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ERSTE

Es ist angerichtet – Das 103. Leipziger Derby steht an

By 5. Oktober 2019Oktober 10th, 2019No Comments

Hart umkämpft waren alle Partien der letzten Jahre. (Foto: Christian Donner)

Seit Wochen spricht ganz Fußball-Leipzig nur über diese eine Begegnung, am morgigen Sonntag ist es endlich soweit. Wenn um 13:05 Uhr der Anpfiff ertönt, wird zwischen der BSG Chemie Leipzig und dem 1. FC Lokomotive Leipzig die Geschichte dieses prestigereichen Duells um das 103. Kapitel erweitert werden. Aufgrund der Tabellenkonstellation sind die Vorzeichen in diesem Derby ganz klar verteilt. Lok Leipzig geht als klarer Favorit in diese Begegnung, doch die Chemiker werden den Blau-Gelben über die 90 Minuten einen offenen Kampf liefern und alles in die Waagschale werfen, um Zählbares aus diesem Duell mitzunehmen. Diese Derbys haben meist ihre eigenen Gesetze, dementsprechend wird die Elf von Trainer Miroslav Jagatic beim maximalen Ausschöpfen der eigenen Möglichkeiten mit Sicherheit nicht chancenlos sein.

Schon im Vorfeld trägt dieses 103. Derby einen äußerst faden Beigeschmack, was mehr als bedenklich stimmt und dem Fußball generell nicht guttut. Wie bereits im letztjährigen Sachsenpokal-Duell findet die Partie erneut ohne Gäste-Fans statt. Nachdem sich beide Vereine über ein Kontingent von 500 Karten für den 1. FC Lok geeignet hatten, legten allerdings die Polizei und Ordnungsbehörden diesbezüglich ihr Veto ein und legten eine Reduzierung auf 250 Gäste-Anhänger fest. Damit konnte man sich im Probstheidaer Lager verständlicherweise jedoch nicht anfreunden und verkündete daraufhin ohne Fans in den Alfred-Kunze-Sportpark anzureisen.

Für den Fußball in Leipzig ist dieser Sachverhalt erneut ein riesengroßes Armutszeugnis, wobei man die Reaktion des 1. FC Lok Leipzig durchaus nachvollziehen kann. In ganz Deutschland werden Derbys ausgetragen, indem die beteiligten Vereine zusammen mit den zuständigen Behörden und Verbänden sowie der Polizei gemeinsam eine Strategie entwickeln, wie dieser Spiele störungsfrei über die Bühne gehen können. Natürlich werden dabei Kompromisse geschlossen, doch letztlich können alle Beteiligten mit dem Gesamtergebnis leben. Warum dies ausgerechnet in Leipzig, seines Zeichens Gründerstadt des Deutschen Fußball-Bundes, nicht möglich ist, scheint sehr schwer nachvollziehbar und wirft natürlich Fragen auf. Fußball, vor allem ein Derby, lebt von Emotionen auf dem Spielfeld sowie auf den Rängen. Mit dieser behördlichen Entscheidung ist ein großes Stück des Leipziger Derbys genommen worden.

Vom Sportlichen her ist der bisherige Saisonverlauf des 1. FC Lokomotive Leipzig als absolut bemerkenswert zu betrachten. Nach zehn Spieltagen ist die Elf von Trainer Björn Joppe bisher noch ungeschlagen – neben sechs Siegen stehen vier Unentschieden zu Buche. Punktgleich mit dem Spitzen-Duo Hertha BSC II und VSG Altglienicke (alle 22 Zähler) stehen die Probstheidaer derzeit auf Tabellenposition drei und haben mit dem positiven Saisonstart den Grundstein für eine erfolgreiche Serie gelegt. Dabei hatten die Blau-Gelben bereits im vergangenem Spieljahr auf eine ähnliche Erfolgsserie gehofft, doch die Realität sah ganz anders aus. Mit der Umstellung auf Profitum sollte ganz oben in der Regionalliga angegriffen werden, dann aber machte eine katastrophale Hinrunde dem Vorhaben einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. So wurde der langjährige Trainer Heiko Scholz Ende September 2018 nach acht Punkten aus den ersten neun Spielen freigestellt, erst unter seinem Nachfolger Björn Joppe (vorher Nachwuchsleiter im Verein) kam der Verein in ruhiges Fahrwasser zurück. Letztlich belegte Lok Leipzig in der abgelaufenen Saison den 6. Rang, im Kampf um die Spitzenposition in der Regionalliga war man in der Endkonsequenz aufgrund der miserablen ersten Halbserie jedoch sehr weit entfernt.

