dunklen Periode nicht an den Glanz der Vorjahre anknüpfen: Bis zur Gründung der Bundesliga in den 1960er Jahren sollte die Hertha nie wieder ein Endspiel um die Deutsche Meisterschaft erreichen. Die letzte ausgespielte (West-)Berliner Meisterschaft ging an die Hertha und 1963 startete man in der neuen höchsten deutschen Spielklasse. Hatte man in der ersten Saison noch den Abstieg abwenden können, folgte der Zwangsabstieg aufgrund des Lockens von Spielern mit Prämien und Handgeldern, was seinerzeit strikt verboten war und zu der kuriosen Geschichte des (statistisch) schlechtesten Bundesligisten aller Zeiten führte, unseren Ligagenossen von Tasmania Berlin. Die folgenden Jahrzehnte waren von soliden bis sehr guten Leistungen auf nationaler und internationaler Bühne (Vize-Meisterschaft und UEFA-Pokal-Viertelfinale in den 1970ern), dem tiefen Fall bis in die Drittklassigkeit (Spiele im Moabiter Poststadion in der Amateur-Oberliga vor 2 000 Zuschauern in den 1980ern), der erst kurz- und dann wieder langfristigen Rückkehr in die höchste Spielklasse des deutschen Fußballs (Aufstiege 1990 und 1997) sowie der Etablierung im Oberhaus in den 2000ern geprägt. In jüngerer Vergangenheit ist mit der Hertha in Fußballdeutschland leider ein Traditionsclub als Chaosclub bekannt, ohne Konstanz auf der Trainerbank, fast 400 verpulverten Millionen ohne Effekt, für eine weit klaffende Schere zwischen Selbstbild und Realität.

Unser kommender Gegner hingegen, die zweite Mannschaft von Hertha BSC, ist deutlich weiter weg von den Windhorst-Millionen und tritt dennoch unter gänzlich anderen Vorzeichen in der Regionalliga Nordost an. Von einem Husarenstück wie in der Saison 1992/1993, als die Amateurmannschaft der Herthaner das DFB-Pokalfinale erreichte, ist zwar auch nicht auszugehen, doch nicht ohne Grund spielen die Hertha-Bubis, so auch die offizielle Eigenbezeichnung, durchgehend mindestens auf Regionalligaebene, zwischen 2004 und 2007 demnach sogar drittklassig. Bei den Amateuren ist die Trainerbank von deutlich mehr Konstanz geprägt als in der Bundesliga: Seit 2003 prägten mit Karsten Heine, heute Trainer unseres Ligakonkurrenten von der VSG Altglienicke, und Ante Čović, der ja auch für knapp eine Halbserie für die erste Mannschaft in der Bundesliga an der Seitenlinie aktiv war, lediglich zwei Personen und Persönlichkeiten die Mannschaft über viele Jahre.

Ebenjener Ante Čović, auch heute noch der Trainer der zweiten Mannschaft, hinterlässt im doppelten Sinne seine Spuren im Profil der Hertha-Bubis: Sein Sohn Maurice Čović mit der Rückennummer 34 ist Stammspieler auf der rechten Seite und ein dominanter Faktor im Angriffsspiel der Berliner. Darüber hinaus ist der 23jährige mit neun Scorerpunkten, drei Tore und sechs Assists, der zweitbeste Scorer der Blau-Weißen in dieser Saison. Generell befindet sich die Hertha in dieser Phase der Saison unbestreitbar in einem Formhoch. Ja, die Niederlage gegen den Chemnitzer FC am vergangenen Spieltag war unglücklich. Über weite Strecken dominierte die Hertha das Spiel bei unserem kommenden Gegner (25. Februar 2022, 19 Uhr im Stadion an der Gellertstraße) und musste sich letztlich aufgrund eines unhaltbar abgefälschten Schusses und eines späten, sauber ausgespielten Konters mit 0:2 geschlagen geben. Dennoch spricht die Statistik eine klare Sprache: In den sechs bisher ausgespielten Rückrundenpartien ging die Hertha vier Mal als Sieger vom Platz und verlor neben dem Chemnitzer FC nur gegen Babelsberg 03, wo die pragmatische Effizienz der Potsdamer die dominante Spielweise der Herthaner eiskalt bestrafte. Abgesehen von diese beiden Niederlagen verlor man zuvor das letzte Mal Anfang November vergangenen Jahres. In den sechs Partien der Rückrunde gelangen 13 eigene Tore, neun Mal mussten Torwart Florian Palmowski und der seit Ende Januar wegen einer Blessur am Knie ausfallenden Stammkeeper Nils-Jonathan Körber hinter sich greifen. In der Offensive heißt die Lebensversicherung von Hertha II eindeutig Timur Gayret: Ohne seine insgesamt 14 Scorerpunkte, sieben Tore und sieben Assists, müsste man von einem weitaus ungemütlicheren Saisonverlauf der Berliner ausgehen.

