Gestern um 21:12 Uhr erbebte die grün-weiße Fußballwelt: Wir veröffentlichten die Mitteilung über das Karriereende von Daniel Heinze (32) am 30. Juni 2020. Umgehend füllten sich die Kommentarspalten bei Facebook und Instagram – alle Schreiber bedauerten den Abschied des aktuellen Rekordspielers der BSG. Der Dauerbrenner, eiskalte Elfmeterschütze und zweifache Derby-Torschütze Heinze über die kurzfristige Entscheidung im Büro, sein erstes Tor unter Ede Geyer und seinen größten Wunsch.
Daniel, nach 280 Spielen und 66 Toren für Chemie und seinen Vorgänger FC Sachsen ist nach 16 Jahren Leistungssport am Ende der Saison nun Schluss. Warum?
Daniel Heinze: Ach, das sind so viele Gründe. Ich habe mir so viele Gedanken gemacht, es kreiste seit Wochen bei mir. Es ist nicht so, dass ich keinen Bock mehr habe oder es körperlich nicht mehr packen würde. Aber ich habe mir überlegt, was ist das beste für den Verein, den ich liebe. Ich bin sehr selbstkritisch, ich sehe schon, dass ich mit meinen Leistungen nicht mehr ans letzte Jahr anknüpfen konnte. Also habe ich überlegt, was für den Verein das Beste ist. Ich entwickele mich nicht mehr weiter, aber junge Spieler schon, davon haben wir eine ganze Menge.
Aber viele sehen Dich derzeit als unverzichtbar als Routinier als auch als Torschütze …
Ich habe mein Ego ganz hintenangestellt, über den Tellerrand hinausgedacht. Wir wollen irgendwann nicht mehr jedes Jahr um den Klassenerhalt zittern, sondern uns weiterentwickeln, den nächsten Schritt gehen. Und da ist eine Neuorientierung wichtig. Na klar hätte ich gern die 300 Spiele vollgemacht, aber es ist nun mal so wie es ist. Und jetzt, durch die Corona-Krise, ist es vielleicht genau die richtige Zeit für einen Neuanfang.
Wann ist die endgültige Entscheidung gefallen?
Am Dienstag 12 Uhr. Ich saß im Büro am Schreibtisch (Heinze ist Personalsachbearbeiter in einer Reinigungsfirma), und dann machte es klick. 16 Uhr habe ich den Trainer angerufen und es ihm mitgeteilt. Dann habe ich Andy Müller geschrieben, der mit mir ja eigentlich noch ein Gespräch führen wollte.
16 Jahre Fußball im Männerbereich, zwölf davon in Leutzsch. Was sind die schönsten Erinnerungen?
Natürlich mein erstes Tor im Männerbereich am 19.11.2006 gegen Zwickau zum 1:1 im Zentralstadion. Trainer Ede Geyer hatte mich sehr gefördert und erst kurz zuvor aus der A-Jugend hochgeholt. Dann der Last-Minute-Aufstieg 2008, als wir gegen Greifswald noch alles klar machten. Das kam so unerwartet, das vergisst man nie. Und natürlich das Ortsderby letztes Jahr, als wir gewannen und ich mit einem schönen Tor treffen konnte – das bleibt hängen. Wie auch sieben Aufstiege, die DFB-Pokalspiele, das Flutlichtspiel und viele andere.
Da gab es also viel zu feiern…
Ich war nie der Partytyp, habe viele Feiern abgesagt. Ich war immer fokussiert, und da bin ich auch froh darüber.
Was war das Negativste?
Die Insolvenz mit dem FC Sachsen 2011, und der Abstieg vor zwei Jahren mit Chemie, als wir es sportlich zwar geschafft hatten, aber von oben Chemnitz und Erfurt wegen ihrer Insolvenzen runterkamen.
Auch als Elfmeterschütze warst Du treffsicher, ein „Eisvogel“. Woher nimmt man so viel Selbstvertrauen?
Gute Frage. Ich habe mich eben auf meine Technik verlassen, und Verantwortung zu übernehmen gehörte schon immer dazu. Gegen Lok habe ich mal einen verschossen. Im nächsten Spiel gegen Pößneck gabs wieder Elfer, der war wieder nicht drin. Der wurde aber wiederholt, und dann war er drin. Da habe ich gar nicht drüber nachgedacht, das war einfach so.
Du hast ja auch eine Menge Trainer erlebt. Von wem konnte man das meiste mitnehmen?
Ach, da hatte jeder etwas. Zuerst Hammermüller und Schößler, dann Geyer, Leitzke, Breitkopf, Heyne, Vogel, Schönitz, Demuth, jetzt Jagatic. Jeder ist anders.
Auch an prominenten Mitspielern hat es nicht gemangelt.
Ja, das stimmt, wenn man das an sich vorbei ziehen lässt… Twardzik, Oswald, Ogungbure, Gui-Mien, Racanel, Virag… Das waren schon etliche. Ja, es fällt gerade nicht leicht, man hat das gar nicht so realisiert, was alles in den letzten Jahren passiert ist.
Chemie ist Dein Verein. Wie stellst Du Dir Deine Zukunft in Leutzsch vor?
Da muss man erst mal reden, auf jeden Fall möchte ich irgendetwas machen und die Jungs auch nicht aus den Augen verlieren. Die sind mir so ans Herz gewachsen – ich bin echt überwältigt, was die mir alles geschrieben haben. Vielleicht kann ich künftigen neuen Spielern rüberbringen, welch besonderer Verein das hier ist, meine Erfahrungen mitgeben, dass das hier nicht nur eine Durchgangsstation ist.
Du wirkst sehr emotional. Bereust Du die Entscheidung schon ein wenig?
Es tut gerade sehr weh, das stimmt. Aber ich lebe jetzt damit, es macht ja keinen Sinn, es gleich wieder in Frage zu stellen. Ich hätte mir einen anderen Abgang vorgestellt, aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Ich hoffe nur, dass ich mit den Jungs noch mal auf dem Platz stehen kann. Das ist mein größter Wunsch.
Interview: Jens Fuge