Nach den zwei Niederlagen gegen die Spitzenteams VSG Altglienicke (2:3) und Hertha BSC Berlin II (1:3) hat Chemie Leipzig den leichten Abwärtstrend stoppen können. Beim unmittelbaren Tabellennachbarn FC Rot-Weiß Erfurt errang die Mannschaft von Trainer Miroslav Jagatic mit einem torlosen 0:0-Unentschieden vor 4882 Zuschauern zumindest einen Teilerfolg, was Mut für die kommenden Aufgaben macht. Zwar waren die Thüringer über die gesamten 90 Minuten die klar spielbestimmende Mannschaft, doch die Leutzscher verteidigten mit allergrößter Leidenschaft und hatten mit Benjamin Bellot einen überragenden Torhüter zwischen den Pfosten.
Aufgrund des Spielverlaufs nehmen die Chemiker diesen Zähler letztlich gern mit. Nach neun Gegentoren aus den letzten drei Spielen stand diesmal endlich wieder die Null, womit man den Grundstein für diesen wichtigen Auswärtspunkt legte. Dass die Elf im Offensivspiel zulegen muss, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Ziel war es in Erfurt mit einer kompakten und stabilen Defensivleistung zum Erfolg zu kommen – mit einem Remis wurde letztlich dieses Ziel erreicht.
Nach der Gegentor-Flut in den letzten Begegnungen setzte Chemie-Trainer Miroslav Jagatic in Erfurt auf Altbewährtes. Ähnlich wie zu Saisonbeginn, als man in Nordhausen und daheim gegen Viktoria Berlin (jeweils 0:0) durch stabile Defensivleistungen zu Punktgewinnen kam, wollte der Leutzscher Coach auch in der thüringischen Landeshauptstadt zum Erfolg kommen. So lag der Fokus eindeutig darin, mit resoluter Zweikampfintensität, großer Laufbereitschaft und jeder Menge Leidenschaft das eigene Tor zu verteidigen.
So ging die Partie frühzeitig in eine Richtung. Erfurt erarbeitete frühzeitig eine klare Feldüberlegenheit, die Leutzscher waren bereits in der Anfangsphase nahezu ausschließlich mit Abwehraufgaben beschäftigt. Bereits nach sechs Minuten musste Benjamin Bellot erstmals eingreifen, als sich Marc Brasnic zunächst an Valentino Schubert vorbei mogelte, anschließend jedoch am Chemie-Torhüter scheiterte (6.). Wenig später versuchte sich Brasnics Sturmpartner Selim Aydemir mit einem Flachschuss, doch auch hier packte Bellot sicher zu (16.).
Allerdings war es das schon, was die Gastgeber in der Anfangsphase vor dem Tor zu bieten hatten. Die Grün-Weißen verengten immer wieder geschickt die Räume, gingen keinem Zweikampf aus dem Weg und konnten so immer wieder den Erfurter Spielfluss zerstören. Doch bei aller defensiver Kompaktheit der BSG war natürlich zweifelsfrei zu erkennen, dass dies deutlich zu Lasten der eigenen Offensivbemühungen ging. Viel zu schnell wurden im Vorwärtsgang die Bälle verloren, im Spiel nach vorn kam die Jagatic-Elf nicht über Ansätze hinaus. Nach einem Distanzschuss von Daniel Heinze (drüber, 14.) wurde man einzig mit einem Schuss von Tomáš Petráček gefährlich, doch nach gutem Heinze-Zuspiel setzte der tschechische Neuzugang die Kugel über den Kasten (15.).
Ansonsten spielte nur Erfurt, im Leutzscher Offensivspiel fehlte es einfach an Ruhe, Mut und Überzeugung. Sämtliche gewonnenen Bälle kamen sofort als Bumerang zurück, dennoch verstand es die Elf durch eine sehr aufopferungsvolle Defensivarbeit kaum zwingende Möglichkeiten der Gastgeber zuzulassen. Einzig Alexander Schmitt bedrohte mit einem Linksschuss das BSG-Gehäuse, hier aber zischte die Kugel knapp am langen Pfosten vorbei (39.). Ansonsten ist die Geschichte der ersten Hälfte schnell erzählt. Erfurt zwar unverkennbar feldüberlegen, doch nicht zwingend genug im letzten Drittel – Chemie im Vergleich zu den letzten Spielen defensiv deutlich stabiler, doch im Spiel nach vorn viel zu harmlos.
Auch im zweiten Durchgang sollte sich am Spielverlauf recht wenig ändern. Erfurt blieb die spielerisch klar dominierende Mannschaft, die Leutzscher hielten mit enormem Kampfgeist dagegen. Doch kurz nach Wiederanpfiff hing der Zwischenstand aus BSG-Sicht am seidenen Faden, als Marc Brasnic über die Stationen Rico Gladrow und Morten Rüdiger zu einer guten Einschussmöglichkeit kam, Benjamin Boltze in Gemeinschaftsproduktion mit Schlussmann Benjamin Bellot den Leutzscher Rückstand jedoch verhindern konnte (46.). Als Alexander Schmitt aus der Distanz abzog, hatten viele der RWE-Fans bereits den Torschrei auf den Lippen, doch es fehlten hier die berühmten Zentimeter (56.).
