Foto: BSG Chemie
Ein vieldiskutiertes Thema in den vergangenen Monaten war und ist die TV-Berichterstattung über die Regionalliga Nordost. Mit Ostsport.TV hat ein privates Unternehmen den Zuschlag des Nordostdeutschen Fußballverbands (NOFV) erhalten und sich für die kommenden vier Jahre die Übertragungsrechte für die höchste Spielklasse im nordostdeutschen Fußball gesichert. Zusammen mit unseren Fans möchten wir uns im Folgenden zur Thematik und möglichen Problemen äußern.
Grundsätzlich steht die BSG Chemie Leipzig für ein konstruktives Miteinander mit allen, die Regionalligafußball spielen, organisieren, schauen und darüber berichten. Wir finden es positiv, dass auch weiterhin von allen Spielen der mitteldeutschen Vereine berichtet wird und freuen uns auf alte und neue Gesichter, die uns im Alfred-Kunze-Sportpark besuchen, um dort „Fernsehen“ zu machen. Ganz besonders freuen wir uns für die Vereine, die in der Vergangenheit nicht von der umfangreichen Präsenz des Regionalligafußballs im MDR profitieren konnten (z.B. die Klubs in Berlin und Brandenburg) und nun auch ohne mitteldeutsche Beteiligung endlich eine Plattform erhalten. Wir verstehen auch, dass unsere folgenden Gedanken möglicherweise nicht von allen Klubs gleichermaßen nachvollzogen werden können. Weniger betroffen sind beispielsweise Vereine ohne „Allesfahrer“, also eine Fangemeinde, die ihrer Mannschaft zu ausnahmslos jedem Spiel folgt. Auch diese Vereine wären jedoch betroffen, wenn anstatt 800 plötzlich nur noch 200 Gästefans Eintritt zahlen.
Zu einem konstruktiven Miteinander gehört für uns mitunter auch, bedenkliche Entwicklungen klar zu benennen und kritisch zu würdigen, bevor es zu spät ist und sich die verschiedenen Interessengruppen (Vereine, Fans, Verband/Ostsport.TV) zunehmend voneinander entfernt haben. Klare Worte und eine gemeinsame Lösungssuche – das scheint uns vor allem langfristig die beste Grundlage für eine gute Zusammenarbeit zu sein.
Einige Fanszenen (u.a. SV Babelsberg 03 und Carl Zeiss Jena) haben sich frühzeitig öffentlich positioniert. Mittlerweile haben sich mit dem FC Carl Zeiss Jena und dem SV Babelsberg 03 auch zwei Vereine mit viel Zug- und Strahlkraft zu Wort gemeldet und sich der kritischen Analyse ihrer Fans angeschlossen.
Vor rund zwei Wochen veröffentlichte die aktive Chemie-Fanszene ebenfalls ihr Statement zur Debatte (nachzulesen hier: http://diablos-leutzsch.net/news/wir-moegen-montagsspiele-nur-wenn-sie-am-samstag-stattfinden). Auch die Chemie-Fans befürchten und kritisieren insbesondere:
- eine Zerstückelung der Spieltage wie im Profifußball und daraus resultierend
- Einbrüche bei den Zuschauerzahlen und
- anreisebedingte sportliche Nachteile der Gästemannschaften wegen kaum wahrnehmbarer Termine (z.B. Wochenende um 12 Uhr oder die berüchtigten Montagsspiele)
- die drastisch gesunkenen festen Einnahmen für die Vereine aus der Vermarktung der Übertragungsrechte im Vergleich zu den Vorjahren (nur noch 422 Euro pro Heimspiel im Vergleich zu 900 Euro pro Heimspiel in der Saison 2019/20!)
