Die Hürde wurde dann schlussendlich doch noch genommen, hier zum Beispiel durch Niklas Opolka. (Foto: Christian Donner)
Nachspielzeit in Trebendorf. Der gastgebende SV Fortuna steht kurz vor der Sensation. Das Schlusslicht der Landesklasse Ost führt im Achtelfinale des Wernesgrüner-Sachsenpokals gegen den Oberliga-Spitzenreiter BSG Chemie Leipzig nach einem vorherigen 2:0-Vorsprung nun mit 3:2, nur wenige Augenblicke sind noch zu spielen. Die Leutzscher rennen zwar seit geraumer Zeit unverdrossen an, doch was die Schützlinge von Trainer Dietmar Demuth vor dem Tor liegenlassen, geht weit über die oft zitierte Kuhhaut. Eine Blamage scheint nicht mehr zu verhindern, am Montag werden die Chemiker die Lachnummer in ganz Sachsen sein. Allerdings gibt Schiedsrichter Stefan Herde (Dresden) noch einmal einen Freistoß für die BSG am gegnerischen Strafraum, nachdem Daniel Heinze nur per Foulspiel am Durchbruch gehindert werden konnte. Es ist eigentlich die letzte Chance für die Grün-Weißen, nun heißt es Sekt oder Selters. Heinze nimmt sich der Sache selbst an und sorgt dafür, dass die Leutzscher kurz vor Ultimo das vorzeitige Aus gerade noch abwenden können. Sehenswert zirkelt der Spielmacher das Streitobjekt aus 18 Metern über die Mauer und sichert der BSG mit dem 3:3-Ausgleich die Rettung in die Verlängerung (90.+1). In den zweimal 15 Minuten spielt der Favorit im Anschluss daran seine spielerische und nun auch numerische Überlegenheit endlich aus und qualifiziert sich letztlich mit einem 6:3-Erfolg für das Viertelfinale im sächsischen Cup-Wettbewerb. Am 15.12. kommt es im Alfred-Kunze-Sportpark dann zum Derby gegen den 1. FC Lokomotive Leipzig, welches an Brisanz natürlich schwierig zu überbieten ist. Doch wie knapp es in Trebendorf war, ist eigentlich auch nicht in Worte zu fassen. Quasi in letzter Sekunde kamen die Chemiker mit zwei blauen Augen davon.
Nachdem die Demuth-Schützlinge in der Oberliga mit zwei Punkten aus den letzten drei Spielen einen kleinen Hänger zu verzeichnen hatten, sollte dieses Sachsenpokal-Achtelfinale dazu dienen, um wieder etwas Selbstvertrauen zu tanken. Von Beginn an wollten die Leutzscher keinerlei Zweifel am Ziel Viertelfinale aufkommen lassen und zusätzlich den Zwei-Klassen-Unterschied mit einem klaren Resultat ausdrücken. Dies war der Wunsch, doch die Realität sah ganz anders aus. Anstatt den Ball durch die eigenen Reihen laufen zu lassen und dem Gegner frühzeitig die Lust am Fußballspielen zu nehmen, war den Chemikern bereits in der Anfangsphase eine deutliche Verunsicherung anzumerken. Sicherlich hatten die letzten Ergebnisse einige Spuren hinterlassen, doch man hatte schon gedacht, dass man in Trebendorf viel entschlossener und zielstrebiger auftreten würde. Zwar hatte Eric Berger die erste Möglichkeit, als er mit einem Flachschuss am Trebendorfer Schlussmann Guilundo scheiterte (4.), aber insgesamt startete die BSG äußerst pomadig in diese Partie. Spielerisch blieb extrem viel Stückwerk, in den Zweikämpfen kamen die Leutzscher prinzipiell einen Schritt zu spät und im Defensivbereich ließ man sich mit einfachsten Mitteln mehrfach übertölpeln. Die Gastgeber rissen absolut keine Bäume aus, die katastrophale Leutzscher Anfangsphase spielte den Oberlausitzern jedoch komplett in die Karten. Mit seiner ersten Gelegenheit ging der Underdog in Führung. Nach einem Ballverlust von Niklas Opolka bekam Sascha Rode den Ball nach einem Flankenversuch von Rentsch unglücklich an den Arm – Referee Herde zeigte sofort auf den Punkt. Schönlebe ließ sich nicht zweimal bitten und schickte Chemie-Keeper Dominic-René Heine in die falsche Ecke – 1:0 (13.).
