Pfingstmontag, der 21. Mai um 14.20 Uhr: Der Leutzscher Alfred-Kunze-Sportpark wird nach Abpfiff des Dresdner Schiedsrichters Marek Nixdorf zum absoluten Tollhaus.
Soeben hat die BSG Chemie Leipzig das Finale um den Wernesgrüner-Sachsenpokal gegen den Regionalliga-Kontrahenten FC Oberlausitz Neugersdorf knapp, aber jederzeit verdient, mit 1:0 (1:0) für sich entschieden und sich damit für die 1. Hauptrunde des DFB-Pokals qualifiziert. Die frenetische Leutzscher Fanschar, welche eine Woche zuvor den Wiederabstieg in die Oberliga über sich ergehen lassen musste, liegt sich freudetaumelnd in den Armen – dies war die Belohnung für eine klasse Rückrunde, welche die Mannschaft von Trainer Dietmar Demuth in der Regionalliga absolvierte. Natürlich waren die Tränen bezüglich des Regionalliga-Abstiegs nur äußerst schwer zu trocknen, doch dieser Pokalsieg tat sein Übriges dafür, voller Tatendrang die „Operation Wiederaufstieg“ anzugehen.
Knapp drei Monate später ist es nun soweit – die BSG Chemie Leipzig freut sich am Wochenende auf das absolute Highlight der noch jungen Oberliga-Saison. Nach den beiden 2:1-Auftakterfolgen beim SV Blau-Weiß Zorbau und daheim gegen den FC Einheit Rudolstadt empfangen die Leutzscher am Sonntag um 15.30 Uhr in der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals im heimischen Alfred-Kunze-Sportpark den Zweitligisten SSV Jahn Regensburg, der als Aufsteiger die vergangene Saison mit einem sensationellen 5. Tabellenplatz abschloss. Zweifelsohne sind die Rollen vor diesem Pokalfight am Wochenende absolut klar verteilt. Regensburg geht als haushoher Favorit in diese Begegnung, die Leutzscher hingegen haben überhaupt nichts zu verlieren und können völlig ohne jeglichen Druck aufspielen.
Es ist schon beachtlich und absolut bemerkenswert, wenn man auf die sportliche Wiederauferstehung des SSV Jahn Regensburg in den vergangenen Jahren hinweist. In der Saison 2012/13 stiegen die Oberpfälzer nach nur einer Saison sang- und klanglos aus der 2. Bundesliga wieder ab, zwei Jahre später ereilte die Regensburger dasselbe Schicksal in Liga drei. Der SSV Jahn war somit von der Bildfläche des Profifußballs komplett verschwunden. Allerdings fasste der Verein in der Regionalliga Bayern sofort wieder Fuß und lieferte sich – trotz einer größeren Schwächeperiode – mit dem SV Wacker Burghausen und dem 1. FC Nürnberg II einen packenden Kampf um den Staffelsieg. Vor dem letzten Spieltag hatten es die Oberpfälzer geschafft, mit einem 2:1-Auswärtssieg bei der SpVgg Greuther Fürth II sicherte sich die Elf von Ex-Bundesliga-Profi Heiko Herrlich (Borussia Mönchengladbach, Borussia Dortmund) vorzeitig die Meisterschaft der Regionalliga Bayern. Doch war dies in Sachen Wiederaufstieg erst die halbe Miete, erst eine erfolgreiche Relegation gegen den VfL Wolfsburg II (Meister Regionalliga Nord) sollte die Rückkehr in Liga drei ermöglichen. Und diese sollte trotz einer 0:1-Hinspielniederlage in Niedersachsen auch gelingen. Vor über 14.000 Zuschauern in der nagelneuen Continental Arena konnten die Regensburger das Rückspiel mit 2:0 gewinnen und stießen nach nur einem Jahr Abstinenz sofort zurück in die 3. Liga.
Dort angekommen sorgten die Oberpfälzer sofort für Furore. Zwar hatte der Jahn, wie bereits in der Regionalliga, im Verlauf der Saison einen leichten Hänger, doch aufgrund eines fulminanten Endspurts sicherte man sich als Neuling im Abschlussranking Platz drei, was die Aufstiegs-Relegation gegen den Drittletzten der 2. Bundesliga zur Folge hatte. Dass man dort ausgerechnet auf den Traditionsverein TSV 1860 München traf, war an Brisanz kaum zu überbieten. So betrachteten die Experten das 1:1 im Hinspiel in Regensburg schon als Erfolg für den SSV Jahn, welcher vor dem Duell als krasser Außenseiter abgestempelt wurde. Allerdings sollte sich im Rückspiel einige Tage später eine Sensation ereignen. Vor über 62.000 Zuschauer stürmte die Herrlich-Elf die Münchner Allianz-Arena und schickte den Deutschen Meister des Jahres 1966 in die fußballerische Bedeutungslosigkeit – der SSV Jahn Regensburg schaffte somit den direkten Durchmarsch von der Regionalliga in die 2. Bundesliga.