Allerdings nahm die Elf aus dem Bruno-Plache-Stadion den Schwung aus der Rückrunde mit in die neue Saison. Unter dem neuen Sportdirektor Wolfgang Wolf (ehemaliger Bundesliga-Profi beim 1. FC Kaiserslautern, Stuttgarter Kickers) wurde der Kader punktuell ergänzt, wobei man mit den Verpflichtungen von Aykut Soyak (Viktoria Berlin), Stephane Mvibudulu (Sonnenhof Großaspach, vorher an Rot-Weiß Erfurt ausgeliehen), Romario Hajrulla (ZFC Meuselwitz), Leon Heynke (1. FC Magdeburg, vorher an Germania Halberstadt ausgeliehen) und Milan Senic (SC Düsseldorf-West) die Qualität des Kaders weiterhin steigern konnte. Da fiel auch nicht allzu groß ins Gewicht, dass mit Ryan Malone (VfB Lübeck) und Lovro Sindik (Inter Leipzig) zwei Leistungsträger den Verein verließen. So startete die Joppe-Elf in dieser Saison frühzeitig durch und das, obwohl die Vorbereitung sehr stotternd verlief. Dabei konnte das Team vor allem gegen die Spitzen-Mannschaften der Liga ihre Fähigkeiten abrufen – gegen Hertha BSC II (2:1), Viktoria Berlin (2:0), Energie Cottbus (3:2 nach 0:2-Rückstand) und Wacker Nordhausen (4:3) konnte man jeweils die volle Punktzahl einfahren. Dass man zusätzlich gegen spielerisch gute Mannschaften wie Rot-Weiß Erfurt und den Berliner AK (jeweils 2:2) weiterhin Teilerfolge verbuchen konnte, beweist eindrucksvoll, dass die Truppe sehr gefestigt und mit äußerst viel Selbstvertrauen ausgestattet ist. Hervorzuheben ist dabei die stabile Defensive – mit erst elf Gegentoren hat man nach Viktoria Berlin (6) und Union Fürstenwalde (9) zusammen mit dem SV Lichtenberg 47 die drittbeste Abwehr der Staffel. Und dies, obwohl mit Benjamin Kirsten ihr Stammtorhüter seit Saisonbeginn verletzungsbedingt nicht zur Verfügung steht. Doch auch im Spiel nach vorn weiß die Elf bisher zu überzeugen. Neben den angesprochenen Soyak (5 Saisontreffer), Hajrulla (3) und Mvibudulu (1) hat Trainer Joppe mit Matthias Steinborn (2) und Djamal Ziane (3) genügend Offensiv-Optionen in den eigenen Reihen, welche allesamt wissen, wo das Tor steht. Vor allem bei Standardsituationen haben die Blau-Gelben eine enorme Qualität – nach Ecken oder Freistößen, meist von Neuzugang Soyak serviert, hat die Lok-Elf schon diverse Treffer in dieser Saison erzielt.

