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ERSTE

5:2-Triumph über Merkur Oelsnitz – doch der Schein trügt

By 20. August 2011November 17th, 2020No Comments

Foto: Christian Donner

Das Landesligaspielrecht beschert den Chemie-Fans nicht nur spannende Fußballspiele, echte Auswärtsfahrten und freistaatweite Beachtung, sondern auch Gegner mit illustren Namen wie SV Merkur 06 Oelsnitz. Eben jener reiste am Samstag in den Alfred-Kunze-Sportpark, um der Hausherrin, der BSG Chemie Leipzig, die Punkte streitig zu machen. Um es gleich vorwegzunehmen: Das Vorhaben misslang gründlich.

Bei bestem Fußballwetter fanden 1233 Zuschauer den Weg ins Stadion und stellten gleich mal fest, dass diesmal nicht die etatmäßige Nummer 1, Daniel Lippmann, sondern Ersatzkeeper Andreas Rudolf das Gehäuse der Leutzscher hütete. „Lippi“ laboriert an einem Muskelfaserriss, wie er später in der Halbzeitpause erklärte. Ebenfalls nicht mit von der Partie war Felix Preussner, der im Mittelfeld durch Michael Schilling ersetzt wurde.

Aufsteiger Oelsnitz, das eine Woche zuvor noch einen 4:3-Auswärtssieg beim FC Eilenburg errang, war noch gar nicht so richtig auf dem Platz, da klingelte es bereits im Kasten der Gäste. Matthias Gothe hatte einen Freistoß aus halbrechter Position lang nach innen gebracht, Stephan Schammer kratzte die Kugel noch gerade so von der Linie und bediente Michael Schilling, der aus 13 Metern keine Probleme hatte zu vollstrecken. Sieben Minuten später – Merkur war noch immer nicht so recht im Spiel – setzte Matthias von der Weth im gegnerischen Strafraum nach und wurde von Steve Gorschinek zu Fall gebracht. Den fälligen Elfmeter verwandelte Florian Gerber links oben – 2:0 für die Betriebssportgemeinschaft, die auf Beschluss der Mitgliederversammlung am Vortag auch wieder offiziell so heißen wird. Kurz darauf hätte Thomas Hönemann beinahe seinen ersten Saisontreffer erzielt, doch nach Gothes erneut sauber getretenem Freistoß köpfte der erfolgreichste Torschütze der Vorbereitungsphase knapp daneben.

Die Vogtländer wachten nun endlich auf und wagten sich mehr und mehr in die Offensive. In der 26. Minute hätte auch der Anschlusstreffer fallen müssen: Marco Weigl setzte sich linksaußen durch und flankte in die Mitte. Was danach kam, ist definitiv ein Fall fürs Kuriositätenkabinett des Fußballs: Zuerst lenkte Chemie-Hüter Rudolf Christian Hirschs Abnahme per Flugkopfball per Blitzreflex an die Latte, danach gelang Merkur-Spielmacher Rico Schaller das Kunststück, den Ball aus einem Meter Torentfernung an den Pfosten zu metern. Wer weiß, wie das Spiel ausgegangen wäre, hätten die Gäste diese tausendprozentige Gelegenheit genutzt?

So aber waren wieder die Grün-Weißen an der Reihe. Verfehlte Gothe nach einem sehenswerten Spielzug noch knapp das Tor, platzte nach etwas mehr als einer halben Stunde endlich der Knoten bei Thomas Hönemann: Wieder war es Gothe, der einen Freistoß hoch in den Sechzehner brachte, und diesmal erwischte Chemies Nummer 9 die Kugel perfekt – die Kopfballverlängerung schlug unhaltbar für Schlussmann Grötzsch im rechten Dreiangel. Die Oelsnitzer kamen zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht zur Entlastung. Nach Foul kurz vor der Strafraumgrenze an Stephan Schammer entschied Schiedsrichter Daniel Hartig korrekterweise auf Freistoß. Freistoßspezialist Gothe trat an – und hätte seine sehr gute Vorstellung fast gekrönt, doch sein herrlicher Schlenzer brachte „nur“ das Lattenkreuz zum Schwingen.

Die Gäste nun völlig von der Rolle: Verteidiger Sören Winkler vertändelte völlig unnötig an Hönemann, der frei vor dem Tor die Ruhe bewahrte und Grötzsch keine Abwehrchance ließ – 4:0 für Chemie (41.)!

