Es waren schier unbeschreibliche Szenen, welche sich vor knapp elf Tagen im Alfred-Kunze-Sportpark abspielten. Durch ein Last-Minute-Tor von Kai Druschky bezwang die BSG Chemie Leipzig vor ausverkauftem Haus den Zweitligisten SSV Jahn Regensburg in der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals mit 2:1 (0:1) und sorgte damit für die absolute Sensation in diesem Wettbewerb. In der traditionsreichen Leutzscher Spielstätte gab es nach Abpfiff kein Halten mehr. Wildfremde Menschen lagen sich in den Armen und bejubelten mit ihrer Mannschaft den Einzug in die nächste Runde (30./31.10. – Termin wird noch genau terminiert), wo die Elf von Trainer Dietmar Demuth nun mit dem SC Paderborn auf einen weiteren Zweitligist trifft.
Natürlich waren unter der Leutzscher Fanschar die folgenden Tage noch gefüllt mit reichlich Enthusiasmus, doch schaltete die Mannschaft im Anschluss daran recht schnell in den Alltagsmodus um. So nervenaufreibend und emotional die 90 Minuten gegen Regensburg auch waren, alle im Chemie-Lager sind sich darüber einig, dass die Meisterschaft in der Oberliga absolute Priorität besitzt. Nach den Auftaktsiegen in Zorbau und daheim gegen Rudolstadt (jeweils 2:1) müssen die Leutzscher dort ihre Hausaufgaben erledigen, um letztlich die hohen Ziele auch verwirklichen zu können. Der Erfolg in der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals ist für den gesamten Verein natürlich nicht in Worte zu fassen, doch das tägliche Brot ist die Meisterschaft in der Oberliga. Und dort haben die Demuth-Schützlinge am Samstag um 14.00 Uhr ein richtig dickes Brett zu bohren, wenn mit dem FC Carl Zeiss Jena II der aktuelle Tabellenzweite im Alfred-Kunze-Sportpark gastiert.
Seit Jahren bestechen die Thüringer durch eine klasse Jugendarbeit. Das Nachwuchsleistungszentrum sucht in der Region nahezu seinesgleichen, immer wieder gelangen sehr gut ausgebildete Akteure in den Drittliga-Kader von Trainer Mark Zimmermann. So gelang den A-Junioren durch einen Erfolg in der Relegation gegen den VfB Lübeck (1:1, 2:1) der Aufstieg in die Bundesliga, die B-Junioren gehen seit Jahren in der Regionalliga auf Torejagd. Dennoch schaffen natürlich nicht alle talentierten Nachwuchsspieler sofort den Sprung in den bezahlten Fußball, so dass für diese Akteure die II. Herren-Mannschaft in der Oberliga eine sehr gute Bühne darstellt. Seit der Saison 2006/07 ist die Drittliga-Reserve der Thüringer in dieser Spielklasse vertreten, so dass man sich schon zum Oberliga-Inventar zählen darf. Im Gegensatz zu Mannschaften wie RB Leipzig, Dynamo Dresden oder dem FC Erzgebirge Aue, welche allesamt ihre II. Herren-Teams auflösten, schwört man in Jena auf die eigene U23. Im Oberliga-Team kann reichlich Spielpraxis angeboten werden – einerseits für die jungen Akteure, welche den Nachwuchsbereich verlassen haben, andererseits für Spieler aus der I. Mannschaft, die dort recht selten zum Zug kommen oder nach Verletzungen Einsatzzeiten benötigen.
