Morgen lacht ausnahmsweise mal nicht die Sonne, sondern das Flutlicht. (Foto: Christian Donner)
Lange hat die Leutzscher Fanschar darauf hingefiebert, am morgigen Dienstag ist es endlich soweit. Nachdem die BSG Chemie Leipzig in der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals die Sensation schaffte und den Zweitligisten SSV Jahn Regensburg mit 2:1 (0:1) aus dem Rennen warf, steht morgen die 2. Runde auf dem Plan. Um 18.30 Uhr gastiert mit dem SC Paderborn ebenfalls eine Mannschaft aus der 2. Bundesliga – in souveräner Art und Weise dominierten die Ostwestfalen mit ihren 83 Punkten zusammen mit dem 1. FC Magdeburg (85) in der vergangenen Saison die 3. Liga und schafften somit völlig verdient die Rückkehr in die zweithöchste Spielklasse Deutschlands. Hinzu kommt, dass im traditionsreichen Alfred-Kunze-Sportpark zum allerersten Mal in dessen Geschichte ein Pflichtspiel unter Flutlicht stattfinden, was den Chemie-Fan umso mehr strahlen lässt. Eine mobile Flutlichtanlage aus dem englischen Bolton macht dies möglich.
Binnen weniger Tage war diese Pokal-Partie restlos ausverkauft, der Verein hätte zig tausende Karten mehr verkaufen können. Für die Mannschaft von Trainer Dietmar Demuth ist es das absolute Highlight der Saison, welche sie sich aufgrund des phänomenalen Saisonstarts auch mehr als verdient hat. In der Oberliga haben die Leutzscher zehn ihrer elf Spiele bisher siegreich gestaltet, erst am letzten Samstag gab es beim torlosen 0:0-Heimremis gegen den VfL 05 Hohenstein-Ernstthal die ersten Punktverluste. Des Weiteren sind die Grün-Weißen noch im sächsischen Landespokal vertreten, so dass das erste Drittel der Saison nicht besser hätte laufen können. Schon aus diesem Grund soll die Elf die morgige Begegnung mit dem besonderen Flair „Flutlicht“ genießen und ihre treue Fanschar mit einem herzerfrischenden Auftritt begeistern. Aufgrund der Konstellation ist die Favoritenrolle natürlich deutlich geklärt, alles andere als ein Weiterkommen des Zweitligisten wäre eine große Überraschung. Die Demuth-Elf kann daher völlig befreit sowie ohne Druck aufspielen und dem scheinbar übermächtigen Gegner mit der Hilfe der Zuschauer einen offenen Fight liefern. Für alle soll dieser Abend im Alfred-Kunze-Sportpark unvergesslich bleiben.
Es ist noch gar nicht so lange her, da erlebte der SC Paderborn den mit Abstand größten Erfolg in ihrer Vereinsgeschichte. Am 11. Mai 2014 stiegen die Ostwestfalen mit einem 2:1-Heimsieg über den VfR Aalen in die 1. Bundesliga auf – ein Triumph, welcher damals als absolutes Fußballwunder galt. Unter Aufstiegs-Trainer André Breitenreiter (heutiger Coach Hannover 96) startete man in der Eliteklasse mehr als furios, nach dem 4. Spieltag war der SCP sogar zwischenzeitlicher Tabellenführer. Doch waren die Ziele der Paderborner in der Bundesliga natürlich andere. Der Klassenerhalt hätte einer weiterer Sensation gleichgetan und dieser war sogar bis zum letzten Spieltag auch möglich. Durch eine 1:2-Heimniederlage gegen den VfB Stuttgart mussten die Ostwestfalen jedoch nach nur einer Saison den Abstieg in die 2. Bundesliga hinnehmen – Stuttgart dagegen rettete sich durch diesen Sieg in Paderborn endgültig. Es folgten Krisenjahre beim SCP, es begann eine sportliche Talfahrt. Trainer Breitenreiter