Die Enttäuschung war sowohl den Spielern als auch den Verantwortlichen der BSG Chemie Leipzig am vergangenen Samstag massiv ins Gesicht geschrieben. Nach sechs Regionalliga-Spielen ohne Sieg wollte man daheim gegen das Kellerkind vom Bischofswerdaer FV definitiv den Bock umstoßen, um den Abstand zur kritischen Tabellenregion weiter zu vergrößern. Allerdings mussten sich die Chemiker nach dem Abpfiff eingestehen, dieses Ziel leider nicht erreicht zu haben. Nach einer überlegen geführten Begegnung ließ die Mannschaft von Trainer Miroslav Jagatic beste Möglichkeiten ungenutzt und musste sich daher letztlich mit einem torlosen 0:0-Unentschieden begnügen. Vorwürfe kann man der Elf kaum machen, außer, dass man vor dem gegnerischen Tor allzu fahrlässig agierte. Nichtsdestotrotz hilft der eine Zähler den Leutzschern sicherlich mehr als den Oberlausitzern, denen für eine erfolgreiche Aufholjagd um den Klassenerhalt nur Siege helfen. Mit 22 Punkten (Erfurt-Spiel noch eingerechnet) stehen die Fünfeckträger weiterhin noch über dem Strich, doch die Mannschaft braucht in nächster Zeit dringend ein Erfolgserlebnis. Vielleicht schon am morgigen Sonntag, wenn man um 13:30 Uhr beim FSV Union Fürstenwalde anzutreten hat.
Die Jagatic-Elf ist im Fürstenwalder Karl-Friedrich-Friesen-Stadion beim Tabellenfünfen mit Sicherheit nur Außenseiter, doch die Truppe hat in dieser Saison bereits mehrfach beweisen, zu was sie in der Lage ist. Für den FSV Union Fürstenwalde ist es bereits die vierte Regionalliga-Saison in Folge, in welcher man – aller Voraussicht nach – die beste Platzierung in dieser Spielklasse erreichen wird. Nach zwei 13. Plätzen (Saison 2016/17, 2018/19) und einem 9. Rang (Saison 2017/18) spielen die Brandenburger bisher eine klasse Serie – mit 33 Punkten aus 21 Begegnungen finden sich die Unioner derzeit wie erwähnt auf Tabellenposition fünf wieder. Dies ist mit Sicherheit jedoch nicht überraschend, schließlich verfügen die Fürstenwalder über eine für die Liga erstklassige Mannschaft. Im Sommer wurde reichlich Qualität hinzugeholt, welches das Leistungspotenzial in der Truppe sofort anhob. Die Neuzugänge Patrick Brendel (BFC Dynamo), Mateusz Ciapa (Bautzen), Darryl Julian Geurts (Rot-Weiß Erfurt), Joshua Putze (Sportfreunde Lotte), Paul Maurer (1. FC Köln II) oder Kemal Atici (1. FC Lokomotive Leipzig) haben sich sofort als Verstärkungen erwiesen und sich zu Leistungsträgern entwickelt.
Zu verdanken ist dies vor allem Trainer Matthias Maucksch, der trotz dieser Vielzahl von Neuzugängen binnen kurzer Zeit eine Mannschaft formte. Maucksch ist ebenfalls neu in Fürstenwalde, jedoch ist er im Verein definitiv kein Unbekannter. Für den ehemaligen Bundesliga-Akteur von Dynamo Dresden ist es bereits das dritte Intermezzo im Landkreis Oder-Spree. In der Saison 2015/16 stieg Maucksch mit den Fürstenwaldern in die Regionalliga auf, damals verlängerte er aber seinen Einjahres-Vertrag nicht. Im Januar 2017 kehrte er jedoch nach Fürstenwalde zurück und schaffte in zwei darauffolgenden Spielserien souverän den Klassenerhalt. Im Juli 2018 übernahm Maucksch den damaligen Drittligisten Sportfreunde Lotte, dort wurde er nach nur einem Punkt aus vier Begegnungen aber schnell wieder freigestellt. Dass die Qualitäten des ehemaligen DDR- Nationalspielers dennoch unbestritten sind, zeigt die Tatsache, dass er im Januar 2019 mit dem BFC Dynamo recht schnell wieder einen neuen Verein fand. Nach einer Talfahrt Ende 2018 gelang es Maucksch, den DDR- Rekordmeister wieder in ruhiges Fahrwasser (Platz 12) zu befördern, indem man eine recht ordentliche Rückrunde absolvierte. Allerdings entschied sich Maucksch nach Ende der vergangenen Saison wieder nach Fürstenwalde zu wechseln, so dass er nun in seiner dritten Amtszeit die sportlichen Geschicke beim FSV Union führt.
