Foto: Christian Donner
Das Debüt ist geglückt. Dank einer überzeugenden zweiten Halbzeit bezwang die BSG Chemie Leipzig den FC Eilenburg mit 2:0 (0:0). Knapp 1700 Zuschauer wurden Zeuge eines historischen Tages im altehrwürdigen Alfred-Kunze-Sportpark, denn erstmals seit 21 Jahren lief wieder eine Mannschaft mit dem Fünfeck auf der Brust in Leutzsch auf. Gegner war mit dem FC Eilenburg der Fünftplatzierte der letzten Saison, der auch in diesem Jahr zu den Aufstiegskandidaten gezählt wird – und das nicht zu Unrecht, wie sich herausstellen sollte.
Dabei hätte alles auch ganz anders ausgehen können: In der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag zerstörten Unbekannte Teile des Spielfeldes mit Unkrautvernichtungsmitteln, die Begegnung stand auf der Kippe. Doch die Spieler des FC Eilenburg bewiesen Sportsgeist und verzichteten auf eine Spielverlegung. Spieler, Trainerteam, Offizielle und Fans – alle durften aufatmen, die Mühen der letzten Wochen waren nicht vergebens.
Zehn Minuten später – viele Fans standen zu geplanter Anstoßzeit noch vor den Toren – führte Schiedsrichter Lutz Rosenkranz die Mannschaften aufs Feld, da erleuchteten auf dem Oberrang des mächtigen Norddamms bengalische Lichter, per Spruchband („Im Leutzscher Holz sind wir geboren“) und riesigem Transparent bekannten sich die Chemie-Fans zu ihrer fußballerischen Heimat, dem Alfred-Kunze-Sportpark in Leipzig-Leutzsch. Zusammen mit den 1690 Zuschauern bildete diese atemberaubende Choreographie einen würdigen Rahmen für das Comeback der BSG Chemie Leipzig.
Für die Gäste aus Eilenburg jedoch war dieses imposante Intro anscheinend kein Grund, sich zu verstecken. Im Gegenteil, die Mannschaft von Trainer Rico Winkler war sehr präsent und doppelten die Chemiker bereits kurz nach der Mittellinie. Den Leutzschern dagegen war die Nervosität deutlich anzumerken, an die aus den Vorbereitungsspielen gewohnte Präzision im Passspiel konnte zunächst noch nicht angeknüpft werden. Eilenburg hingegen zeigte sich ballsicher und spritzig konnte die anfängliche Sturm-und-Drang-Phase aber nicht in Zählbares ummünzen. Erst nach 17 Minuten konnten die Grün-Weißen erstmalig für ernsthafte Gefahr vor des Gegners Tor sorgen: Stephan Schammers flache Hereingabe von der Grundlinie in den Rückraum nahm Norman Lee Gandaa direkt – Gästekeeper Kotzbau war jedoch auf der Hut. Dennoch wollte so richtig viel noch nicht gelingen. Chemie versuchte, über die Härte mehr ins Spiel zu kommen, was Kapitän Felix Preußner wegen wiederholten Foulspiels die gelbe Karte einbrachte (21.). Kurz darauf wurde Patrice Meißner ebenfalls hart angegangen, die Verwarnung von Schiedsrichter Rosenkranz blieb jedoch aus.
Nach knapp einer halben Stunde wieder die Leutzscher: Konnte eine Ecke Schammers zunächst noch (zu kurz) geklärt werden, erhielt dieser direkt im Anschluss gleich noch einmal die Gelegenheit zur Flanke. Diese fand ihren Abnehmer in Thomas Hönemann, doch seinem Kopfball mangelte es an Härte, Kotzbau konnte rechtzeitig abtauchen. Das Spiel danach ziemlich ausgeglichen, Eilenburg investierte viel und hielt ordentlich dagegen. Christopher Blümels Schuss aus spitzem Winkel konnte Hüter Daniel Lippmann sicher entschärfen (34.). Einige Zuschauer waren in Gedanken wohl schon beim Pausenbier, als Thomas Hönemann die größte Chance zur Führung vergab: Gandaa schickte den schneller Schammer auf links außen, dessen Zuspiel in die Mitte erwischte der Sturmhüne jedoch nicht optimal.
Apropos nicht optimal: Das Catering bei brütender Hitze ließ in den Augen vieler Chemiker arg zu wünschen übrig. Vor den Getränkeständen bildeten sich ellenlange Schlangen und so mancher schaffte es nicht mehr rechtzeitig zum Wiederanpfiff. Dem Problem soll zum nächsten Heimspiel Abhilfe geschafft werden.