Natürlich waren die Gäste im Anschluss daran sofort um den Ausgleich bemüht, trotzdem war man im Spiel nach vorn weiterhin sehr fehlerhaft. Erarbeitete man sich doch einmal eine Gelegenheit, blieb man vor dem Tor nicht konzentriert genug. Gut von Niklas Opolka und Max Keßler eingeleitet verfehlte Kai Druschky aus Nahdistanz das Ziel (14.), nach einem Druschky-Freistoß setzte Stefan Karau einen Kopfball knapp vorbei (20.). Die beste Ausgleichsmöglichkeit sollte jedoch erst noch folgen, als Schiedsrichter Herde nach einem Foulspiel von Hanclich an Branden Stelmak im Trebendorfer Strafraum ebenfalls auf den Punkt zeigte. Kai Druschky versagten hier aber die Nerven – Keeper Guilundo ahnte die Ecke und konnte den schwach getretenen Elfmeter parieren (21.). Damit allerdings noch nicht genug. Vom Trebendorfer Torhüter gelangte die Kugel direkt im Anschluss über die Stationen Piatek und Adamowicz mit einfachsten Mitteln zum völlig freistehenden Bartkowiak, der aus Nahdistanz zum 2:0 einschoss (22.). Vier Pässe reichten, um die Leutzscher Hintermannschaft total zu entblößen. Es war unfassbar, die Chemie-Fans trauten ihren Augen kaum.
0:2 beim Landesklasse-Schlusslicht zurück, dazu das angekratzte Selbstvertrauen – nun waren echte Kerle gefragt. Da kam es aus BSG-Sicht recht günstig, dass man durch die Gastgeber zurück ins Spiel gehievt wurde. Spraski nahm im eigenen Strafraum im Laufduell gegen Kai Druschky für alle sichtbar die Hand zur Hilfe – die Trebendorfer Proteste gegen den abermaligen Strafstoßpfiff hielten sich diesbezüglich auch arg in Grenzen. Diesmal übernahm Marko Trogrlic Verantwortung vom Punkt und überwand Guilundo mit einem platzierten Schuss ins linke untere Eck – 2:1 (25.). Der Favorit war nun wieder im Spiel, nach einem langen Ball von Sascha Rode scheiterte Kai Druschky abermals am Trebendorfer Schlussmann (28.). Nichtsdestotrotz gelang den Grün-Weißen, trotz der weiterhin äußerst mageren Darbietung, vor dem Pausenpfiff noch der Ausgleich. Nach einem Freistoß des gerade eingewechselten Daniel Heinze nickte Sascha Rode aus zentraler Position zum 2:2 ein (36.). Trebendorf musste sich erst einmal kurz schütteln, Guilundo zeigte sich nach einem erneuten Druschky-Versuch jedoch auf dem Posten (38.). Insgesamt war aus Leutzscher Sicht das Ergebnis das Beste in Hälfte eins, die Vorstellung war eines Oberliga-Spitzenreiters nicht würdig.
Nach einem kräftigten Donnerwetter in der Kabine hoffte der Leutzscher Anhang fortan natürlich auf eine deutliche Steigerung in den zweiten 45 Minuten. Doch blieb dies weiterhin großes Wunschdenken, auch wenn die Chemiker in der Folgezeit erwartungsgemäß mehr Ballbesitz und große Feldvorteile verbuchen konnten. Hinzu kam, dass Guilundo im Trebendorfer Gehäuse einen recht guten Tag erwischte. Bei Freistößen von Daniel Heinze und Kai Druschky zeigte sich der Schlussmann vollends auf der Höhe (54., 65.), bei einem Versuch von Niklas Opolka nach vorheriger Druschky-Ablage geriet der Fortuna-Keeper abermals nicht ins Schwitzen (68.). Einmal wäre Guilundo allerdings machtlos gewesen, doch Kai Druschky köpfte eine Flanke des gerade eingewechselten Florian Schmidt aus Nahdistanz zur allgemeinen Überraschung vorbei (66.). Die weiterhin tapfer dagegenhaltenden Trebendorfer wurden dadurch im Spiel gehalten, die Grün-Weißen erhielten wenig später die nächste Quittung für den weiterhin sehr überschaubaren Auftritt. Nach einem Ballgewinn durch Schönlebe riss Piatek mit einem perfekt getimten Pass die komplette Leutzscher Defensive auf – Kuznietsov behielt allein vor Heine kühlen Kopf und lochte zum 3:2 ein (69.).