Dort holte er zu Saisonbeginn aus den ersten drei Begegnungen zwar nur einen Punkt, doch im Verlauf der Serie gelang es den Brandenburgern dann oft, ihr Potenzial auszuschöpfen. Durch eine aktuelle Serie von nur einer Niederlage aus den letzten neun Begegnungen hat sich der FSV erst einmal ins vordere Tabellenmittelfeld gearbeitet, wo der Verein aufgrund seines Spielermaterials definitiv auch hingehört. Prunkstück der Unioner ist zweifelsohne die Offensiv-Abteilung – mit 42 Treffern hat man den viertbesten Wert der Staffel. Hervorzuheben sind neben dem bereits angesprochenen Geurts (9 Saisontore) diesbezüglich weiterhin Kimmo Markku Hovi (9) und Nils Stettin (5). Zusammen haben diese drei Akteure mehr als die Hälfte der Fürstenwalder Treffer erzielt, was vieles über die Offensiv-Qualitäten der Mannschaft aussagt. Auch die Leutzscher können ein Lied von dem Trio singen, schließlich trafen alle drei Spieler beim deutlichen 4:1-Auswärtssieg des FSV Union Ende August vergangenen Jahres im Alfred-Kunze-Sportpark. Damals wurden die Chemiker im heimischen Wohnzimmer klassisch ausgekontert und trafen dabei auf eine extrem reife Mannschaft. Die Punktgewinne gegen die Spitzenteams Cottbus (3:3) und bei Lok Leipzig (2:2) verdeutlichen weiterhin, dass der aktuelle Tabellenstand des FSV Union definitiv nicht von ungefähr kommt. Dieser wurde durch zwei Siege im Jahr 2020 eindrucksvoll untermauert. Im heimischen Friesen-Stadion bezwang man zunächst den BFC Dynamo klar mit 3:0, ehe man am vergangenen Freitag in Nordhausen nach zwischenzeitlichem Rückstand noch mit 2:1 gewann. Dabei tappte man vor der Reise in den Südharz gewaltig im Dunkeln, durch die Insolvenz der Nordhäuser hatte man bezüglich des Kontrahenten nur wenige spärliche Informationen. Nichtsdestotrotz konnte die Maucksch-Elf den Gegner auf dem ungewohnten Kunstrasen mit 2:1 bezwingen, was zeigt, dass die Mannschaft gewachsen ist. Allerdings gibt es auch in Fürstenwalde noch etwas zu verbessern. So sammelte man in Hinrunde bisher zwei Rote und fünf Gelb-Rote Karten – in Sachen Platzverweise der Höchstwert der Liga. Doch man ist im Landkreis Oder-Spree bestrebt, auch dieses Problem recht schnell in den Griff zu bekommen.
Die Chemiker werden ihrerseits die Rolle des Außenseiters in Fürstenwalde annehmen, in der Hoffnung ein positives Ergebnis aus Brandenburg mitzubringen. Natürlich befindet sich die Elf derzeit in einer recht schwierigen Phase, doch wer die Mannschaft im Training beobachtet, ist sich sicher, dass sich das dringend benötigte Erfolgserlebnis zeitnah einstellen wird. Gegen Bischofswerda vergaß die Truppe sich leider selbst zu belohnen, Chancen für einen Heimsieg waren definitiv vorhanden. Doch Bangemachen gilt nicht, auch am Sonntag wird die Elf von Trainer Miroslav Jagatic versuchen, sich aus dieser Lage zu befreien. Doch dazu sind Treffer nötig und in dieser Kategorie ist die BSG Chemie seit vier Spielen erfolglos. Defensiv agiert die Mannschaft seit Monaten auf sehr hohem Niveau, doch leider klemmt im Spiel nach vorn oftmals die Säge. 18 Treffer aus 21 Spielen beweisen eindrucksvoll, dass die Leutzscher hier gewaltig Luft nach oben haben. Doch die Grün-Weißen treten durchaus optimistisch die Fahrt in die Domstadt an, schließlich hat die Elf vergangene Woche gegen Bischofswerda bewiesen, dass man sich genügend Tormöglichkeiten erarbeiten kann. Dass diese allerdings auch verwertet werden müssen, steht auf einem anderen Blatt Papier. Auch wenn personell noch das eine oder andere Fragezeichen vorhanden ist, hat die Jagatic-Elf in der Woche wieder sehr fokussiert trainiert und ist daher guten Mutes aus Fürstenwalde etwas mitzubringen. Zwar wird man definitiv auf Manuel Wajer (Schulter), Tomáš Petráček (Meniskus) und Philipp Wendt (Fuß) verzichten müssen, doch bietet sich dadurch die Chance für Akteure, die zuletzt etwas weniger Einsatzminuten zu verzeichnen hatten. Die gegen Bischofswerda fehlenden Marc Böttger und Björn Nikolajewski werden wieder in den Kader hinzustoßen, auch Raffael Cvijetkovic steht seit dieser Woche wieder im Mannschaftstraining.
Wichtig wird es sein, defensiv wieder kompakt zu stehen und in der Offensive ebenfalls Akzente setzen zu können. Im Hinspiel kassierte man bittere drei Konter-Gegentore – so blauäugig möchte man am Sonntag keinesfalls wieder agieren. Daher ist eine gute Balance zwischen Offensive und stabiler Defensive von Nöten. Recht schnell möchte man über die Zweikämpfe ins Spiel finden und im Offensivbereich mit Mut, Ideen und Spielwitz den Gegner vor diverse Probleme stellen. Dass die Mannschaft das Potenzial dazu hat, wurde bereits öfters demonstriert. Nur gilt es, diese Fähigkeiten auch im Wettkampf umzusetzen, was der Elf zuletzt etwas schwerfiel. Sollte dies gelingen, ist auch in Fürstenwalde definitiv etwas möglich – Punkte würden der BSG in der derzeitigen Situation richtig gut zu Gesicht stehen. Je eher man sich von der kritischen Tabellenregion absetzen kann, umso besser. Doch dazu bedarf es einer Steigerung im Vergleich zu den vergangenen Wochen.
Mit Schiedsrichter Matthias Lämmchen hatten die Chemiker in dieser Saison bereits Erfahrung – beim torlosen 0:0-Remis in Bischofswerda war der Meuselwitzer die Spielleitung verantwortlich. Ihm zur Seite stehen Michael Wilske (Bretleben) und Tarik El-Hallag (Jena), die Lämmchen an den Linien assistieren. Auch dem Unparteiischen-Gespann wünschen wir ein gutes Spiel und immer ein glückliches Händchen.
Tom Rietzschel