Doch auch trotz eines Trainerwechsels hielt der Aufwind der Oberpfälzer in den neuen Gefilden weiter an. Aufstiegs-Trainer Heiko Herrlich heuerte bei Bundesligist Bayer Leverkusen an – der ehemalige Coach von RB Leipzig, Achim Beierlorzer, wurde neuer Chef auf der Kommandobrücke der Regensburger. Nach einer klasse Saison schloss der SSV Jahn die vergangene Spielserie mit einem 5. Platz ab – vor der rasanten Entwicklung der Ostbayern kann man nur Respekt zollen. Doch ganz nüchtern ist man sich in Regensburg natürlich bewusst, dass es äußerst schwer wird, dieses Niveau weiterhin halten zu können. Dies zeigte sich bereits in den beiden ersten Spielen der neuen Zweitliga-Saison. Gewann man den Auftakt daheim gegen den FC Ingolstadt mit 2:1, erlitt die Beierlorzer-Elf am vergangen Wochenende beim Aufsteiger SC Paderborn eine 0:2-Niederlage. Oftmals ist das zweite Jahr in einer Spielklasse meist schwerer, demzufolge haben die Oberpfälzer ihren Kader insgesamt etwas breiter aufgestellt. Natürlich schmerzen die Abgänge von Marvin Knoll (FC St. Pauli), Joshua Mees (Union Berlin) und Benedikt Gimber (FC Ingolstadt), nichtsdestotrotz ist man im Regensburger Lager optimistisch, dass die Neuzugänge die Abgänge kompensieren können. Schon aufgrund des durchwachsenen Saisonstarts wird Trainer Beierlorzer seine Elf auf die Ernsthaftigkeit dieser 1. Pokalrunde hinweisen, zumal er aufgrund seiner Leipziger Vergangenheit sicherlich weiß, was im Alfred-Kunze-Sportpark auf seine Truppe zukommt.
Die Leutzscher hingegen freuen sich unheimlich, die Früchte aus dem letztjährigen Sachsenpokalsieg nun am Sonntag ernten zu können. In der Oberliga hat man nach den zwei Auftakt-Erfolgen seine Hausaufgaben erst einmal erledigt, mit dem DFB-Pokal genießt man nun das Zubrot, sich ganz deutschlandweit vor den Fernsehschirmen präsentieren zu können. Die Schützlinge von Trainer Dietmar Demuth sind zwar krasser Außenseiter in dieser Pokal-Begegnung, doch genau diese Chance möchte man nutzen. Völlig befreit können die Leutzscher dieses Spiel angehen, die Elf kann für ihren Oberliga-Alltag kräftig Werbung betreiben.
Dies taten die Grün-Weißen bereits im Verlauf der letztjährigen Regionalliga-Rückrunde. Schier aussichtslos lag man zur Winterpause auf einem Abstiegsplatz, doch dank einer sensationellen zweiten Halbserie hätte man um ein Haar noch das Unmögliche doch noch möglich gemacht. Weiterhin waren es auch immer wieder die Begegnungen im Sachsenpokal, in welchen man deutliche Achtungszeichen setzte. Mit dem FSV Zwickau (4:2) wurde im Achtelfinale ein Drittligist eliminiert, anschließend setzte man sich mit dem FSV Budissa Bautzen, dem VfB Auerbach und FC Oberlausitz Neugersdorf (allesamt 1:0) immerhin gegen drei Regionalliga-Konkurrenten durch. Schon deshalb kann man den Gewinn des Sachsenpokals durchaus als absolut verdient bezeichnen.
Vor der Partie gegen den Zweitligisten aus Regensburg war es aus Leutzscher Sicht natürlich wichtig, dass man den Start in die Oberliga positiv gestalten konnte. Zwar hat die Elf nach den Erfolgen in Zorbau und daheim gegen Rudolstadt (jeweils 2:1) noch genügend Luft nach oben, doch Fußball ist und bleibt ein Ergebnissport. Manche Oberliga-Konkurrenten würden sich freuen, nach zwei Spielen sechs Zähler auf dem Konto zu haben. So sind Trainer Dietmar Demuth und sein Assistent Christian Sobottka mit den Resultaten natürlich zufrieden, doch wissen sie nur allzu gut, wo in den kommenden Wochen der Hebel anzusetzen ist. Erneut wurde in der Trainingswoche sehr intensiv und fokussiert gearbeitet, die Spannung ist bereits jetzt förmlich zu spüren. Alle Akteure geben in den Einheiten Vollgas, jeder Einzelne möchte natürlich am Wochenende einen Startplatz in der ersten Elf ergattern. Für die Trainer ist es sehr positiv dies zu sehen, da die Qualität in den Einheiten dadurch natürlich erhöht wird. Personell kann man komplett aus dem Vollen schöpfen, etwas Besseres kann es für die Verantwortlichen gar nicht geben. Eine zusätzliche Motivation bedarf es für die Mannschaft aufgrund der Konstellation und der Spieltags-Atmosphäre im heimischen AKS nicht.
Demzufolge gilt es am Sonntag die Leutzscher Tugenden erneut zu verinnerlichen und vor ausverkauftem Haus den frenetischen Fans eine tolle Performance zu bieten. Die Mannschaft soll die Atmosphäre im Alfred-Kunze-Sportpark aufsaugen und genießen, kann völlig frei sowie ohne Druck aufspielen und wird alles Mögliche dafür tun, dass der Sonntagnachmittag in Leutzsch lange in Erinnerung bleiben wird – unabhängig vom Ergebnis…