Mit 19 Punkten aus 16 Spielen hat Chemie Leipzig die Hinrunde der Regionalliga quasi abgeschlossen. (Das am vergangenen Sonntag durch Einwände der Polizei abgesagte Heimspiel gegen den Berliner FC Dynamo wurde vom NOFV für Sonntag, den 26. Januar 2020 um 13:30 Uhr neu angesetzt.) Nichtsdestotrotz sind die Leutzscher im Kalenderjahr 2019 noch zweimal gefordert, da zwei Partien der Rückrunde noch auf dem Plan im Dezember stehen. Dabei empfangen die Schützlinge von Trainer Miroslav Jagatic zunächst am Sonntag um 13:30 Uhr im heimischen Alfred-Kunze-Sportpark den Tabellenfünften FSV Wacker Nordhausen. Ziel ist es, bis zur Winterpause noch den einen oder anderen Punkt zu holen, um den Druck auf die derzeit abstiegsgefährdeten Mannschaften weiter aufrecht zu erhalten. Sollte dies gelingen, hätten sich die Fünfeckträger eine klasse Ausgangsposition für die Rückrunde erarbeitet.
So gehen die Leutzscher mit sehr viel Optimismus das kommende Heimspiel gegen Wacker Nordhausen an, wohl wissend, dass diese Aufgabe alles andere als einfach wird. Personell sind die Südharzer klar besser besetzt, vor der Saison wurden die Thüringer als einer der heißen Staffelfavoriten angesehen. Doch in Nordhausen bestimmen in jüngster Zeit nicht unbedingt sportliche Schlagzeilen die Szenerie. Aktuell auf Tabellenposition fünf platziert, sickerten beim FSV in den letzten Tagen schwere wirtschaftliche Probleme durch – für Regionalliga-Verhältnisse sind die derzeitigen finanziellen Rückstände schon immens. Seit Jahren versuchen die Nordhäuser mit einem personell hochwertigen Kader den Aufstieg in die 3. Liga in Angriff zu nehmen, geschafft hat man dies bisher nicht. Auch im Sommer hatte man sich in Sachen Personal nochmals verstärkt, allerdings ging die Rechnung insgesamt nicht auf. Bereits in der vorigen Woche tauchten erste Meldungen auf, in denen auf die finanziellen Probleme beim Nachfolgerverein der einstigen BSG Motor Nordhausen hingewiesen wurde. Dies sollte in den letzten Tagen nochmals bekräftigt werden, die Zahlungsrückstände an Spieler, Krankenkassen, Berufsgenossenschaft und ans Finanzamt sind allgegenwärtig. In sportlicher Hinsicht ließen diese Probleme die Mannschaft ebenfalls nicht unberührt – die beiden vergangenen Begegnungen beim BFC Dynamo (1:3) und daheim gegen Viktoria Berlin (0:1) gingen jeweils verloren. Laut Wacker-Präsident Nico Kleofas arbeite man „Tag und Nacht, die Situation zu entspannen“, doch scheint man in Nordhausen bezüglich einer Lösung noch nicht entscheidend vorangekommen zu sein. Nach einer vor kurzem abgehaltenen Vorstandssitzung wurde Präsident Kleofas nahegelegt, umgehend einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen, da man sich nach Sichtung erster Unterlagen in einer Zahlungsunfähigkeit befindet.
Wie die folgende Strategie Wackers nun aussieht, ist noch völlig offen. Das Verfahren wurde bisher noch nicht eröffnet – unbekannt ist weiterhin, wie die sportliche Ausrichtung der Nordhäuser für die Rückrunde aussieht. Einig ist man sich im Verein nur in der Hinsicht, verstärkt auf den eigenen Nachwuchs setzen zu wollen. Spielerabgänge in der Winterpause liegen dabei im Bereich des Möglichen, auf der Trainerposition gab es bereits Anfang der Woche eine Änderung. Der bisherige Cheftrainer Heiko Scholz übernahm ab Dienstag interimsmäßig das Zepter beim abstiegsgefährdeten Zweitligisten Dynamo Dresden – nach der Inthronisierung eines neuen Chefcoachs wird Scholz dann als Co-Trainer bei Dynamo arbeiten. Als Nachfolger auf der sportlichen Kommandobrücke präsentierten die Verantwortlichen des FSV Wacker Nordhausen kurzerhand die Vorgänger von Heiko Scholz. Ab sofort sind Tino Berbig und Matthias Peßolat für die Mannschaft verantwortlich. Berbig ist zusätzlich in Personalunion noch Sportlicher Leiter, Peßolat war unter Scholz bereits Assistenztrainer. Für das neue (alte) Trainerduo wird es nun wichtig sein, wieder für Ruhe in der Mannschaft zu sorgen, auch wenn dies bei den aktuellen Problemen natürlich leichter gesagt als getan ist.