Nun war guter Rat teuer. Es schien äußerst zweifelhaft, dass die Chemiker aufgrund ihrer schwachen Vorstellung noch einmal den Kopf aus der Schlinge ziehen könnten. Allerdings versuchten sie es noch einmal und zogen in den letzten 20 Minuten ein regelrechtes Powerplay auf. Jedoch war es nur allzu fahrlässig, was man vor dem Gastgeber-Gehäuse liegen ließ. Setzte Daniel Heinze zunächst einen Distanzschuss etwas zu hoch (72.), setzte Sascha Rode einen Kopfball aus Nahdistanz nach vorherigem Heinze-Eckball an den Querbalken (79.). Die Leutzscher drückten nun, vor allem nach Ideen von Spielmacher Daniel Heinze entstand immer wieder Torgefahr. Nach Flanke mit Alexander Bury ließ Kai Druschky eine gute Kopfball-Möglichkeit verstreichen (81.), nach einem Heinze-Freistoß verzog der BSG-Torjäger abermals (84.). Als Manuel Wajer die Kugel von der linken Seite flach nach innen zog, hatte der Leutzscher Anhang bereits den Torschrei auf den Lippen, doch setzte der an diesem Tag im Torabschluss äußerst unglücklich agierende Druschky auch diesen Ball über die Querlatte (87.). Die Kiste schien fortan wie vernagelt, Trebendorf wähnte sich bereits am Ziel. Die Leutzscher standen kurz vor der Blamage, als Daniel Heinze die BSG doch noch am Leben erhielt. Ein Freistoß aus zentraler Position schlug in der Nachspielzeit unhaltbar im Trebendorfer Gehäuse ein, der starke Guilundo war chancenlos – 3:3 (90.+1). Was folgte war kollektiver Jubel im Chemie-Block, mit dem letztem Atemzug verhinderten die Leutzscher den worst case. Allerdings war das Spiel noch nicht beendet, in den Schlussminuten überschlugen sich quasi die Ereignisse. Wenige Augenblicke vor Ablauf der regulären Spielzeit hätte Alexander Bury die Partie sogar komplett drehen können, doch nach einem Tempodribbling in den Strafraum fehlte es abschließend an der nötigen Konzentration beim Torabschluss (90.+3). Trebendorf war durch den späten Ausgleichstreffer sichtlich gekennzeichnet, dieser Nackenschlag war für den Gastgeber psychologisch kaum zu verkraften. Nicht von ungefähr ließ sich Spraski kurz vor Abpfiff zu einem Ellenbogenschlag gegen Druschky hinreißen – Schiedsrichter Herde zückte sofort Rot (90.+4).
In der anschließenden Verlängerung gelang es den Leutzschern dann endlich die eigene Überlegenheit zwingend geltend zu machen. Das psychologische Momentum des Last-Minute-Ausgleichs sowie die numerische Überzahl spielten dabei mit Sicherheit eine Hauptrolle. Mit Vehemenz drängte man nun auf eine schnelle Entscheidung, Möglichkeiten dafür waren reihenweise vorhanden. So setzte Kai Druschky einen Schuss knapp vorbei (96.), Alexander Burys Versuch wurde glänzend von Guilundo entschärft (97.) und Manuel Wajers verunglückte Flanke wurde vom Querbalken aufgehalten (97.). Doch dann war es endlich passiert. Sehr gut per Hackentritt von Alexander Bury eingeleitet, zog Daniel Heinze auf der linken Seite unaufhaltsam davon – Kai Druschky hatte aus Nahdistanz keine Probleme die flache Eingabe zum 3:4 ins Tor zu befördern (98.).
