Als Marcel Sabatowski im Sommer 2009 von Eintracht Schkeuditz zur BSG Chemie wechselte, war kaum abzusehen, dass er elf Jahre später Nachwuchskoordinator und somit sportlich verantwortlich für 200 Jungchemiker sein wird. Nach 280 Pflichtspielen für die Erste und zweite Herrenmannschaft lässt er es mittlerweile ruhiger auf dem Platz angehen und konzentriert sich voll und ganz auf seine neuen Aufgaben. Wir haben ihn getroffen.
Marcel, in den letzten Jahren warst du Nachwuchstrainer von U15 und der U17. Was hat dich bewogen, Nachwuchskoordinator zu werden?
In der letzten Saison war Felix Haag für das Kleinfeld und ich für das Großfeld zuständig. Da uns Felix seit dieser Spielzeit leider nicht mehr zur Verfügung steht, mussten eine neue Lösung gefunden werden. Da mir der Verein am Herzen liegt und ich mit den Strukturen vertraut bin, habe ich mich als Nachwuchsleiter angeboten. Der Vorstand und die sportliche Leitung haben dem zugestimmt, mir sehr viel Vertrauen entgegen gebracht. Darüber bin ich sehr dankbar.
Was gehört zu deinen konkreten Aufgaben, wie umfangreich ist dein Tätigkeitsfeld?
Zunächst einmal musste ich mich entscheiden, die U17 als Trainer abzugeben. Leicht gefallen ist mir das nicht. Es war aber notwendig, um mich hundertprozentig auf den Nachwuchs und die neuen spannenden Herausforderungen konzentrieren zu können. Dazu gehört neben organisatorischen Aufgaben vor allem, die Trainingseinheiten der einzelnen Mannschaften zu hospitieren. Dabei auf Inhalte, Umsetzungen und Abläufe zu achten und mit den Trainern regelmäßig im Austausch zu stehen. Es geht darum, dass sich alle unsere Nachwuchstrainer und ich mich selbst weiterentwickeln. Wir wollen alle voneinander lernen und uns fortbilden, um den Kindern und Jugendlichen bestmögliches Training zu garantieren.
Aktuell arbeitest du an deiner Elite-Jugend-Lizenz und warst dafür in Berlin. Was erlebt man dort?
Natürlich will ich mich immer weiterbilden. In 2017 hatte ich meine B-Lizenz erfolgreich abgeschlossen. Für dieses Jahr hatte ich mich dann für die Elite-Jugend-Lizenz angemeldet. Während sich die B-Lizenz größtenteils auf den Bereich des Kleinfeldes konzentriert, geht es in der Elite-Jugend-Lizenz eher um die Thematik Nachwuchsleistungszentrum und Großfeld. Dabei werden wichtige Faktoren in einem Nachwuchsleistungszentrum vermittelt.
Für mich war dies sehr interessant, vor allem der Austausch mit anderen Trainern, welche beispielsweise schon an einem NLZ arbeiten, ist sehr hilfreich. Hier kann man natürlich viele Ideen übernehmen und in unserem Verein einbringen.
Wo steht unser Nachwuchs und wohin soll die Reise gehen?
Unser Nachwuchs hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt. Da ist aber auch noch Luft nach oben. Unser Ziel ist es, die Spieler kontinuierlich und bestmöglich auf die Aufgaben im Herrenbereich vorzubereiten. Dabei achten wir auch auf die persönlichen Entwicklungsmerkmale, wollen zu jedem Spieler eine positive Beziehung aufbauen. Das scheint gut anzukommen. Wir konnten für diese Saison einige Spieler anderer Mannschaften beim Probetraining begrüßen und ich denke, dass ist auch ein Ergebnis unserer Nachwuchsarbeit.
Unsere Großfeldmannschaften spielen mittlerweile alle auf Landesebene. Was ist da noch möglich?
Ich denke, wir sollten hier in kleinen Schritten weiterdenken. Ja, wir haben eine tolle und schnelle Entwicklung hingelegt, aber den Ball halten wir noch flach. Wir möchten auch in den nächsten Jahren gute Nachwuchsarbeit anbieten und umsetzen. Wo es uns dann irgendwann mal hin verschlägt ist offen, aber nach oben ist natürlich immer was möglich.
Was steckt hinter der Philosophie Nachwuchsarbeit bei der BSG?
Wie schon gesagt geht es darum, die Spieler langfristig auszubilden, individuell zu fördern und zu fordern. Dabei sollen sich Trainingsziele und Schwerpunkte am biologischen und psychischen Entwicklungsstand ausrichten und die Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen gefördert werden. Die Förderung jedes Einzelnen hat Priorität – das schließt Mannschaftserfolge nicht aus. Im Gegenteil: Sie sind das Resultat ausgebildeter, spielstarker und kreativer Einzelspieler.
Mit Florian Schmidt gibt es einen Talente-Trainer. Karl-Ludwig Lehmann ist Athletik-Trainer im Großfeldbereich. Wie wichtig sind solche Positionen?
Solche Positionen sind aus meiner Sicht sehr wichtig und ich freue mich auch riesig, dass wir Florian und Karl in den Nachwuchs mit einbinden können. Für die Entwicklung der Spieler ist das wieder ein toller Schritt in die richtige Richtung. Weitere Informationen hierzu findet ihr zeitnah auf unserer Homepage.
Es heißt, dass die Konkurrenzsituation im Nachwuchsbereich immer mehr zunimmt, dass immer aggressiver um die besten Talente geworben wird. Wie siehst du das?
Leider ja. Ich habe manchmal das Gefühl, dass viele Kinder nur noch wie Maschinen behandelt werden und unter enormen Drucksituationen leiden. Man sieht es ja im Profibereich, wo bereits Millionenbeträge für Jugendliche fließen. Leider hat sich der Fußball dahingehend entwickelt. Ich persönlich finde es nicht in Ordnung. Man sollte immer unterscheiden: Gebe ich einem Talent eine Chance sich in einem Verein weiterzuentwickeln oder zwinge ich das Kind dazu immer wieder Bestleistungen zu zeigen.
Wie schwer ist der Spagat zwischen der individuellen Förderung und dem Ergebnisdenken?
Ich möchte im Nachwuchs weg vom Ergebnissport. Das Spielergebnis spielt im Nachwuchs für mich keine Rolle. Grundsätzlich ist es mir im Kleinfeld wichtig, dass immer gilt: Technik vor Taktik – hier sollen alle technischen Merkmale erlernt und geschult werden.
Im Großfeldbereich hat uns Christian Sobottka einen kurzen Einblick in die Leitlinien unserer Ersten gegeben. Mir ist wichtig, dass wir uns daran orientieren aber auch Leitlinien für die einzelnen Nachwuchsmannschaft definieren, innerhalb derer wir uns aber frei bewegen können.
Gibt es bei der BSG eine Scoutingabteilung für den Nachwuchsbereich?
Nein, die gibt es nicht. Jedoch gehen wir mittlerweile auf einzelne Vereine zu und schreiben talentierte Spieler an.
Gibt es Talente, bei denen du die Fantasie hast, die könnten in absehbarer Zeit bei Chemie den Sprung in die Erste schaffen?
In Leutzsch schlummern viele Talente. Ob sie den Sprung schaffen, werden wir sehen.
Vielen Dank, Marcel!