In der Halbzeitpause waren sich die Zuschauer einig: „Die drei Punkte sind im Sack“, Unklarheiten bestanden lediglich in der Frage, ob es zweistellig ausgehen würde. Womöglich waren die Fünfeckträger ähnlicher Ansicht, denn was nach dem Wiederanpfiff passierte, ist eigentlich unerklärlich. Die Oelsnitzer, deren Trainer in der Kabine offensichtlich die richtigen Worte gefunden hatte, drehten nun förmlich auf, spielten selbstbewussten Angriffsfußball und konnten bereits in der 47. Minute zum 1:4 anschließen, als Merkur-Stürmer Hisch nach gelungener Kombination Andreas Rudolf überwinden konnte. Zehn Minuten später ließ Marco Weigl die komplette Leutzscher Hintermannschaft alt aussehen und schloss sein hervorragendes Solo mit der rechten Innenseite in die lange Ecke ab.

Danach fand die BSG endlich wieder statt und hatte in der 63. Minute die Möglichkeit, die berechtigten Hoffnungen der Gäste zunichte zu machen: Hönemann erreichte einen hohen Ball vor dem herauseilenden Grötzsch, doch der Außenpfosten verhinderte die vorzeitige Entscheidung. So dagegen blieb Merkur weiter am Drücker und sorgte für bange Gesichter trotz 4:2-Spielstand, besonders als Benjamin Matthes nach schöner Quervorlage Rico Schallers nur knapp an Torhüter Rudolfs starker Fußabwehr scheiterte. Was im Falle eines weiteren Anschlusstreffers geschehen wäre, wollen wir uns lieber nicht ausmalen.

So aber kam eine Viertelstunde vor Spielende zum Glück alles anders: Der kurz zuvor für Gothe neu ins Spiel gekommene Norman Lee Gandaa flankte halbhoch in die Strafraummitte, Matze von der Weths Abnahme konnte Grötzsch nur prallen lassen und Thomas Hönemann hatte heute einfach einen goldenen Tag. Goldrichtig stehend staubte er zum 5:2-Endstand ab.

Was blieb, waren gemischte Gefühle. Einer phänomenalen ersten Spielhälfte folgten besorgniserregende weitere 45 Minuten, die gerade in der Hintermannschaften eklatante Schwächen offenbarten. Die zeitweise sichtbaren Konzentrationsdefizite müssen unbedingt abgestellt werden, denn ein abgeklärterer Gegner wird die Fehler besser zu nutzen wissen als die gerade erst aufgestiegenen Oelsnitzer, denen eine sehr couragierte Leistung in der zweiten Halbzeit bescheinigt werden kann. Die BSG Chemie ihrerseits hat dank des hohen Sieges und des guten Torverhältnisses die Tabellenspitze erobert, teilt sich diese jedoch mit der punktgleichen SG Leipzig-Leutzsch, dem SSV Markranstädt und Einheit Kamenz.

Trainer René Behring bleibt gelassen: „Auch wenn ich über die zweite Halbzeit natürlich überhaupt nicht glücklich sein kann, stehen auf dem Papier drei Siege in drei Spielen. Damit muss man auch mal zufrieden sein. Jetzt gilt es, nach vorn zu schauen, denn mit Einheit Kamenz wartet auch schon der nächste Wegweiser.“

BSG Chemie Leipzig: Andreas Rudolf – Lucas Rieger, Michael Schilling – Dave Jeßner, Matthias Gothe (76. Norman Lee Gandaa) – Matthias von der Werth, Stephan Schammer, Thomas Hönemann, Tim Krömer (60. Alexander Portleroy), Patrice Meißner, Florian Gerber (46. Tom Baumgart); Trainer: Rene Behring

SV Merkur 06 Oelsnitz: Alexander Grötzsch, Steffen Stumpe, Michael Müller, Rico Schaller, Steven Gorschinek, Robert Hoffmann (6. Tommy Herrmann), Christian Hirsch, Sören Winkler, Benjamin Matthes (84. Philipp Göbel), Nico Beck, Marco Weigl; Trainer: Michael Hiemisch

Tore: 1:0 Michael Schilling (1.); 2:0 Florian Gerber (Foulelfmeter, 7.); 3:0 Thomas Hönemann (32.); 4:0 Thomas Hönemann (41.); 4:1 Christian Hirsch (47.); 4:2 Marco Weigl (57.); 5:2 Thomas Hönemann (81.)

Schiedsrichter: Daniel Hartig (Freital) – Assistenten: Martin Gläser, David Möller (Dresden)

Zuschauer: 1234

Gelbe Karte: Tom Baumgart / Nico Beck (2.), Christian Hirsch

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