Gegen die unheimlich spielstarken Paderborner hatte Chemie trotz tollem Einsatz kaum etwas zu melden – hier Marc Böttger. (Foto: Christian Donner)
Eine weitere Sensation blieb aus, das Erwartete ist eingetreten. Allerdings hat sich Oberliga-Spitzenreiter BSG Chemie Leipzig erhobenen Hauptes aus dem DFB-Pokal verabschiedet. Gegen den Zweitligisten SC Paderborn unterlagen die Schützlinge von Trainer Dietmar Demuth in der 2. Hauptrunde vor ausverkauftem Haus mit 0:3 (0:2), doch wie sich die Leutzscher in den 90 Minuten präsentierten, hat großen Respekt und absolute Anerkennung verdient. Kämpferisch sowie läuferisch legten die Chemiker alles in die Waagschale und leisteten dem SCP über die komplette Spielzeit erbitterten Widerstand. Am Sieg des Favoriten aus Ostwestfalen gab es indes nichts zu rütteln, Paderborn zog völlig verdient ins Achtelfinale ein.
Nichtsdestotrotz erlebten die Fans einen unvergesslichen Abend im traditionsreichen Alfred-Kunze-Sportpark, in welchem zum allerersten Mal ein Pflichtspiel unter Flutlicht stattfand. Dank einer mobilen Anlage aus dem englischen Bolton konnte dieser Leutzscher Traum realisiert werden, einigen Zuschauern standen aufgrund der Umsetzung die Tränen in den Augen. Hinzu kam eine sehr gute Vorstellung der Grün-Weißen – noch minutenlang nach dem Abpfiff feierten die frenetischen Chemie-Anhänger ihre Mannschaft und quittierten die Leistung ihrer Lieblinge mit standing ovations.
Es war ein regelrechtes Feuerwerk, was die Fans bereits vor dem Anpfiff abbrannten. Die mit 4.999 Zuschauern seit Wochen restlos ausverkaufte Spielstätte verwandelte sich in einen absoluten Hexenkessel, eiskalt lief es einem den Rücken herunter. Und bereits nach wenigen Sekunden bestand aus Leutzscher Sicht sogar die Möglichkeit, dass die Stimmung überzukochen drohte. Nach einem Ballgewinn direkt nach dem Paderborner Anstoß schickte Daniel Heinze den rechtzeitig startenden Kai Druschky auf die Reise, doch verfehlte der Torjäger aus spitzem Winkel leider knapp das lange Eck (1.). Chemie war zwar von Beginn an hellwach, doch war es schon beeindruckend, wie hochkonzentriert und professionell der Zweitligist insgesamt diese Aufgabe anging. Paderborn erarbeitete sich fortan erwartungsgemäß eine gewisse Feldüberlegenheit, auch wenn sich die Gäste vor dem Leutzscher Tor zunächst nichts Zwingendes erarbeiten konnten. Die Demuth-Elf agierte im Defensivbereich äußerst kompakt und verstand es vor dem eigenen Strafraum immer wieder geschickt die Räume zu verengen. Jedoch brachte eine Standardsituation den Underdog dann doch ins Hintertreffen. Nach einer kurzen Eckball-Ausführung von Klement bugsierte Chemie-Keeper Julien Latendresse-Levesque eine Dräger-Flanke nicht weit genug aus der Gefahrenzone – den von Schonlau an den Pfosten geköpften Ball drückte Gueye aus Nahdistanz zum 0:1 in die Maschen (18.). Aus BSG-Sicht natürlich ein absolut vermeidbares Gegentor, welches man viel zu einfach kassierte und dabei kräftig mithalf.
Dieser Treffer spielte den Paderbornern natürlich in die Karten, obwohl die Gäste aus dem Spiel heraus weiterhin nicht wirklich gefährlich wurden. Die Ausnahme bildete da ein Schuss von Antwi-Adjei, als sich Latendresse-Levesque auszeichnen konnte (24.). Stattdessen bewies der Zweitligist wenig später erneut seine Stärke bei Standardsituationen und führte die Leutzscher damit das zweite Mal aufs Glatteis. Nach einem Eckball von Klement fühlte sich am zweiten Pfosten niemand für SC-Kapitän Hünemeier verantwortlich, der per Kopf zum 0:2 einnickte (28.). Zwei ruhende Bälle brachen der Demuth-Elf das Genick – umso ärgerlicher, da beide Gegentreffer absolut zu verteidigen gewesen wären.