An diese Kritik möchten wir, die BSG Chemie Leipzig, anknüpfen und uns übereinstimmend mit unseren Fans positionieren. Darüber hinaus schließen wir uns inhaltlich den aus Jena und Babelsberg vorgebrachten Kritikpunkten an. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang, dass sowohl Ostsport.TV-Chef Heiko Mallwitz als auch Regionalliga-Spielleiter Wilfried Riemer bereits klargestellt haben, dass die Situation am ersten Spieltag mit Anstoßzeiten am Freitagabend sowie am Wochenende um 12, 13, 14 und 16 Uhr eine Ausnahme bleibe und nicht zur Regel werde. Wir werden dies genau beobachten, denn eine Anreise unserer Mannschaft am Vortag mit Übernachtung aufgrund eines 12 Uhr-Spieltermins etwa in Nordbrandenburg wäre für uns und viele andere Vereine finanziell nicht darstellbar. Spiele unter der Woche – auch dann, wenn sie erst zu späterer Stunde angesetzt sind – lehnen wir generell ab, da sie sowohl für unsere Amateurfußballer als auch für unsere Fans nur unter großen Schwierigkeiten oder gar nicht wahrnehmbar sind. Selbst eine tolle Flutlichtatmosphäre würde ihren Reiz verlieren, wenn unsere Fans diese nicht vor Ort genießen können oder unsere Mannschaft nicht in voller Stärke antreten kann.
Die Regionalliga Nordost nimmt insofern eine Sonderrolle unter den Regionalligen in Deutschland ein, als sie etliche Traditionsvereine aus der ehemaligen DDR-Oberliga mit großer Strahlkraft und zahlreichen Fans zu ihrem Teilnehmerfeld zählt. Folglich kämen den hiesigen Vereinen anstoßzeitbedingte Zuschauereinbußen wesentlich teurer zu stehen als in den anderen Regionalligastaffeln mit deutlich niedrigeren Zuschauerzahlen. Die an die Vereine ausgeschütteten, stark gesunkenen TV-Gelder würden solche Ausfälle nicht im Ansatz kompensieren. Zwar bietet Ostsport.TV den Vereinen die Möglichkeit, „ihre“ Sponsoren als Werbepartner in den Übertragungen zu platzieren. Die Paketpreise, die der Rechteinhaber dafür ausruft, sind jedoch derartig hoch, dass nur die wenigsten Regionalliga-Sponsoren in der Lage wären, diese zu entrichten – erst recht, wenn auch für den Verein noch etwas vom Kuchen übrigbleiben soll.
Ostsport.TV verfolgt als privates Unternehmen verständlicherweise wirtschaftliche Ziele, ist aber auch mit der klaren ideellen Zielstellung angetreten, den Regionalligafußball in Nordostdeutschland zu fördern.
Regionalliga – das bedeutet für uns zusammengefasst:
- „Fußball mit Ecken und Kanten“ zum Anfassen statt von der Basis völlig entkoppeltes Hochglanzprodukt
- maximale Identifikation der Fans mit Verein, Stadt und Region – „krasses Herzblut“!
- die berechtigten Interessen der Stadionfans, die trotz unzähliger alternativer Freizeitangebote Woche für Woche in die Stadion pilgern und dort für tolle Stimmung sorgen, werden berücksichtigt
- der Amateurstatus und die ehrenamtliche Prägung vieler teilnehmender Vereine werden respektiert
Diese Grundsätze sind für uns nicht diskutabel und dürfen auch nicht stückweise aufgeweicht werden. Werden diese Grundsätze anerkannt, so sind wir, die BSG Chemie Leipzig und ihre Fans, für fruchtbare Gespräche mit dem NOFV und Rechteinhaber Ostsport.TV jederzeit bereit. Im Fokus sollte dann das gemeinsame Bestreben stehen, der Regionalliga und ihren Vereinen die Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen, die sie verdienen.
Darüber hinaus sprechen wir uns für eine engere Zusammenarbeit und Vernetzung unter den Vereinen aus, um zukünftig stärker für unsere gemeinsamen Interessen eintreten zu können. Die fußballspielenden Vereine und ihre Fans sind maßgeblicher Bestandteil des „Gesamtprodukts Regionalliga“ und sollten folglich an der Gestaltung und Austarierung der Verträge über die Übertragungsrechte und Vermarktung im TV beteiligt sein. Den Status quo, dass der NOFV im Alleingang über die Veräußerung der Rechte entscheidet, ist für uns nicht länger hinnehmbar.
Mit diesem Statement erklären wir uns solidarisch mit unseren Mitstreitern, Vereinen wie Fans. Wir hoffen, dass weitere Vereine – auch solche mit Aufstiegsambitionen in die Dritte Liga – folgen werden. Vereinsfarben, Rivalitäten und sportliche Konkurrenz sollten hier hintenanstehen, denn dieses Thema geht uns alle an.
Leipzig, 9. August 2021
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