Im großen Ganzen betrachtet finden sich die Herthaner zurzeit auf dem zwölften Tabellenplatz wieder, zwei Ränge hinter der BSG Chemie. Ein Blick in die Statistiken verrät zügig, weshalb man dort steht: Zwar ist die Tordifferenz der Herthaner identisch mit der der Chemiker – nämlich null – doch die absoluten Zahlen deuten in eine konkrete Richtung: Während die chemische Elf jeweils 27 Tore schoss und zuließ, sind es im Falle von Hertha II gleich jeweils 40. 40 Gegentore in 25 Partien heißt, dass die Herthaner 1,6 Gegentore pro Spiel fangen – Benjamin Bellot und Jonas Janke kassierten bei einem Wert von 0,93 statistisch demnach nicht mal eines pro Partie. Kombiniert mit einer wirklichen Schwächephase – über die man sagen könnte, dass die 0:1-Heimniederlage gegen die BSG Chemie am 7. Spieltag sie eingeleitet hätte –, in der man in neun Spielen zwischen August und Oktober sechs Niederlagen kassierte, ergibt sich ein durchwachsenes Bild der Saison der Herthaner. Nichtsdestotrotz wäre es naiv, die durch immer weiter zusammenwachsende und ineinandergreifende Automatismen gekennzeichnete Spielweise und die sich weiter stabilisierende Form zu unterschätzen, die das Team mit dem höchsten Gesamtmarktwert in der Liga zur Zeit an den Tag legt. Neben dem oben erwähnten Stammkeeper Körber werden im Spiel gegen die BSG Chemie allerdings auch der Langzeitverletzte Mittelstürmer Ruwen Werthmüller sowie Linksaußen Ali Abu-Alfa wegen einer Rotsperre nicht an der weiteren Verbesserung der aktuellen Formkurve mitwirken können.

Auch die BSG Chemie ist nach wie vor von Verletzungs- und Ausfallsorgen geplagt. Konnte Trainer Miroslav Jagatic immerhin nach ausgestandener Corona-Quarantäne wieder an der Seitenlinie der Leutzscher wirken, so wird Stammkeeper Benjamin Bellot (immerhin schon wieder im Training) vermutlich nach wie vor nicht das Tor der Chemiker hüten können. Selbstverständlich ein herber Verlust – doch Ersatzmann Jonas Janke beweist in immer stärkerer Deutlichkeit, dass er dieser seiner Rolle absolut gerecht werden kann. Allerdings sieht es bei keinem der weiteren verletzten Chemiker, Max Keßler, Stephané Mvibudulu, Philipp Wendt, Lucas Surek oder Florian Brügmann momentan danach aus, dass sie am kommenden Samstag im AKS im Kader stehen werden. Darüber hinaus wird unser Team in der Arbeit gegen den Ball besondere Vorsicht walten lassen müssen: Gleich sechs Spieler haben bereits vier gelbe Karten gesammelt und laufen Gefahr, beim kommenden Auswärtskracher in Chemnitz am nächsten Spieltag gesperrt zu fehlen.

Die beiden vergangenen Spiele sorgten nach dem berauschenden Rückrundenstart für eine gewisse Ernüchterung in den grün-weißen Gemütern, vielleicht waren die Partien auch lediglich ein Reality Check. Man muss anerkennen, dass die Mannschaft gegen den ZFC aus Meuselwitz beinahe unverändert zum vorangegangen Spiel auf dem Platz stand und demnach mit nur zwei Tagen Regenerationszeit eine durchaus solide Leistung auf heimischem Parkett präsentierte. Der späte K.O. gegen Lichtenberg 47 war hingegen ärgerlich. Aber: Auch hier musste das Trainerteam um Miroslav Jagatic auf acht Stammkräfte verzichten, es überrascht also nicht, dass die Mannschaft, die im Zoschke auf dem Platz stand, Automatismen und Selbstverständlichkeiten im Spiel ebenso wie den attraktiven Fußball der Rückrunde zu einem gewissen Grade vermissen ließ.

Für die BSG wird es darum gehen, an ebenjenen furiosen Rückrundenstart anzuknüpfen und im Optimalfall das Kunststück aus der Hinrunde zu wiederholen, als uns Timo Mauer mit seinem ersten Saisontor drei Punkte im Amateurstadion der Hertha ermöglichte. Die Hertha hingegen verlor ihre jüngsten beiden Auswärtsspiele und wird sicherlich alles dafür tun, nicht in dieser Hinsicht eine neue Serie zu starten.

Die BSG Chemie Leipzig empfängt Hertha BSC II am morgigen Samstag, 19. Februar 2022, um 13 Uhr im Alfred-Kunze-Sportpark zu Leipzig-Leutzsch und die Partie steht unter der Leitung von Schiedsrichter Florian Butterich und seinen beiden Assistenten Daniel Bartnitzki und Reinhard Meusel. Das Spiel wird, wie die vergangenen beiden Heimspiele auch, vor bis zu 2875 Zuschauer:innen stattfinden können. Am Fuchsbau wird es, wie auch in der Hinrunde, eine Corona-Testmöglichkeit vor Ort geben. Die geltenden Bestimmungen erlauben eine Austragung der Partie vor Fans unter 2G+-Bedingungen, dies bedeutet: Zutritt zum Stadion wird nur denjenigen Personen gewährt, welche nachweisen können, dass sie vollständig geimpft, genesen und tagesaktuell getestet sind. Für Personen, welche die dritte Impfung (Booster) bereits erhalten haben, entfällt die Pflicht zum Nachweis eines tagesaktuell negativen Testergebnisses. All denjenigen Chemiker:innen, die nicht mit im Stadion sein können, sei wie immer unser Fanradio Fünfeck.FM als auch unser Live-Ticker ans Herz gelegt, beides zu finden in der App der BSG Chemie. Sieben Punkte aus den letzten drei Heimspielen sind ein gutes Omen, das gerne die Zukunft weisen darf – Forza, BSG!

kiro

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