Doch auch nach diesem zweiten Nackenschlag spielten die Grün-Weißen weiterhin mutig weiter. So kam Andy Wendschuch nach einer scharfen Eingabe von Philipp Wendt einen Schritt zu spät, nach nachfolgende Distanzschuss von Lars Schmidt wurde kurz vor dem Paderborner Gehäuse entscheidend abgeblockt (30.). Wenig später versuchte sich Alexander Bury aus halbrechter Position, doch fehlten hier die berühmten Zentimeter (36.). Allerdings hätten auch die Gäste noch vor dem Pausenpfiff erneut nachlegen können, als Vasiliadis in einen zu kurzen Rückpass von Stefan Karau spritzte, Benjamin Schmidt in Zusammenarbeit mit Keeper Latendresse-Levesque die Situation im letzten Moment jedoch noch bereinigen konnte (35.). Trotz des 0:2-Halbzeitrückstandes verabschiedeten die Leutzscher Fans unter tosendem Applaus ihre Elf in die Kabine.
Natürlich hatte sich die Elf von Trainer Dietmar Demuth für die zweite Hälfte einiges vorgenommen, doch ließ der Gast weiterhin keinerlei Zweifel an seinem Favoritendasein aufkommen. So setzte Antwi-Adjei einen Distanzschuss etwas zu hoch an (47.), bei einem Versuch von Tekpetey zeigte sich Latendresse-Levesque auf der Höhe (53.). Zwar wehrten sich die Chemiker weiterhin und fighteten aufopferungsvoll, doch brachte ein Platzverweis den Underdog endgültig auf die Verliererstraße. Recht rustikal ging Philipp Wendt im Zweikampf gegen Tekpetey zu Werke – der gut postierte Schiedsrichter Dietz (Kronach) zeigte Wendt sofort Rot (55.). Nun wurde die Aufgabe für die Leutzscher noch schwerer, Paderborn machte wenig später endgültig den Deckel drauf. Sehenswert drang Tekpetey in den Strafraum ein, dessen scharfe Eingabe köpfte abermals Gueye aus Nahdistanz zum 0:3 ein (60.).
Somit war die Entscheidung natürlich gefallen, in Unterzahl war für die Chemiker die Aufgabe gegen diesen höherklassigen und abgezockten Gegner schier aussichtslos. Doch auch in der Folgezeit ließen sich die Leutzscher nicht hängen und kämpften weiterhin verbissen um ein gutes Resultat. Glück hatte die BSG jedoch, als Dräger aus halbrechter Position nur Aluminium traf und Zolinskis Nachschuss kurz vor dem Überschreiten der Torlinie von Mitspieler Gjasula aufgehalten wurde (70.).
Nichtsdestotrotz tat der Zwischenstand der enthusiastischen Stimmung im Alfred-Kunze-Sportpark keinen Abbruch. Auch trotz des klaren Rückstandes wurde die Demuth-Elf weiterhin frenetisch nach vorn gepeitscht, so dass man kurz vor Schluss sogar die Möglichkeit auf den Ehrentreffer hatte. Sehenswert setzte sich Florian Schmidt auf der rechten Seite durch, doch setzte Max Keßler dessen flache Eingabe etwas zu hoch an (85.). Ein Törchen hätte der Atmosphäre im Alfred-Kunze-Sportpark noch die Krone aufgesetzt, doch blieb es den Grün-Weißen leider verwehrt.
Als kurz darauf der Schlusspfiff von Referee Dietz ertönte, jubelten beide Fanlager. Die 500 mitgereisten Paderborner freuten sich mit ihrer Elf zum verdienten Einzug ins Pokal-Achtelfinale, der Leutzscher Anhang feierte seine Mannschaft minutenlang für diese herzerfrischende Vorstellung. Für beide Teams geht es bereits am Samstag im Liga-Alltag weiter. So reist der SC Paderborn in der 2. Bundesliga zum MSV Duisburg, während die BSG Chemie Leipzig im Oberliga-Spitzenspiel beim Tabellenzweiten FSV Luckenwalde antritt.
BSG Chemie Leipzig – SC Paderborn 07 0:3 (0:2)
BSG Chemie Leipzig: Julien Latendresse-Levesque – Manuel Wajer, Stefan Karau (MK), Benjamin Schmidt, Lars Schmidt – Andy Wendschuch (80. Marko Trogrlic), Marc Böttger – Philip Wendt, Daniel Heinze (75. Florian Schmidt), Alexander Bury – Kai Druschky (75. Max Keßler) – Trainer: Dietmar Demuth
SC Paderborn 07: Ratajczak – Dräger, Schonlau, Hünemeier (MK), Collins – Gjasula – Tekpetey (79. Ritter), Klement (62. Zolinski), Antwi-Adjei – Gueye (75. Düker), Vasiliadis – Trainer: Baumgart
Schiedsrichter: Dietz (Kronach) – Schiedsrichter-Assistenten: Haslberger (St. Wolfgang), Ostheimer (Pfaffenhofen) – Vierter Offizieller: Müller (Cottbus)
Tore: 0:1 Gueye (18.), 0:2 Hünemeier (28.), 0:3 Gueye (60.)
Rote Karte: Philip Wendt (BSG Chemie) wegen groben Foulspiels (55.)
Zuschauer: 4.999 (ausverkauft) im Alfred-Kunze-Sportpark zu Leipzig