Vom Kader her sind die Südharzer definitiv als Spitzenteam anzusehen, auch wenn man im Verlauf der Hinrunde mit Jan Glinker, Jan Löhmannsröben und Sebastian Heidinger bereits drei Leistungsträger disziplinarisch belangt hat, welche bis heute keine Rolle mehr im Kader spielen. Nichtsdestotrotz hat man beispielsweise mit Carsten Kammlott, Lucas Scholl, Nils Pichinot, Oliver Genausch, Kapitän Tobias Becker oder Joy-Lance Mickels außerordentliche Qualität im Kader, die in der Regionalliga ihresgleichen sucht. Vor allem im Offensivbereich gibt es kaum Mannschaften, die den Nordhäusern das Wasser reichen können. 37 Treffer aus 17 Spielen bedeuten nach Hertha BSC II (47), Altglienicke (44) und Cottbus (41) den viertbesten Wert in der Staffel, wo vor allem Nils Pichinot mit bisher zehn Saisontreffern immer wieder seine Torgefährlichkeit unter Beweis stellt. Allerdings traten im bisherigen Saisonverlauf immer wieder Ergebnisschwankungen auf, sechs Niederlagen sind für solch eine Spitzenmannschaft eigentlich zu viel. Hier überraschten sowohl die Niederlagen in Lichtenberg (1:5) und in Auerbach (2:5), da diese zudem recht deutlich ausfielen. Nichtsdestotrotz gehen die Nordhäuser zweifelsohne als Favorit in die Begegnung mit der BSG Chemie. Ungeachtet der finanziellen Probleme im Verein möchte die Mannschaft wenigstens in sportlicher Hinsicht den negativen Schlagzeilen trotzen.
Die Leutzscher können ihrerseits mit der Außenseiterrolle für diese Begegnung sehr gut leben und wollen sich im letzten Heimspiel des Kalenderjahres noch einmal würdig von ihrer treuen Fanschar verabschieden. Die bisherige Saison lief für die Grün-Weißen bisher sehr gut, nicht viele hätten der Mannschaft 19 Punkte aus 16 Spielen zugetraut. Vor allem im Herbst rief die Elf sehr oft ihr Potenzial ab – die Erfolge über Lok Leipzig, Auerbach (jeweils 2:0) und in Rathenow (1:0) brachten dem Team neben dem Punktezuwachs auf dem Konto zusätzliches Selbstvertrauen. Die Truppe ist in der Regionalliga definitiv angekommen, auch von einzelnen Rückschlägen ließ man sich nicht aus der Bahn werfen. Die Trainingsbeteiligung ist sehr gut, das Mannschaftsklima bestens – dies sind allesamt Faktoren für eine positive Rückrunde.
Beim Hinspiel in Nordhausen holten die Fünfeckträger beim torlosen 0:0-Unentschieden einen Punkt und setzten in der Saison gleich zu Beginn das erste Achtungszeichen. Damals waren solch Komponenten wie eine kompakte Defensive sowie schnelles Umschalten nach Ballgewinn die Basis für den Auswärtspunkt, welche auch am Sonntag absolut zum Tragen kommen sollen. Mit der Unterstützung des frenetischen Publikums möchte man dem Favoriten einen offenen Kampf liefern und natürlich Zählbares aus diesem Heimspiel mitnehmen. Wie dies gehen kann, hat die zweite Halbzeit beim Berliner AK gezeigt, als man sich im Vergleich zu den vergangenen Partien extrem verbessert zeigte und absolut verdient einen Punkt aus der Hauptstadt entführte. Doch dazu bedarf es am Sonntag einer ähnlichen Vorstellung – nur wenn die Mannschaft als Einheit auftritt und sich gegenseitig pusht wird man erfolgreich sein. Neben einer stabilen Defensive wird es weiterhin sehr wichtig sein, im Offensivbereich mit dem nötigen Mut zu agieren. Dies wurde beim BAK in den zweiten 45 Minuten eindrucksvoll demonstriert, so dass die Elf sofort bedeutend besser aussah, als mit dem „Flughafen-Fußball“ in Hälfte eins. Sicherlich wird auch am Sonntag nicht alles gelingen, doch wird die Jagatic-Elf bis zum Schlusspfiff alles in die Waagschale werfen, um etwas Positives aus diesem Heimspiel mitzunehmen.
Personell sieht es im Vergleich zu den letzten Begegnungen ähnlich aus. Marc Böttger und Philipp Wendt fehlen weiterhin langzeitverletzt, auch Tomás Petrácek (Knieprobleme) und Valentino Schubert (krank) werden definitiv nicht zur Verfügung stehen. Sollte in den Abschluss-Einheiten nichts mehr Gravierendes passieren, wird der restliche Kader jedoch zur Verfügung stehen. Und dieser ist mit Sicherheit gut genug, um den favorisierten Gästen einen richtigen Fight im Alfred-Kunze-Sportpark zu liefern.
Ebenfalls möchten wir es nicht versäumen, das Schiedsrichter-Kollektiv recht herzlich in Leipzig-Leutzsch zu begrüßen. Geleitet wird die Partie von Henry Müller aus Cottbus, welcher bis zur letzten Saison noch Spiele der 3. Liga leitete. An Erfahrung wird es dem 31-jährigen diesbezüglich definitiv nicht fehlen – seit Jahren zählt Müller zu den besten Unparteiischen im NOFV-Gebiet. An den Linien wird der Brandenburger unterstützt von Philipp Kutscher (Berlin) und Robin Enkelmann (Blankenburg). Wir wünschen dem Unparteiischen-Trio ebenfalls ein gutes Spiel und immer ein gutes Händchen.