Fortan hatte die BSG leichtes Spiel, Trebendorf gab sich in der Folgezeit auf. Verpasste Manuel Wajer eine scharfe Eingabe von Florian Schmidt noch um Haaresbreite (101.), legten die Demuth-Schützlinge kurz vor Ende der ersten Hälfte der Verlängerung noch einen drauf. Nach Doppelpass mit Kai Druschky konnte Fortuna-Keeper Guilundo den durchgebrochenen Alexander Bury nur per Foulspiel stoppen – Referee Herde konnte gar nicht anders, als erneut auf den Punkt zu zeigen. Daniel Heinze machte schließlich Nägel mit Köpfen und verwandelte den Elfmeter souverän – 3:5 (102.). Damit war natürlich die Vorentscheidung gefallen, die Gastgeber sehnten nur noch den Schlusspfiff herbei. Die Leutzscher allerdings wollten noch das halbe Dutzend vollmachen. Allerdings übertrafen sich sowohl Manuel Wajer als auch Marko Trogrlic dabei gegenseitig (109., 114.), indem die Beiden klare Möglichkeiten nicht nutzen konnten. Nichtsdestotrotz sollte den Leutzschern der sechste Treffer noch gelingen. Nach gutem Zusammenspiel mit Kai Druschky zog Alexander Bury den Ball kurz vor der Torauslinie flach nach innen, Branden Stelmak bedankte sich und netzte zum 3:6-Endstand ein (116.).
Fazit: Auch dieses Spiel sollte für die Chemiker Warnung genug sein. Zwar wurde der Tanz auf der Rasierklinge letztlich erfolgreich bestritten, doch viel hätte nicht zur Blamage gefehlt. Nicht zu erklären ist, warum sich die Elf derzeit selbst in solche Schwierigkeiten bringt und erst zur Normalform aufläuft, wenn es fast schon zu spät ist. Nichtsdestotrotz zählt nur der Einzug ins Pokal-Viertelfinale, obgleich dieser Auftritt innerhalb der kommenden Trainingswoche natürlich kritisch auszuwerten gilt. Steigerungspotenzial ist ohne Ende vorhanden und auch dringend abzurufen, denn bereits am Samstag hat man beim wiedererstarkten FC Eilenburg ein sehr schweres Auswärtsspiel in der Oberliga zu bestreiten. Der Anstoß erfolgt um 13.30 Uhr im Eilenburger Ilburg-Stadion.
Dem SV Fortuna Trebendorf gilt bezüglich der Durchführung dieser Begegnung ein großes Kompliment. Die Rahmenbedingungen passten komplett, die Parkplatzsituation wurde sehr gut gemeistert, die Einlasskontrollen klasse gelöst. Das Catering war absolut vorzüglich. Wir Leutzscher haben uns bei euch sehr wohl gefühlt!
SV Fortuna Trebendorf – BSG Chemie Leipzig 3:6 (2:2, 3:3) n.V.
SV Fortuna Trebendorf: Guilundo – Rentsch (ab 67. Streicher), Spraski, Hanclich, Frydlewicz – Schönlebe, Piatek (ab 90.+2 Choluj), Jackob, Bartkowiak (ab 83. Berton) – Kuznietsov, Adamowicz; Trainer: Fandrich
BSG Chemie Leipzig: Dominic-René Heine – Marko Trogrlic, Stefan Karau, Sascha Rode, Manuel Wajer – Eric Berger (46. Alexander Bury), Niklas Opolka, Benjamin Schmidt (35. Daniel Heinze), Max Keßler (64. Florian Schmidt) – Branden Stelmak, Kai Druschky; Trainer: Dietmar Demuth
Schiedsrichter: Herde (Dresden) – Schiedsrichter-Assistenten: Meisel, Kläber (beide Dresden)
Tore: 1:0 Schönlebe (13., Handstrafstoß), 2:0 Bartkowiak (22.), 2:1 Marko Trogrlic (25., Handstrafstoß), 2:2 Sascha Rode (36.), 3:2 Kuznietsov (69.), 3:3 Daniel Heinze (90.+1), 3:4 Kai Druschky (98.), 3:5 Daniel Heinze (102., Foulstrafstoß), 3:6 Branden Stelmak (116.)
Rote Karte: Spraski (Trebendorf, Tätlichkeit, 90.+4)
besondere Vorkommnisse: Guilundo (Trebendorf) hält Foulstrafstoß von Kai Druschky (21.)
Zuschauer: 1.287 am Sportplatz Trebendorf