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ERSTE

Chemie gut gewappnet fürs 103. Leipziger Derby

By 13. Dezember 2018August 21st, 2019No Comments

Fighten wie vor zwei Jahren – und diesmal gewinnen wir! (Foto: Christian Donner)

Nach fünf Spielen ohne Sieg hat die BSG Chemie Leipzig am vergangenen Samstag im letzten Meisterschaftsspiel vor der Winterpause ein deutliches Achtungszeichen gesetzt. Nach der Freistellung des langjährigen Erfolgstrainers Dietmar Demuth gewannen die Leutzscher ihr Heimspiel gegen den Aufsteiger SV Blau-Weiß Zorbau klar mit 6:1 (4:0) und bescherten für Interimscoach Christian Sobottka damit einen perfekten Einstand. Im Vergleich zu den letzten Wochen waren die Chemiker vor allem in spielerischer Hinsicht kaum wieder zu erkennen, auch wenn man die schwache Gegenwehr des Neulings dabei berücksichtigen muss. Nichtsdestotrotz sind sechs Treffer erst einmal eine Ansage – dieser Heimsieg war Balsam auf die geschundene Leutzscher Seele, nachdem die Mannschaft in den vergangenen Spielen nur allzu selten das vorhandene Potenzial abrufen konnte. Mit der gleichzeitigen Heimniederlage des Spitzenreiters FSV Luckenwalde (0:1 gegen Ludwigsfelde) sind die Grün-Weißen nun punktgleich mit den Brandenburgern und überwintern nur aufgrund der schlechteren Tordifferenz auf dem Vizerang. Für die BSG kommt es allerdings nun darauf an, diesen Heimerfolg richtig einzuordnen, auch wenn nach dem Kantersieg eine gewisse Euphorie im Umfeld natürlich wieder zu spüren ist. Allerdings hat sich die Truppe mit dem letztwöchigen Sieg allerhand Selbstvertrauen erarbeitet, was für die letzte Aufgabe im Jahr 2018 gerade recht kam. Am Wochenende dürfte der Alfred-Kunze-Sportpark wieder aus allen Nähten platzen, schließlich kommt es im Viertelfinale des Wernesgrüner-Sachsenpokals zum Duell mit dem 1. FC Lokomotive Leipzig. Dieses Derby stellt einen gebührenden Abschluss unter eine sehr positive Hinrunde dar, völlig ohne Druck kann die Mannschaft von Interimstrainer Christian Sobottka dieses Spiel angehen und wird dem Favoriten einen offenen Kampf liefern. Der Anstoß erfolgt am Samstag um 12:05 Uhr.

Nach der Rückkehr in die Regionalliga mit den Plätzen 10 und 6 hatte der 1. FC Lokomotive Leipzig für die Saison 2018/19 Großes vor. Mit der Umstellung auf Profitum sollte der große Wurf gelingen, im Kampf um den Aufstieg in die 3. Liga wollten die Probstheidaer ein gewaltiges Wort mitreden. Dank der finanziellen Unterstützung ihres Hauptsponsors stellte man die Weichen auf professionelle Bedingungen, Trainer Heiko Scholz konnte in der Sommerpause seinen Kader dementsprechend verstärken, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Dabei schlug der 1. FC Lok auf dem Transfermarkt mächtig zu. Mit Matthias Steinborn (Berliner FC Dynamo), David Urban (ZFC Meuselwitz), Lovro Sindik (Berliner AK), Kevin Schulze (Wacker Nordhausen), Kemal Atici (Union Fürstenwalde) sowie Patrick Wolf (Schweinfurt 05) verpflichtetete man allesamt Spieler, die bei ihren früheren Vereinen zu den Leistungsträgern zählten. Hinzu kam die Rückholaktion von Nicky Adler, der nach seinen Stationen TSV 1860 München, 1. FC Nürnberg, MSV Duisburg, VfL Osnabrück, Wacker Burghausen, SV Sandhausen und Erzgebirge Aue den Weg zurück ins Bruno-Plache-Stadion fand. Die Mannschaft schien gut gerüstet, auch die Vorbereitung verlief äußerst positiv.