Auch in der Folgezeit blieb im Leutzscher Offensivspiel vieles Stückwerk, allerdings besaß die Jagatic-Elf urplötzlich die Möglichkeit zum Führungstreffer. Nach einem Fehlpass von Danilo Dittrich schaltete Alexander Bury blitzschnell um und schickte Tomáš Petráček auf die Reise, aber von Pierre Becken bedrängt scheiterte der Tscheche aus spitzem Winkel am Erfurter Schlussmann Jannick Theißen (62.). Dies war jedoch die einzige klare Gelegenheit der Chemiker in den gesamten 90 Minuten, gefährlicher waren zweifelsohne die Gastgeber, ohne jedoch richtig zwingend zu werden. Bei einem Distanzschuss von Danilo Dittrich packte Bellot abermals resolut zu (66.), nach einer flachen Eingabe von Morten Rüdiger antizipierte der Leutzscher Keeper die Situation herausragend und rettete in höchster Not vor dem einschussbereiten Sinisa Veselinovic (76.). So stand der Chemie-Torhüter fortan mehr und mehr im Mittelpunkt des Geschehens, doch mit seiner stoischen Ruhe meisterte er sowohl auf der Linie als auch in der Strafraumbeherrschung jegliche Situation. Nach einer etwas zu kurzen Kopfballrückgabe von Manuel Wajer war Bellot einen Schritt schneller als der durchgelaufene Sinisa Veselinovic (79.), nach einer Flanke von Lucas Surek scheiterte Alexander Schmitt per Kopf am gut postierten BSG-Keeper (83.).
Die Leutzscher sehnten fortan nur noch den Schlusspfiff herbei, Entlastungsangriffe waren mittlerweile völlige Fehlanzeige. Resolut gingen die Leutzscher in jeden Zweikampf, mit großer Entschlossenheit sollte in der Schlussphase der kostbare Punkt verteidigt werden. Allerdings hätte man diesen einen Zähler kurz vor dem Abpfiff um ein Haar nahezu fahrlässig noch aus der Hand gegeben. Ein eigener Abstoß kam prompt als Bumerang zurück, wobei Selim Aydemir nach einer Kopfballverlängerung von Veselinovic allein auf Benjamin Bellot zulief, der Leutzscher Schlussmann jedoch den Braten roch und den Lupfer-Versuch von Aydemir problemlos entschärfte (90.). Fast hätten sich die Chemiker dadurch um den eigenen Lohn gebracht, heute aber sollten die Grün-Weißen letztlich auch mal das nötige Glück auf ihrer Seite haben. So blieb es letztlich beim torlosen 0:0-Unentschieden – ein Punkt, welcher den Leutzschern definitiv mehr hilft als den Thüringern. Die Gastgeber haderten im Anschluss an der fehlenden Effektivität vor dem Tor und sprachen von verlorenen zwei Zählern. Für die Chemiker ist dieser Teilerfolg in Bezug auf die kommenden Aufgaben extrem wichtig. Das Spiel in Erfurt hat gezeigt, dass man in der Regionalliga bestehen kann. Dies gelingt allerdings nur, wenn man geschlossen als Kollektiv auftritt. Dass im Offensivspiel noch allerhand Luft nach oben ist, bleibt jedoch unbestritten. Alles in allem gibt dieser Punktgewinn der Elf von Trainer Miroslav Jagatic Zuversicht für das Leipziger Derby, welches am Sonntag um 13:00 Uhr im Alfred-Kunze-Sportpark stattfindet. Natürlich ist der 1. FC Lokomotive Leipzig am Wochenende in Leutzsch Favorit, aber Derbys haben meist ihre eigenen Gesetze. Sollten die Chemiker das Derby ähnlich engagiert bestreiten wie das Spiel bei Rot-Weiß Erfurt, sind die Grün-Weißen definitiv nicht chancenlos.
FC Rot-Weiß Erfurt – BSG Chemie Leipzig 0:0
FC Rot-Weiß Erfurt: Jannick Theißen – Lukas Novy, Petar Lela, Pierre Becken (77. Lucas Surek), Francis Adomah – Danilo Dittrich, Alexander Schmitt – Rico Gladrow – Selim Aydemir, Marc Brasnic (65. Sinisa Veselinovic), Morten Rüdiger; Trainer: Thomas Brdaric
BSG Chemie Leipzig: Benjamin Bellot – Valentino Schubert (46. Florian Schmidt), Björn Nikolajewski, Benjamin Schmidt, Manuel Wajer – Alexander Bury, Daniel Heinze, Tommy Kind (70. Andy Wendschuch), Benjamin Boltze, Raffael Cvijetkovic (63. Max Keßler) – Tomáš Petráček; Trainer: Miroslav Jagatic
Tore: Fehlanzeige
Schiedsrichter: Pascal Wien (Berlin) – Schiedsrichter-Assistenten: Philipp Kutscher, Tom Channir (beide Berlin)
Zuschauer: 4882 im Steigerwaldstadion zu Erfurt (ca. 1500 Chemiker)