Die Leutzscher können ihrerseits mit der Rolle des Underdogs sehr gut leben und werden sich in den 90 Minuten sicherlich zerreißen. Von Beginn an soll der Funke auf die eigenen Fans überspringen, sodass man mit der bedingungslosen Unterstützung von den Rängen dem Favoriten einen offenen Kampf liefern will. Grundlage für ein erfolgreiches Spiel ist jedoch eine enorme Zweikampfintensität und eine hohe Laufbereitschaft. Die Gäste werden spielerisch sicherlich die etwas feinere Klinge schlagen, demzufolge müssen die Chemiker von Beginn an mit ihrer Kampfkraft dagegenhalten. Ziel muss es sein, mit voller Vehemenz das eigene Tor zu verteidigen und den Gästen frühzeitig das „Fußballspielen“ zu verderben. Dass man defensiv zu Null spielen kann, hat die Elf am vergangenen Sonntag in Erfurt (0:0) bewiesen, als man nach neun Gegentoren in drei Begegnungen wieder einmal den eigenen Kasten sauber halten konnte. Zweifellos hatte man in Thüringen das eine oder andere Mal auch das nötige Glück gepachtet, doch die Mannschaft hatte sich dies aufgrund ihres nimmermüden Aufwandes auch verdient. Auch gegen die Probstheidaer wird eine resolute Defensivarbeit von ganz entscheidender Bedeutung sein, doch gilt es in diesem Derby auch im Vorwärtsgang die eigenen Möglichkeiten zu suchen. Wichtig wird es sein, gegen solch ein Spitzenteam die richtige Balance zu finden – gegen Altglienicke, Fürstenwalde oder Hertha BSC II hatten die eigenen Offensivbemühungen große Auswirkungen auf die defensive Stabilität. Dies soll gegen Lok Leipzig nicht passieren, Trainer Miroslav Jagatic hat sich den Gegner mit seinem Assistenten Christian Sobottka am vergangenen Freitag beim Heimsieg über Nordhausen selbst noch einmal angesehen. Demzufolge gehen die Chemiker gut vorbereitet in dieses Derby – der letztwöchige Punktgewinn in Erfurt hat der Elf noch einmal zusätzliches Selbstvertrauen verliehen. Die Truppe weiß selbstverständlich über die Schwere der Aufgabe, doch auf der anderen Seite ist sie sich drüber im Klaren, dass in einem Derby alles möglich ist.

Personell sieht es bei den Fünfeckträgern insgesamt weiterhin ganz gut aus. Zwar fehlen noch Marc Böttger, Philipp Wendt und Florian Kirstein verletzungsbedingt, doch steht der Rest des Kaders für das Derby zur Verfügung. Dies trifft auch für Kapitän Stefan Karau zu, der seine Rote Karte vom Spiel gegen Hertha BSC II vergangenen Sonntag in Erfurt abgesessen hat.

In den letzten vier Begegnungen gegen Lok Leipzig gestalteten die Leutzscher das Spielgeschehen weitesgehend auf Augenhöhe, doch die Probstheidaer hatten fast immer das bessere Ende für sich. Im November 2016 siegte Regionalligist Lok im Sachsenpokal-Viertelfinale beim damaligen Oberligisten Chemie kurz vor Ende der Verlängerung mit 1:0 (Tor: Watahiki, 117.). Auch im vergangenen Jahr unterlagen die Chemiker im Sachsenpokal-Viertelfinale gegen den 1. FC Lok knapp mit 0:1 (Tor: Steinborn, 75.), obwohl die damals unterklassigen Leutzscher bis zum Gegentreffer die besseren der wenigen Möglichkeiten besaßen. Auch in der Regionalliga-Saison 2017/18 kreuzten beide Leipziger Vereine die Klingen. Zum Auftakt-Spieltag (29.07.2017) gewann Lok in Leutzsch mit 1:0 (Tor: Zickert, 34.), beim Rückspiel in Probstheida (22.11.2017) trennten sich beide Teams torlos 0:0.

Schiedsrichter des 103. Leipziger Derbys ist der 26jährige Steven Greif aus dem thüringischen Westhausen. Der für den FSV Wacker Gotha pfeifende Referee ist seit der Saison 2016/17 in der Regionalliga eingestuft und war in der neuen Serie bereits vier Mal in dieser Spielklasse im Einsatz. Zuletzt pfiff Greif die Begegnung zwischen dem FC Viktoria Berlin und dem FC Energie Cottbus (0:0). Auch mit dem Alfred-Kunze-Sportpark hatte der Thüringer in dieser Saison schon seine Berührungspunkte, war er beim Leutzscher Heimspiel gegen Hertha BSC II (1:3) als Schiedsrichter-Assistent angesetzt. An den Linien wird der Unparteiische assistiert von Richard Hempel (Großnaundorf) und Benjamin Seidl (Langenbernsdorf). Wir wünschen dem Spielleiter mit seinen Assistenten ebenfalls ein gutes Spiel und über die komplette Spielzeit immer das richtige Händchen.

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