Allerdings verschlief die Elf den Start in die Regionalliga-Saison komplett und konnte die Erwartungen nicht im Geringsten erfüllen. Aus den ersten vier Spielen holten die Blau-Gelben zwar sechs Punkte (3:0 gegen Meuselwitz, 2:1 in Fürstenwalde), doch blieb die Mannschaft in den folgenden fünf Spielen ohne Sieg. Scholz blies ein sehr eisiger Wind um die Nase, Anspruch und Wirklichkeit standen in keinem Verhältnis. Nach der 0:1-Heimniederlage gegen Germania Halberstadt reagierte der Vorstand und beschloss eine Änderung auf der sportlichen Kommandobrücke. Der Verein war in die untere Tabellenregion gerutscht, das Umfeld wurde extrem unruhig. Die magere Punkteausbeute von acht Zählern aus den ersten neun Spielen wurde dem langjährigen Sympathieträger und Erfolgstrainer Heiko Scholz zum Verhängnis – zusammen mit seinem Co-Trainer Rüdiger Hoppe, welcher zugleich als Sportdirektor agierte, musste er das Feld räumen. Nachfolger auf dem Trainerstuhl wurde Björn Joppe, der im Sommer als Nachwuchsleiter und Trainer der A-Junioren nach Probstheida kam. Joppe kann als Spieler durchaus Profi-Erfahrungen nachweisen, mit dem VfL Bochum spielte er zwischen 1998 und 2003 sowohl in der 1. als auch in der 2. Bundesliga. Beim 1. FC Union Berlin, wo Joppe anschließend hinwechselte, verdiente er seine Brötchen ebenfalls in Liga zwei. Seine anschließenden Stationen beim VfL Osnabrück und dem VfR Aalen beliefen sich jeweils auf Regionalliga-Ebene, ehe er bei der SSVg Velbert, den Sportfreunden Schwäbisch-Hall, dem SV Jägerhaus Linde und Rot-Weiß Stiepel seine Spielerkarriere ausklingen ließ. Als Trainer hat Joppe zwar bisher ebenfalls Erfahrungen sammeln können, allerdings noch nicht im Profibereich. Beim SV Jägerhaus Linde und dem SSV Germania Wuppertal coachte er nur auf Kreis- bzw. Bezirksniveau.

Allerdings gelang es dem ehemaligen Profi, die blau-gelbe Lok wieder auf den richtigen Kurs zu steuern. Seit Joppes Übernahme holte die Mannschaft aus zehn Spielen 16 Punkte und hat sich im Ranking erst einmal auf Position acht hochgearbeitet. Nach dem Trainerwechsel schaffte es die Truppe immer öfter ihr ungefähres Leistungspotenzial abzurufen, auch wenn man sich in den beiden letzten Spielen in Meuselwitz und daheim gegen Viktoria Berlin (jeweils 0:0) jeweils mit Teilerfolgen zufrieden geben musste. Vom Kader her ist die Mannschaft so besetzt, dass sie zweifelsohne im vorderen Bereich der Regionalliga mitspielen kann. Auf der Torhüterposition besitzt Benjamin Kirsten Profi-Erfahrungen bei Dynamo Dresden (2. Bundesliga) und dem NEC Nijmegen (Niederländische Ehrendivision), in der Innenverteidigung sind David Urban und Robert Zickert zuverlässige Größen. Dreh- und Angelpunkt im Mittelfeld ist Paul Schinke, der mit Sascha Pfeffer und dem Amerikaner Ryan Malone nicht wegzudenken ist. Für die nötige Torgefahr im Angriff soll Matthias Steinborn sorgen, der nach dem Trainerwechsel seine alte Treffsicherheit wiedergefunden hat und bisher sieben Mal ins Schwarze traf. Insgesamt ist der 1. FC Lok nun in der Regionalliga angekommen, unter Trainer Joppe soll der positive Schwung auch in der Rückrunde fortgesetzt werden. Allerdings besitzt der Coach für diese Spielklasse nicht die erforderliche Lizenz, so dass nach einer Lösung für die Position des Co-Trainers in der Winterpause gesucht wird. Sollte diese bis zum Beginn der zweiten Halbserie gefunden werden, dürfte mit den Probstheidaern für die restliche Saison durchaus zu rechnen sein. Zwar ist der Aufstiegszug aufgrund der Siegesserie des Chemnitzer FC (51 Punkte) bereits zum heutigen Tag quasi abgefahren, doch bei einer gewissen Stabilität in der Rückrunde dürfte für den 1. FC Lok eine Platzierung zwischen den Rängen vier und sechs absolut im Bereich des Möglichen liegen.

Nach dieser extrem holprigen Hinrunde setzen die Blau-Gelben mit Sicherheit zusätzlich auf den Wernesgrüner-Sachsenpokal, wo man mit einem Erfolg in Leutzsch die große Möglichkeit hätte, sich für die Runde der letzten Vier zu qualifizieren. Nach zwei Freilosen zum Auftakt erreichte der 1. FC Lok das Viertelfinale mit Siegen über den Landesklasse-Vertreter Hainsberger SV (6:1) und den Regionalliga-Kontrahenten VfB Auerbach (4:1). Vor allem der klare Erfolg im Vogtland überraschte dabei die Experten, schließlich sind die Auerbacher für ihre jahrelange Heimstärke bekannt. Doch die Probstheidaer übersprangen diese Hürde, bestätigten dabei ihre ansteigende Form und erwiesen sich im VfB-Stadion als extrem effizient. In Leutzsch wird der 1. FC Lok jedoch ohne eigene Fans antreten. Nach den Vorfällen in den letzten Derbys beschloss der Vorstand der Probstheidaer, die Begegnung mit den Fans im heimischen Bruno-Plache-Stadion auf einer LED-Großbildleinwand zu verfolgen. Dies ist sicherlich für den Fußball allgemein und für die Stimmung im Alfred-Kunze-Sportpark extrem schade, doch muss man diese Entscheidung des Regionalligisten akzeptieren.