verabschiedete sich zum FC Schalke 04, sein Nachfolger Markus Gellhaus wurde bereits Anfang Oktober 2015 nach einer 0:1-Niederlage beim MSV Duisburg entlassen. Doch auch der ehemalige Nationalspieler Stefan Effenberg, der auf Gellhaus folgte, konnte nach einer gewissen Anfangs-Euphorie den Kahn nicht in die gewünschte Richtung steuern. Nach einem 0:0 beim Karlsruher SC war die Uhr des einstigen Mittelfeldstars bereits Anfang März 2016 abgelaufen. Schon zu diesem Zeitpunkt war Paderborn auf einen Abstiegsrang abgerutscht, auch Vereins-Ikone René Müller, der Effenberg folgte, konnte in den letzten Partien das Ruder nicht mehr herumreißen. Mit 28 Punkten aus 34 Spielen stiegen die Ostwestalen sang- und klanglos in die 3. Liga ab und verschwanden innerhalb eines Jahres in die fußballerische Bedeutungslosigkeit. Doch auch in der dritthöchsten Spielklasse wurde es ein Tanz auf der Rasierklinge. In der 3. Liga konnte die Elf nie wirklich Fuß fassen und verschliss mit Müller und Stefan Emmerling wiederum zwei Trainer. Der Verein stand auf einem Abstiegsplatz in die Regionalliga West, was dem Tiefpunkt in der Klubgeschichte gleichgekommen wäre. Fünf Spieltage vor Schluss übernahm Steffen Baumgart die Mannschaft und holte in dieser Zeit sagenhafte elf Punkte. Durch ein torloses 0:0 beim VfL Osnabrück am letzten Spieltag musste der SCP zwar noch die II. Mannschaft des SV Werder Bremen an sich vorbeiziehen lassen, doch hatten die Ostwestfalen diesmal das Glück auf ihrer Seite. Ein Lizenzentzug des TSV 1860 München für die kommende Drittliga-Saison machte es möglich, dass die Paderborner schlussendlich in der 3. Liga blieben. Unter Erfolgstrainer Baumgart erlebte der SCP dann eine sportliche Wiederauferstehung. In Windeseile formte der ehemalige Spieler des FC Hansa Rostock, des VfL Wolfsburg, dem 1. FC Union Berlin und des FC Energie Cottbus eine schlagkräftige Mannschaft, welche zusammen mit dem 1. FC Magdeburg das Niveau in der 3. Liga klar bestimmen sollte. Der Lohn dafür war der Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga, in der die Paderborner aktuell auf Tabellenposition sechs platziert sind. Zweimal hat der SCP in dieser Saison erst verloren (0:1 in Darmstadt, 1:2 beim FC St. Pauli), der Aufsteiger kann demzufolge von einem gelungenen Saisonstart sprechen. Höhepunkt der laufenden Saison war mit Sicherheit der 5:3-Auswärtssieg beim Bundesliga-Absteiger 1. FC Köln. Am vergangenen Wochenende drehte die Baumgart-Elf im Heimspiel gegen Sandhausen einen zwischenzeitlichen 0:2-Rückstand in eine 3:2-Führung um, doch musste man sich letztlich mit einem 3:3-Remis zufrieden geben. Insgesamt besitzt der Paderborner Kader eine sehr gute Mischung zwischen hungrigen Hasen und erfahrenen Haudegen. Die Abwehrspieler Uwe Hünemeier und Christian Strohdiek haben sogar bereits zu Erstliga-Zeiten in Paderborn gespielt und sind aufgrund ihrer Routine für Baumgart kaum zu ersetzen. Umso bemerkenswerter ist der Auftritt der Ostwestfalen bisher, wenn man bedenkt, dass ihr Torjäger Sven Michel (letzte Saison 19 Treffer) seit Wochen aufgrund Achillessehnenproblemen verletzungsbedingt nicht zur Verfügung steht. Für diese 2. Hauptrunde im DFB-Pokal qualifizierte sich der SC Paderborn durch ein 2:1-Heimsieg über den Ligakonkurrenten FC Ingolstadt.