So gelang es den Jenensern in der abgelaufenen Saison ihre beste Platzierung seit der Oberliga-Zugehörigkeit einzufahren. Zwar belegten die Saalestädter in der Serie 2009/10 schon einmal den 3. Rang, doch hatte man damals mit 53 Punkten immerhin sieben Zähler weniger als zuletzt. Aufgrund ihres schier unerschöpflichen Reservoirs an jungen Spielern hat man sich in Jena auch für diese Saison wieder einiges vorgenommen. Dabei wird die Mannschaft mit Sicherheit auch das Niveau in der Staffel mitbestimmen, sowohl in spielerischer als auch in physischer Hinsicht werden nicht viele Teams der jungen Zeiss-Elf das Wasser reichen können. Trainer Kenny Verhoene, der in Personalunion auch noch das Amt des Sportdirektors bekleidet, kann sich glücklich schätzen, eine Vielzahl hungriger und talentierter Akteure mit Perspektive in seinen Reihen zu besitzen. Nach den drei Spieltagen kamen bereits 22 Spieler (darunter drei Torhüter) zum Einsatz, was diesen Aspekt nur unterstreicht. Natürlich wird die Elf im Laufe der Saison gewissen Formschwankungen unterworfen sein, doch gibt man sich an den Kernbergen optimistisch eine ähnliche Serie wie die letzte zu absolvieren. Der Anfang wurde bereits gemacht, nach drei Spielen befinden sich die Thüringer derzeit auf Platz zwei. Sowohl Askania Bernburg (3:0) als auch der VfL Halle (5:3) wurden im heimischen Ernst-Abbe-Sportfeld klar besiegt, was einiges über die Offensiv-Qualitäten der Mannschaft aussagt. Dass der jungen Truppe noch etwas an Konstanz und Abgeklärtheit fehlt, zeigt die knappe 0:1-Niederlage am 2. Spieltag beim VFC Plauen.
Für die Leutzscher hingegen kam das letzte spielfreie Wochenende ganz gelegen. Nach den Emotionen aus dem Regensburg-Spiel wäre es wichtig gewesen, bei Wacker Nordhausen II vor allem in Sachen Einstellung erneut einhundert Prozent abzurufen. Da diese Begegnung allerdings bereits vor Saisonbeginn auf Mittwoch, den 19.09. verlegt wurde, konnte diese Gefahr erst gar nicht auftreten. Alle Spieler konnten somit die Geschehnisse aus dem DFB-Pokal entsprechend verarbeiten, so dass man voller Tatendrang nun gegen Jena II seine Erfolgsserie in der Oberliga fortsetzen will. Allerdings ist man sich im Chemie-Lager bewusst, welchen Gegner man am Samstag im Alfred-Kunze-Sportpark begrüßen wird. Bereits in Leutzscher Oberliga-Saison 2016/17, als die BSG letztlich in die Regionalliga aufstieg, waren es gegen die Jenenser Drittliga-Reserve zwei enge Spiele. In Thüringen wurden die Chemiker zunächst regelrecht durcheinander gewirbelt und lagen schnell mit 0:2 im Hintertreffen. Durch eine extreme Willensleistung schaffte es die Demuth-Elf jedoch noch die Begegnung mit 3:2 für sich zu entscheiden. Im Rückspiel im AKS musste man das spielstarke und laufintensive Spiel der jungen Zeiss-Elf abermals anerkennen, so dass man nach einem erneuten Rückstand nicht über ein 1:1-Remis hinauskam. Der Mannschaft muss es mit der tatkräftigen Unterstützung des Publikums gelingen, das eigene Spiel durchzuziehen und den Gästen die Freude am Fußballspielen zu nehmen. Wenn man zusätzlich als Einheit auftritt und jeder Einzelne sein Leistungsvermögen ausschöpft, ist die Basis für eine erfolgreiche Partie gelegt. In der Defensive muss das Ziel sein, eine gewisse Stabilität über die komplette Spielzeit zu erlangen, im Spiel nach vorn sind immer wieder Ideen und Spielwitz gefragt um so für Torgefahr zu sorgen. Da kommt es gerade recht, dass Trainer Dietmar Demuth mit seinem Assistenten Christian Sobottka einige Optionen in Sachen Aufstellung besitzen. Sollte an den beiden letzten Trainingstagen nichts Außergewöhnliches mehr passieren, stehen alle Akteure zur Verfügung. Dazu gehört auch Angreifer Eric Berger, der zwar beim Montagstraining umknickte, allerdings ab Donnerstag wieder voll einsteigt.
Wünschen wir uns also ein spannendes Oberliga-Spiel, wo alle Leutzscher Fans nach Abpfiff des Fürstenwalder Schiedsrichters Matthias Alm, zufrieden nach Hause gehen und die Punkte letztlich hoffentlich im heimischen Alfred-Kunze-Sportpark verbleiben.