Chemie-Trainer René Behring hatte wohl andere Sorgen, er brachte zur zweiten Hälfte Lukas Rieger für den gelb/rot-gefährdeten Preußner. Augenscheinlich fand er auch die richtigen Worte in der Kabine, Grün-Weiß präsentierte sich gleich zu Beginn viel entschlossener und ihr Heil in der Offensive suchend. Die Bemühungen zeigten Wirkung: Blieb nach einem grenzwertigen Einsteigen von FCE-Kapitän Armin Kilz die Pfeife des Referees sehr zum Unmut des Publikums stumm, verhängte selbiger gleich darauf nach Foul an Tim Krömer einen Freistoß für Chemie. Gandaa legte sich die Kugel zurecht, seiner Hereingabe fehlte aber die Höhe. Eilenburgs Mirko Dittrich hatte ein Einsehen und ermöglichte dem Linksfuß eine zweite Chance. Diesmal klappte es besser, die scharfe Flanke landete punktgenau auf dem Haupt des hochgewachsenen Matthias von der Weth, der sich von seinem Bewacher lösen konnte und zum 1:0 einköpfen konnte. Riesenerleichterung sowohl auf dem Platz, als auch auf den Rängen.
Der Treffer wirkte wie eine Befreiung, fortan fanden die Leutzscher allmählich zu ihrem aus den Testspielen bekannten, sicheren Kombinationsspiel, gespickt mit langen Diagonalbällen auf die schnellen Außen. Die Mannen von der Mulde verstärkten nun ihre Offensivbemühungen, doch die Abwehr um Patrice Meißner gewann zunehmend an Sicherheit. Und wenn es doch mal brenzliger wurde, war der souveräne Lippmann zur Stelle – wie auch in der 74. Spielminute, als er eine Großchance der Eilenburger vereitelte. Überhaupt strahlte das „Lippi“ jederzeit viel Ruhe und Sicherheit aus. Die Spannung stieg und erreichte eine Viertelstunde vor Schluss ihren Zenit. Nach einer ansehnlichen Ballstafette über Schilling und Hönemann kam von der Weth zum Schuss. In diesen schmiss sich FCE-Verteidiger Kilz, der Ball sprang an die Hand, doch Schiri Rosenkranz erkannte keine Absicht – eine vertretbare Entscheidung. Die Fans sahen dies freilich anders und während der empörte Aufschrei noch nicht ganz verklungen war, setzte von der Weth engagiert nach und eröffnete dem für Gandaa gekommenenen Marcus Wolf eine gute Einschussgelegenheit. Sein Schussversuch war allerdings etwas zu hoch. Für den Norddamm war dies das entscheidende Fanal: Das wohl populärste Lied der vergangenen Kreisklassensaison ertönte und der Funke schien aufs Feld überzuspringen. Keine drei Minuten später fasste sich Florian Gerber ein Herz, ließ Gegenspieler Wenk aussteigen und flankte von links gen Elfmeterpunkt. Dort lauerte bereits der mitgelaufene Stephan Schammer, die Fans wollten den Ball förmlich ins Tor hineinbrüllen, doch der 22-jährige blieb ganz cool, guckte sich Torhüter Kotzbau aus und schob in die linke Ecke zum 2:0 ein. Das ganze Stadion nun völlig außer sich – den Jubel samt anschließendem „Chemie“-Roar dürfte man noch bis an die Merseburger Straße vernommen haben. Beim Evergreen „Chemie Leipzig olé“ und dem „BSG“-Wechselgesang stieg der bereits zuvor schon das gesamte Spiel emotional begleitende Dammsitz voll ein und auch so manch gestandener Haudegen konnte sich seiner (Freuden-)Tränen nicht mehr erwehren.
Der Rest vom Lied ist schnell erzählt: Jeder Spieler arbeitete nun couragiert nach hinten mit und die Defensive blieb stabil. Schiri Rosenkranz sah auch keine Veranlassung, großartig nachspielen zu lassen und beendete die Partie nach 91 Minuten. Fans und Spieler rissen die Arme hoch und feierten gemeinsam den verdienten Triumph über einen in der ersten Halbzeit absolut ebenbürtigen Gegner. Zufriedene bis strahlende, in jedem Falle aber glückliche Gesichter, wohin man auch schaute – einen besseren Einstand kann man sich kaum vorstellen.
BSG Chemie Leipzig: Daniel Lippmann – Felix Preussner (46. Lucas Rieger), Michael Schilling – Dave Jeßner – Thomas Hönemann, Norman Lee Gandaa (59. Marcus Wolf), Stephan Schammer, Tim Krömer, Patrice Meißner, Florian Gerber (84. Tom Baumgart), Matthias von der Werth; Trainer: Rene Behring
FC Eilenburg: Christian Kotzbau – Robert Kalex (66. Christoph Bartlog), Marco Wenk – Rene Winkler, Stephan Hofmann, Mirko Dietrich, Armin Kilz – Christopher Plätzsch (86. Patrick Langer), Christopher Blümel – Paul Stöbe (74. Rico Drabon), Stefan Maruhn; Trainer: Rico Winkler
Tore: 1:0 Matthias von der Werth (47.); 2:0 Stephan Schammer (79.)
Schiedsrichter: Lutz Rosebkranz (Plauen) – Assistenten: Enrico Jahn (Plauen), Tim Ziegler
Zuschauer: 1690