Für die BSG Chemie ist es am Dienstag absolut das Spiel des Jahres. Für viele Fans war der Sieg gegen Regensburg nicht zu toppen, doch mit dem Flutlichtspiel gegen Paderborn ist dies noch einmal gelungen. Voller Erwartung scharren die Schützlinge von Trainer Dietmar Demuth mit den Hufen, diese Partie ist für alle Akteure etwas ganz Besonderes. Mit den Erfolgen in der Meisterschaft hat sich die Elf einiges an Selbstvertrauen angeschafft, so dass man gegen den klaren Favoriten mit Sicherheit nicht in Ehrfurcht erstarren wird. Der Erstrunden-Sieg gegen Regensburg hat gezeigt, dass sich die Truppe auch gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner durchaus seine Möglichkeiten erarbeiten kann, letztlich war das Weiterkommen gegen die Ostbayern sogar verdient. Allerdings sind sich alle im Lager der BSG einig, dass man erneut einen Sahnetag erwischen muss, um letztlich eine kleine Chance zu haben. Doch auch dann muss es noch lange nicht reichen. Spielglück, Schiedsrichter-Entscheidungen und ein Gegner unter Normalform spielen weiterhin eine große Rolle. Demzufolge können Chemie-Trainer Dietmar Demuth und sein Assistent Christian Sobottka die Situation schon recht gut einschätzen, doch werden sie die Mannschaft auf diese Begegnung top vorbereiten. Der Motivationsgedanke dürfte gar nicht so eine große Rolle spielen, wer vor ausverkauftem Haus unter Flutlicht gegen einen Zweitligisten nicht motiviert ist, hat irgendetwas falsch gemacht. Natürlich hätte man die Generalprobe gegen Hohenstein-Ernstthal gern gewonnen, doch dieses torlose Unentschieden – so ärgerlich es aufgrund der großen Möglichkeiten gegen Ende auch war – wird die Mannschaft definitiv nicht umwerfen. Die Truppe besitzt eine schier unzerbrechliche Moral, glaubt immer an ihre Chance und ist in den Einheiten unter der Woche extrem fleißig. Und dies muss man zweifelsohne ansprechen, da die Trainingsbedingungen derzeit nicht die besten sind. Aber wie die Mannschaft auch dies in den Hintergrund rückt und fokussiert arbeitet, hat schon großen Respekt verdient. Personell sieht es für das Paderborn-Spiel eigentlich ganz gut aus. Wäre da nicht die Verletzung von Kai Druschky, der gegen Hohenstein-Ernstthal einen Schlag in die Kniekehle bekam. Doch dank den „Goldenen Händen“ von Physiotherapeut Alireza Hamzehian, der sich quasi rund um die Uhr um Druschky kümmert, ist Trainer Dietmar Demuth recht optimistisch, dass der Siegtorschütze gegen Regensburg auch am Dienstag gegen Paderborn auflaufen kann. Ansonsten sind alle Akteure einsatzbereit, so dass der Coach die Qual der Wahl hat.
Unparteiischer am Dienstagabend ist der 34-jährige Christian Dietz, welcher für den FC Kronach pfeift und in der 2. Bundesliga eingestuft ist. Der SC Paderborn hatte mit dem Referee in dieser Saison bereits Bekanntschaft, als Dietz das 4:4-Unentschieden der Ostwestfalen in der heimischen Benteler-Arena gegen den 1. FC Magdeburg leitete. Auch in der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals war Dietz bereits im Einsatz, pfiff er den klaren 5:0-Auswärtssieg beim 1. FC Lok Stendal. An den Linien wird er assistiert von Wolfgang Haslberger (St. Wolfgang) und Lothar Ostheimer (Pfaffenhofen). Der Cottbusser Henry Müller ist vom DFB als 4. Offizieller angesetzt.