Somit kommt es nun zur Neuauflage des Sachsenpokal-Viertelfinales von vor zwei Jahren, als die BSG Chemie am 13. November 2016 als Oberligist und Underdog nah an einem möglichen Elfmeterschießen war, drei Minuten vor Schluss durch einen Gegentreffer des Japaners Watahiki (jetzt ZFC Meuselwitz) aber aus jeglichen Träumen gerissen wurden. Äußerst glücklich zogen die Probstheidaer damals ins Halbfinale ein, die Leutzscher zogen sich in diesem Spiel mehr als achtbar aus der Affäre und hätten sich einen Sieg damals mehr als verdient. Zwar kreuzten beide Mannschaften in der letztjährigen Regionalliga-Saison noch zweimal die Klingen (BSG Chemie – 1. FC Lok 0:1, 1. FC Lok – BSG Chemie 0:0), doch war dieses Pokalspiel von vor zwei Jahren an Spannung kaum zu überbieten, auch wenn es emotional immer hoch herging. Für BSG-Torhüter Julien Latendresse-Levesque ist dieses Derby am Samstag sicherlich ein ganz besonderes, schließlich hütete er in jedem Pokalspiel noch das Tor des 1. FC Lok. Auch Andy Wendschuch lief damals noch in blau-gelben Farben auf, ehe es ihn im Sommer dieses Jahres nach Leutzsch verschlug. Allerdings wird Wendschuch am Samstag tatenlos zusehen müssen, eine hartnäckige Oberschenkelverletzung setzt ihn derzeit schachmatt. Ansonsten werden die Chemiker am Wochenende sicherlich mit breiter Brust auftreten. Sehr gern nimmt man die Rolle des Außenseiters an, der Druck liegt ohne Zweifel bei den Prostheidaern. Die Mannschaft von Interimstrainer Christian Sobottka hat mit dem letztwöchigen 6:1 (4:0)-Heimsieg gegen Zorbau wieder in die Spur gefunden, sodass die Elf dem Kontrahenten einen offenen Fight liefern wird. Das dringend benötigte Erfolgserlebnis hat der Elf wieder Selbstvertrauen eingeflößt, sehr positiv und optimistisch geht die Truppe um Kapitän Stefan Karau diese Aufgabe an. Nichtsdestotrotz ist man sich zweifellos über die Schwere der Aufgabe bewusst, zumal sich auch der 1. FC Lok in den vergangenen Wochen und Monaten in der Regionalliga gefestigt hat. Von jedem Einzelnen ist eine maximale Leistungsbereitschaft von Nöten, nur als Team wird man diese Aufgabe meistern können. Defensiv erfordert es großer Stabilität, im Spiel nach vorn sind die am vergangenen Wochenende wiedergefundenen Ideen gefragt. Sollte dies alles zusammenkommen, sind die Leutzscher mit Sicherheit nicht chancenlos, zumal man keinerlei Druck verspürt. Man wird von der ersten Minute an die Zweikämpfe suchen und sich gegen den Favoriten mit allen Mitteln wehren. Wenn der Funke auf die Fans überspringt, ist im Alfred-Kunze-Sportpark alles möglich – in einem Pokalspiel sowieso. Doch dazu bedarf es von jedem Einzelnen mehr als hundert Prozent.

Auch in personeller Hinsicht sieht es bei der BSG ganz gut aus. Zwar fällt Andy Wendschuch, wie bereits erwähnt, verletzungsbedingt aus und wird ebenfalls wie Lars Schmidt (Urlaub) und Florian Kirstein (Reha nach Speichenbruch) nicht zur Verfügung stehen, doch steht Kai Druschky seit Dienstag wieder im vollen Mannschaftstraining. Wenn alles passt, wird der Torjäger am Samstag wieder in den Leutzscher Kader hinzustoßen. Sollte sich bis Samstag kein Spieler in den Trainingseinheiten mehr verletzen oder über Nacht krank werden, steht Interimstrainer Christian Sobottka der restliche Kader zur Verfügung.

Eine tragende Rolle in dieser brisanten Auseinandersetzung nimmt zweifelsohne auch das Schiedsrichter-Kollektiv ein. Geleitet wird die Partie vom Dresdner Stefan Herde, der das Achtelfinale der Leutzscher in Trebendorf bereits pfiff. Der 29-jährige ist in der Regionalliga eingestuft und daher für diese Aufgabe prädestiniert. In der vergangenen Saison leitete er im Alfred-Kunze-Sportpark das brisante Achtelfinale gegen den Drittligisten FSV Zwickau, als die Chemiker sensationell mit 4:2 weiterkamen. An den Linien wird Herde assistiert vom in der Oberliga eingestuften Ronny Walter (Hartha) sowie vom Sachsenliga-Referee Gunnar Stary (Dresden).

Wir freuen uns auf das 103. Leipziger Derby, das vierte seiner Art im Sachsenpokal.
Voran BSG!

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